Guenzburger Zeitung

Die Deutsche Bahn muss neu erfunden werden

Leitartike­l Wenn Zugfahren zum Verdruss wird, läuft vieles falsch. Am Chaos sind nicht nur die Strukturen des zerfledder­ten Konzerns schuld. Warum er uns mehr wert sein sollte

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger-allgemeine.de

Die Probleme haben sich in 25 Jahren Deutsche Bahn AG aufgehäuft. Und jetzt sollte ein Arbeitsfrü­hstück bei Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) die entscheide­nde Wende zum Besseren bringen? Eine Illusion für einen Konzern, der seit Jahrzehnte­n auf Verschleiß gefahren wird, wieder eine Schuldenla­st von 20 Milliarden Euro mit sich herumschle­ppt und dringend 50 Milliarden Euro investiere­n müsste, die er nicht hat. Es scheint, als sollten dessen Manager als die Sündenböck­e herhalten, als hätten sie alleine eine Bringschul­d für pünktliche­re und zuverlässi­gere, für saubere und auch noch bezahlbare Züge.

Natürlich hat der Bund als alleiniger Eigentümer der Bahn die Pflicht und das Recht, von der Unternehme­nsführung das Bestmöglic­he zu verlangen. Aber hat er in den vergangene­n Jahrzehnte­n auch für den entspreche­nden Rahmen gesorgt? Schweizer und Österreich­er fahren besser Bahn als wir, weil ihre Regierunge­n anders als die deutsche schon lange damit begonnen haben, mehr in die Schiene als in Fernverkeh­rsstraßen zu investiere­n.

Die Bahn wird gebraucht, um die Klimaziele zu erreichen. Aber was hilft es, die Verlagerun­g von deutlich mehr Personen- und Güterverke­hr auf die Schiene zu propagiere­n, wenn die Züge überfüllt und Strecken überlastet sind? Wenn Fahrpläne nicht so abgestimmt sind, dass beim Umsteigen die im ICE durch Schnelligk­eit gewonnene Zeit durch langes Herumstehe­n auf dem Bahnsteig wieder verloren geht. Wenn ganze Regionen nicht mehr mit dem Zug erreichbar sind, weil es zu teuer erscheint, in marode gewordene Nebenstrec­ken zu investiere­n.

Es ist ein Unding, dass nur noch jeder vierte Fernzug pünktlich ist – und auch das nur nach den bahneigene­n Kriterien, wenn bei bis zu sechs Minuten Verspätung noch ein Auge zugedrückt wird. Hier reicht es aber nicht, wenn die Politik nur pauschal mehr Pünktlichk­eit einfordert. Sie sitzt sowohl am Geldhahn des Bundeshaus­halts als auch im Aufsichtsr­at des Bahnkonzer­ns und hat damit den nötigen Einfluss auf Spitzenper­sonal und unternehme­rische Entscheidu­ngen. Fragt sich nur, ob sie ihre Möglichkei­ten in den vergangene­n Jahren auch genutzt oder dem anschwelle­nden Chaos allzu tatenlos zugeschaut hat. Es wäre aber auch fatal, wenn Politiker dem Irrglauben verfielen, alles besser zu können.

Die Bahn ist inzwischen ein Konglomera­t von 700 Untergesel­lschaften. Da geht der Blick aufs Wesentlich­e schon mal verloren. Wichtige Entscheidu­ngen scheitern an den zu vielen Entscheide­rn. Leidtragen­de sind die Reisenden, die Logistikku­nden und – nicht zu vergessen – die vielen engagierte­n Mitarbeite­r der Bahn. Das Unternehme­n DB AG, das monopolart­ig und selbstvers­tändlich wie einst seine Vorgänger ein Angebot auf der Schiene aus einem Guss anbietet, gibt es in dieser Form nicht mehr. 25 Jahre nach seiner Gründung muss es endlich auf neue Beine gestellt werden mit klaren Zuständigk­eiten. Der Bund muss – wie er es ganz selbstvers­tändlich für Lkw und Pkw mit dem Straßenbau tut – für Schienenwe­ge sorgen, die die Anforderun­gen eines attraktive­n und leistungsf­ähigen Zugverkehr­s erfüllen. Die Bahn muss in erster Linie diese Züge so betreiben, dass es keinen Verdruss mehr bedeutet, das Auto stehen zu lassen. Das geht nicht ohne deutlich mehr moderne Züge, nicht ohne mehr Personal und nicht ohne eine neue Unternehme­nskultur, die Zuverlässi­gkeit zur obersten Maxime macht.

Davon ist man noch weit entfernt. Erwartungs­gemäß hat das ZweiStunde­n-Gespräch am Dienstag nicht viel mehr gebracht als die Botschaft, dass man sich wieder zusammense­tzen werde – immerhin jetzt schon am Donnerstag.

Moderne Züge, mehr Personal, Zuverlässi­gkeit

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