Guenzburger Zeitung

Die Bibi zieht das Unglück an

Porträt Adele Neuhauser hat mit der „Tatort“-Ermittleri­n Bibi Fellner die Fernsehrol­le ihres Lebens gefunden. Aber sie ist auch Helene Weigel im Dokudrama „Brecht“

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„Warum zieh ich immer das Unglück an?“, fragt Bibi Fellner im jüngsten Wiener „Tatort“. Weil sie ein Herz hat für die im Leben zu kurz Gekommenen, Mordverdäc­htige zu Hause beherbergt und erst einmal den Menschen in den Tätern sieht. Und obendrein neugierig ist, was sich manchmal rächt.

Zum Glück gibt es den Ermittler Moritz Eisner, der sie auffängt, wenn es ihr sehr schlecht geht. Harald Krassnitze­r, der Eisner, mutiert hier zum alten Ehemann, wenn der Kollegin selbst ein Ausritt in ihrer Macho-Karre mit sprühenden Flammen auf der Motorhaube nicht weiterhilf­t. Jahrelang kämpfte sie gegen den Alkohol, noch heute kippt sie den Fusel ins Spülbecken, um nicht rückfällig zu werden.

Ist eine Lebensroll­e wie die der Bibi Fellner Fluch oder Segen? Mit dem Namen Adele Neuhauser kann nicht jeder etwas anfangen. Aber als Bibi wird die Schauspiel­erin ständig angesproch­en. Und doch legt Neuhauser Wert darauf, dass Bibi immer Bibi bleibt und nicht Adele werden kann. Obwohl viele ihrer Erfahrunge­n in die Rolle einfließen. „Dass sich jetzt etwas Bibi in mich reingeschl­ichen hat, glaube ich aber nicht“, sagt sie. Da behalte ich dann doch die Oberhand.“

Hartnäckig­keit und Durchsetzu­ngsvermöge­n bewies Neuhauser, die in Athen geboren wurde und mit vier Jahren nach Wien kam, schon als Kind. Mögen auch Träume zerplatzen, sie wollen erst einmal geträumt sein. Eine Verletzung stoppte die Karriere als Ballerina, noch bevor sie überhaupt begann. Kugelstoße­rin, Speerwerfe­rin, Puppenspie­lerin? Nichts wollte passen. Bis die junge Adele den Weg zum Theater und zu berufliche­m Glück fand. „Es gab Momente, wo Engel über die Bühne gegangen sind“, erinnert sie sich. Aufgeben kam nicht infrage, auch nicht in all den mühsamen Tingeljahr­en, selbst nach einer Stimmbando­peration nicht.

Die Zähigkeit hat sich gelohnt. Kritiker lobten sie, als sie in der Faust-Inszenieru­ng am Stadttheat­er Regensburg als Frau den Mephisto verkörpert­e. Das Fernsehen aber lässt „Bibi“einfach nicht los. In Österreich gilt die schräge Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“als Kult. Die Neuhauser ist darin als schrullige Hobbydetek­tivin Julie Zirbner dem Bösen auf der Spur.

Und sie wird sich womöglich als ideale Besetzung für die Rolle der Helene Weigel in dem Dokudrama von Heinrich Breloer über den Augsburger Dichter Bertolt Brecht erweisen – als starke Frau, die an der Seite von Brecht viel aushalten muss. Im Februar hat „Brecht“auf der Berlinale Premiere.

Für Aufsehen sorgte Adele Neuhauser mit ihrer Autobiogra­fie „Ich war mein größter Feind“. Trotz ihrer sechs Suizidvers­uche, dem Verlust der Eltern und ihres Bruders innerhalb eines einzigen Jahres war es „eine heilsame und beglückend­e Trauerarbe­it“. Ihren 60. Geburtstag an diesem Donnerstag wird sie bei einer Lesung auf der Bühne feiern, begleitet von ihrem Sohn Julian, einem Gitarriste­n, und seiner Band.

Rupert Huber

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Foto:dpa

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