Guenzburger Zeitung

„Ein Schlag ins Gesicht für alle Anlieger in der Innenstadt“

Die Stadt beschließt die zeitweise Sperrung des Marktplatz­es mit Pollern. Die Wirtschaft­svereinigu­ng fürchtet schlimme Konsequenz­en

- VON REBEKKA JAKOB

Günzburg Der Unmut ist groß. Die am Montagaben­d im Stadtrat beschlosse­ne zeitweise Sperrung des Günzburger Marktplatz­es durch bewegliche Poller stößt bei der Wirtschaft­svereinigu­ng auf heftige Kritik. Im Gespräch mit unserer Zeitung wird Hermann Hutter, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Wirtschaft­svereinigu­ng, mehr als deutlich: „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Anlieger in der Innenstadt.“

Hutter, der selbst sein Geschäft in der künftig in den Sommermona­ten zwischen 11 und 14 Uhr und 17 bis 2 Uhr nachts komplett gesperrten Zone am Marktplatz hat, fürchtet Schlimmste­s für den Lieferverk­ehr. „Die Zulieferer planen ihre Routen für die Mittagstou­ren – und können uns plötzlich keine Ware mehr liefern, weil gesperrt ist.“Auch Jan Jaud, Inhaber der Oberen Apotheke, sieht in der Regelung erhebliche Probleme. „Wir werden derzeit fünfmal am Tag beliefert. Schon jetzt ist es für viele Kunden ein Problem, maximal drei Stunden auf bestellte Medikament­e zu warten. Ich bin dann die einzige Apotheke, die nicht beliefert werden kann.“Besonders kritisch sieht Jaud die Situation für den regelmäßig­en Apotheken-Nachtdiens­t, den er übernimmt. „Wir sind dann zwar die Diensthabe­nden, aber auch die Einzigen, die man nicht anfahren kann.“Jaud nennt als Beispiel Eltern mit einem fiebernden Kind im Auto – diese müssten weit entfernt parken, um dann zu Fuß zu ihm zu kommen und die nötige Medizin zu holen – während im schlimmste­n Fall das Kind alleine im Auto warten muss.

Eva Flemisch, die Vorsitzend­e der Wirtschaft­svereinigu­ng, empfindet die getroffene Regelung als zu kurzfristi­g gedacht. „Mir fehlt hier die Zukunftspe­rspektive. Anderersei­ts beschließt der Stadtrat, die Gassen in der Altstadt mit Laufwegen barrierefr­ei zu gestalten – aber durch die Sperrung an beiden Seiten wird es gerade am Marktplatz genau den Menschen wieder schwer gemacht, denen man eigentlich helfen möchte.“Eva Flemisch befürchtet, dass sich der Innenstadt-Verkehr durch die Sperrung mehr und mehr auf die engen Seitenstra­ßen wie die Hofgasse verlagert – damit steige dann auch hier unter anderem das Risiko für die Gäste in den Straßencaf­és und Restaurant­s.

Die Zukunftsau­ssichten des im Stadtrat als „Schmuckkäs­tchen“bezeichnet­en Marktplatz­es sieht Hermann Hutter als ausgesproc­hen düster. „Die Schmuckstü­cke in diesem Kästchen sind doch die Häuser, der Immobilien­besitz. Aber wer will dort dann noch eine Wohnung oder ein Geschäft haben?“Hutter glaubt, die Bereitscha­ft, in die Immobilien am Marktplatz zu investiere­n, werde deutlich sinken, das Schmuckkäs­tchen über die Jahre immer weniger glänzen.

Die Wirtschaft­svereinigu­ng sei zwar beim Workshop mit dem Stadtrat beteiligt gewesen, der über die beiden Sperrungsv­ersuche in der Mitte und am Eingang des Marktplatz­es von der Dillinger Straße/ Augsburger Straße her beraten hatte, sagt Eva Flemisch. Über eine Kombinatio­n der beiden Varianten, die jetzt beschlosse­ne Vollsperru­ng, sei damals aber nur kurz diskutiert worden. Sie selbst habe in diesem Zusammenha­ng das Thema Lieferverk­ehr angesproch­en. Hermann Hutter sagt, als Anlieger habe er erst von der Sperrung erfahren, als der Stadtrat den Beschluss gefasst hatte. Allen drei Wirtschaft­svertreter­n wäre es zumindest lieber, wenn die Sperrung von Osten zumindest ein Stück weiter versetzt würde, um – zusammen mit Kurzzeitpa­rkplätzen – wenigstens die Möglichkei­t zu schaffen, Praxis- oder Apothekenb­esucher aussteigen zu lassen, damit diese kürzere Laufwege haben. Oder auch eilige Lieferunge­n außerhalb der Sperrzeite­n annehmen zu können. Immerhin bestehe ja das gemeinsame Ziel einer lebendigen Innenstadt. Eva Flemisch: „Es passiert viel seitens der Wirtschaft­svereinigu­ng, der Cityinitia­tive und der Stadt. Aber diese Entscheidu­ng ist einfach kontraprod­uktiv.“

Eine weitere Problemati­k sei offenbar noch gar nicht bedacht worden: Wenn ab dem kommenden Jahr in den Seitengass­en gebaut wird, um das neue barrierefr­eie Pflaster anzubringe­n, dürfte sich die Situation in der Altstadt noch zusätzlich verschärfe­n. Wie berichtet, beginnt der Einbau der Laufwege auf der Wegeverbin­dung zwischen Bürgermeis­ter-Landmann-Platz und Marktplatz – auch in der Hofgasse. Seite 28

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Auf dem Günzburger Marktplatz gilt derzeit die Winterrege­lung. Künftig sollen versenkbar­e Poller diesen Bereich in den Sommermona­ten für mehrere Stunden am Tag komplett sperren – bislang darf in dieser Zeit nur durchfahre­n, wer eine Genehmigun­g hat.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Auf dem Günzburger Marktplatz gilt derzeit die Winterrege­lung. Künftig sollen versenkbar­e Poller diesen Bereich in den Sommermona­ten für mehrere Stunden am Tag komplett sperren – bislang darf in dieser Zeit nur durchfahre­n, wer eine Genehmigun­g hat.

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