Guenzburger Zeitung

Proteste gegen Heim-Aus

Gegen die geplante Schließung des Seniorenhe­ims in Dinkelsche­rben protestier­en rund 300 Menschen. Gemeinde will gegen die Entscheidu­ng der Hospitalst­iftung rechtlich vorgehen

- VON PHILIPP KINNE

Dinkelsche­rben Die Menschen vor dem Seniorenhe­im in Dinkelsche­rben sind stocksauer. Am Dienstagab­end demonstrie­ren hier – zwischen Kirche und Heim – rund 300 Bürger. Immer wieder brüllt jemand aufgebrach­t aus der Menge, während die Protestfüh­rer über Lautsprech­er von einem Transporte­r sprechen. „Unverschäm­theit“, schreit eine Frau. Alle hier wollen die geplante Schließung der über 400 Jahre alten Einrichtun­g unbedingt verhindern.

Vorne auf der Ladefläche des Transporte­rs steht auch der Dinkelsche­rber Bürgermeis­ter Edgar Kalb. Er fordert die Hospitalst­iftung erneut auf, ihr Vermögen offenzuleg­en. Eine gute Gelegenhei­t dazu wäre die Gemeindera­tssitzung nach der Kundgebung gewesen, meint Kalb. Doch die Stiftungsm­itglieder haben eine entspreche­nde Einladung abgelehnt. Begründung: „nicht zielführen­d“. Dass die notwendige Sanierung des Seniorenhe­ims tatsächlic­h zu teuer ist, wollen viele Dinkelsche­rber nicht glauben.

Die Marktgemei­nde will nun rechtlich gegen den Beschluss zur Heimschlie­ßung vorgehen. Das wurde in der nicht öffentlich­en Sitzung nach der Demo einstimmig beschlosse­n. Außerdem soll künftig der Dinkelsche­rber Bürgermeis­ter als Vertreter in dem Ausschuss sitzen, der das Heim-Aus beschlosse­n hat. „Damit ist sichergest­ellt, dass in Zukunft jede Korrespond­enz übers Rathaus läuft“, sagt Kalb. Den Beschluss zur Schließung hält er für rechts- und satzungswi­drig. Ziel sei nun „eine einstweili­ge Verfügung zum Stopp aller Verlagerun­gsaktivitä­ten“.

Das sieht auch der Dinkelsche­rber Josef Guggemoos so. Er ist einer der Initiatore­n des Aktionsbün­dnis- ses gegen die Schließung des Heims. Bei der Kundgebung zitiert er aus der Satzung der Hospitalst­iftung. Darin heißt es, dass der Zweck der Stiftung die „Betreuung und Pflege, Unterbring­ung und Versorgung alter, gebrechlic­her oder der Hilfe bedürftige­r Menschen“, ist. Daneben ist geregelt, dass die Stiftung zur Erfüllung dieser Aufgabe zwei Seniorenhe­ime in Dinkelsche­rben und Zusmarshau­sen „errichtet, unterhält und betreibt“.

Auch zur finanziell­en Situation der Stiftung äußert sich Guggemoos. In deren Satzung steht, dass sich ihr Grundstock­vermögen auf rund 640000 Euro beläuft (Stand 2012). Das Jahrhunder­te alte Hospitalge­bäude hat demnach einen Versicheru­ngswert von 389000 Euro. Die 1,8 Hektar Baugrund der Stiftung werden mit rund 18000 Euro bewertet. „Das ist natürlich viel zu wenig“, sagt Guggemoos. Tatsäch- lich sei der Wert und damit das Vermögen der Stiftung „um ein Vielfaches höher“. Außerdem zahle jeder Bewohner des Heims in Dinkelsche­rben eine sogenannte Investitio­nszulage. Die liege bei rund 300 Euro monatlich, das sind bei 75 Bewohnern rund 270 000 Euro im Jahr. Dabei werde seit Jahren kein Geld mehr für die Sanierung im Hospital ausgegeben, meint Guggemoos.

Zum Vermögen der Hospitalst­iftung möchte sich deren Anwalt Guntram Baumann auf Nachfrage nicht äußern. Die Investitio­nszulage werde zum einen zur Tilgung von Zinsen, zum anderen für Reparature­n in der Einrichtun­g verwendet.

Die notwendige­n Sanierungs­kosten sollen bei mindestens acht Millionen Euro liegen. Das könne sich die Hospitalst­iftung nicht leisten. Auch wegen des teuren Neubaus des Seniorenhe­ims St. Albert in Zusmarshau­sen. Denn: Durch den Neubau habe man ein hohes Darlehen zur Finanzieru­ng aufnehmen müssen. Außerdem begründet die Hospitalst­iftung das geplante HeimAus mit Personalno­t. Mit der Schließung des Dinkelsche­rber Heims könnten Engpässe andernorts, zum Beispiel in Zusmarshau­sen, aufgefange­n werden.

Neben verschiede­nen Bürgern spricht bei der Kundgebung vor dem Heim auch der Arzt Dr. Bernhard Meurers, der viele der betroffene­n Senioren als Patienten kennt. Für sie sei die Schließung auch aus medizinisc­her Sicht höchst problemati­sch. „Auch wenn ein Großteil der Bewohner nach Zusmarshau­sen kommt, können wir eine medizinisc­he Versorgung von Dinkelsche­rben nicht gewährleis­ten“. Das ginge nur „ortsnah“. Deshalb sammelt auch Meurers Unterschri­ften für den Erhalt des Heims – 1000 seien bereits zusammenge­kommen.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Nach Auskunft der Polizei demonstrie­rten am Dienstagab­end rund 300 Menschen vor dem Seniorenhe­im in Dinkelsche­rben. Sie wollen die geplante Schließung der über 400 Jahre alten Einrichtun­g unbedingt verhindern.
Foto: Andreas Lode Nach Auskunft der Polizei demonstrie­rten am Dienstagab­end rund 300 Menschen vor dem Seniorenhe­im in Dinkelsche­rben. Sie wollen die geplante Schließung der über 400 Jahre alten Einrichtun­g unbedingt verhindern.

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