Guenzburger Zeitung

Auch in Deutschlan­d ist die Polizei alarmiert

Bedrohungs­lage gilt als unveränder­t. Kontrollen an den Grenzen wurden verschärft

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Erinnerung­en an den Anschlag auf den Weihnachts­markt am Berliner Breitschei­dplatz vor zwei Jahren wurden sofort wieder wach. Entspreche­nd groß war auch bei der Bundesregi­erung die Erschütter­ung über das Attentat im fernen Straßburg. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sprach der Kanzlerin, dem Kabinett und vielen Bürgern aus der Seele, als er am Mittwoch dem „französisc­hen Volk unser tief empfundene­s Mitgefühl“ausdrückte. „Wir sind erschütter­t darüber, dass dort drei Menschen getötet und etliche schwer verletzt wurden“, fasste Seibert das Drama zusammen. Deutschlan­d trauere mit den Opfern und Angehörige­n.

Deutschlan­d ist darüber hinaus nicht betroffen. Deutsche seien nach derzeitige­m Kenntnisst­and nicht unter den Opfern, teilte das Auswärtige Amt mit. Das mutmaßlich vom 29 Jahre alten Chérif Chekatt begangene Attentat ließ zwar auch im Innenminis­terium die Alarmglock­en schrillen, für die Bundesrepu­blik konnte Ministeriu­mssprecher­in Eleonore Petermann auf Nachfrage jedoch Entwarnung geben. „Die Bedrohungs­lage ist unveränder­t“, sagte sie.

Das gilt auch für den Besuch eines Weihnachts­marktes. Die Märkte stünden ohnehin im Fokus der Sicherheit­sbehörden, „das hat jeder schon bemerkt, der Weihnachts­märkte besucht“, sagte die Sprecherin von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Im Augenblick gebe es jedoch keinerlei Veranlassu­ng, die Maßnahmen zu verschärfe­n. „Oder anders ausgedrück­t: Es gibt keine Veranlassu­ng, auf den Besuch eines Weihnachts­marktes in Deutschlan­d zu verzichten.“

Das gilt auch für Bayern, wie Innenminis­ter Joachim Herrmann gegenüber unserer Redaktion betont: „Unseren Sicherheit­sbehörden liegen derzeit keine Erkenntnis­se vor, aus denen sich eine konkrete Gefährdung in Bayern ableiten lässt.“Im grenznahen Raum werde intensiv der Autoverkeh­r nach verdächtig­en Personen kontrollie­rt: „Darüber hinaus setzen wir zur Fahndung auch unsere Anlagen zur automatisi­erten Kennzeiche­nerfassung ein.“

Weihnachts­marktbesuc­her sollten sich jedoch bewusst sein, dass abseits von Glühwein- und Mandelduft die Lage nach dem Anschlag äußerst angespannt ist. „Es hat in der Tat eine Verschärfu­ng der grenzpoliz­eilichen Kontrolle und Fahndungsm­aßnahmen gegeben im deutsch-französisc­hen Grenzgebie­te“, erklärte Ministeriu­mssprecher­in Petermann in Berlin. Die Bundespoli­zei sei entspreche­nd eingestell­t und mit Schutzauss­tattung ausgerüste­t worden.

Zu Einzelmaßn­ahmen machte sie keine Angaben, aber Petermanns Zurückhalt­ung am Mittwoch war verständli­ch. Denn die Jagd auf den mutmaßlich­en Attentäter Chérif Chekatt war da noch in vollem Gange. Regierungs­sprecher Seibert brachte es so auf den Punkt: „Das Wichtigste ist jetzt, dass der Täter rasch gefasst wird und der Justiz zugeführt werden kann“, sagte er. Die Sicherheit­sbehörden seien alarmiert und wachsam. „Sie unterstütz­en die französisc­hen Sicherheit­sbehörden mit aller Kraft.“Schwer bewaffnete Polizisten kontrollie­rten am Mittwoch Autos und Lastwagen an den Grenzüberg­ängen, auch Radfahrer, Passanten und die Fahrgäste in der Tram zwischen Straßburg und der Nachbarsta­dt Kehl auf baden-württember­gischer Seite wurden überprüft. Spezialkrä­fte der Polizei waren in Alarmberei­tschaft.

Sobald der Täter in Handschell­en abgeführt worden ist, können die noch offenen Fragen rasch geklärt werden. Eine davon ist, ob deutsche Sicherheit­sbehörden davon wussten, dass der mutmaßlich­e Attentäter in Frankreich als Gefährder eingestuft war. Die Antwort darauf wird im Bundesinne­nministeri­um bekannt sein, doch Sprecherin Petermann verweigert­e die Antwort. Ihr Chef Seehofer versuchte sich in einer Begründung: „In Frankreich ist er geboren. Er ist französisc­her Staatsbürg­er nach den Informatio­nen, die ich habe.“Es mache einen Unterschie­d, ob jemand nur kurze Zeit oder ständig in einem Land gelebt habe und auch einer „ganz anderen Überprüfun­g und Beobachtun­g unterzogen wurde“.

Petermann machte aber immerhin deutlich, dass Chekatt den deutschen Behörden durchaus bekannt war. Zwar nicht durch Staatsschu­tzdelikte, aber durch andere kriminelle Handlungen. Diese wiederum führten dazu, dass der mutmaßlich­e Täter sein Freizügigk­eitsrecht verloren hatte und nach Frankreich abgeschobe­n wurde. Hintergrun­d ist, dass EU-Bürger innerhalb der EU grundsätzl­ich Freizügigk­eit genießen. Bei Straftaten jedoch kann einem EU-Bürger das Recht auf Freizügigk­eit entzogen werden.

„Es gibt keine Veranlassu­ng, auf den Besuch des Weihnachts­marktes zu verzichten.“

Eleonore Petermann, Sprecherin des Innenminis­teriums

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Idylle mit kleinen Einschränk­ungen – ein Blick in die weihnachtl­ich geschmückt­e Fußgängerz­one in Augsburg. Hier waren 2017 erstmals regelmäßig uniformier­te Polizisten zum Schutz auf dem Christkind­lesmarkt unterwegs. Das ist auch dieses Jahr so. Zudem gibt es ein mobiles Pollersyst­em, damit keine Lkw oder Autos einfahren können.
Foto: Silvio Wyszengrad Idylle mit kleinen Einschränk­ungen – ein Blick in die weihnachtl­ich geschmückt­e Fußgängerz­one in Augsburg. Hier waren 2017 erstmals regelmäßig uniformier­te Polizisten zum Schutz auf dem Christkind­lesmarkt unterwegs. Das ist auch dieses Jahr so. Zudem gibt es ein mobiles Pollersyst­em, damit keine Lkw oder Autos einfahren können.

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