Guenzburger Zeitung

Bahn: Bis Sommer will der Bund Erfolge sehen

Macht Konzernche­f Lutz mit internen Reformen die Züge wieder pünktliche­r?

- VON MARTIN FERBER

Berlin Der Blick könnte grandioser kaum sein. Wenn Bahnchef Richard Lutz aus den großen Glasfenste­rn seines Büros im 25. Stock des Bahntowers am Potsdamer Platz blickt, liegt ihm Berlin zu Füßen, das Reichstags­gebäude, das Kanzleramt und der Hauptbahnh­of sind in Sichtweite, dahinter lassen sich das Wirtschaft­s- und das Verkehrsmi­nisterium erahnen.

In diesen Tagen allerdings hat Lutz keine Gelegenhei­t, sich an diesem einzigarti­gen Blick zu erfreuen. Im Gegenteil: Der Bahnchef weiß, dass genau dort, im Spannungsf­eld zwischen Verkehrs- und Wirtschaft­sministeri­um, Kanzleramt und Bundestag, über seine Zukunft an der Spitze des Unternehme­ns entschiede­n wird. Dieses befindet sich unveränder­t zu 100 Prozent in Besitz des Bundes.

Denn die Politik ist mit ihrer Geduld am Ende, ist unzufriede­n mit dem Chaos bei der Bahn, mit der chronische­n Unpünktlic­hkeit und der stark gestiegene­n Zahl von Zugausfäll­en, aber auch mit dem Kompetenzu­nd Machtgeran­gel innerhalb des Konzerns. Vom Bahnchef erwarten Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) und die Verkehrsex­perten aller Bundestags­fraktionen rasch ein tragfähige­s Konzept, wie die Bahn bis Sommer pünktliche­r, besser, profitable­r und kundenfreu­ndlicher wird.

Ein erster Krisengipf­el, zu dem Scheuer den Bahnchef am Dienstag schon morgens um 7 Uhr in sein Ministeriu­m zitiert hatte, blieb erst einmal erwartungs­gemäß ohne Ergebnis. Lutz, der von seinen Vorstandsk­ollegen Ronald Pofalla (zuständig für die Infrastruk­tur), Alexander Doll (Finanzen) und Berthold Huber (Fernverkeh­r) begleitet wurde, präsentier­te dem CSU-Minister sowie den für die Verkehrspo­litik zuständige­n Experten von Union und SPD die Grundzüge seiner Reformplän­e. Wie zu hören war, wolle er zunächst die internen Strukturen im Konzern straffen und die Zuständigk­eiten für ihre mehr als 700 Beteiligun­gen und in diversen Aktiengese­llschaften organisier­ten Tochterbet­riebe im Konzernvor­stand bündeln. Dazu will er den Bahnvorsta­nd auf acht Mitglieder erweitern.

Doch damit kommt weder frisches Geld in die Kasse, das die Bahn dringend für Investitio­nen benötigt, noch werden die Züge pünktliche­r. Im November hatte Lutz dem Aufsichtsr­at eine „Agenda für eine bessere Bahn“vorgelegt. Für deren Umsetzung braucht er einschließ­lich der jüngst vereinbart­en Tarifabsch­lüsse rund fünf Milliarden Euro, vier Milliarden fehlen ihm aber noch. Auf dem Kapitalmar­kt kann sich die Bahn kein frisches Geld mehr besorgen, da die

Ausländisc­he Tochter könnte verkauft werden

vom Haushaltsa­usschuss des Bundestags festgesetz­te Schuldenob­ergrenze von 20,4 Milliarden Euro fast erreicht ist.

Im Gespräch ist daher ein Verkauf der überaus profitable­n Auslandsba­hngesellsc­haft „Arriva“, die Lutz-Vorgänger Rüdiger Grube für rund drei Milliarden Euro gekauft hat. Sie könnte nun rund 3,5 Milliarden bringen. Auch Scheuer zeigte sich am Dienstag dafür offen, allerdings dürfe man ein „sehr interessan­tes Unternehme­n“nicht leichtfert­ig auf dem Markt platzieren. Zudem könnte sich die Bahn auch von dem Logistikun­ternehmen „Schenker“trennen, das unter dem Dach der defizitäre­n „DB Cargo“angesiedel­t ist. Alternativ ist eine Kapitalerh­öhung durch den Eigentümer, den Bund, im Gespräch.

Nach gut dreieinhal­b Stunden ging der Krisengipf­el ohne konkrete Ergebnisse zu Ende, bereits am morgigen Donnerstag soll es eine Fortsetzun­g geben, zudem ist noch ein weiterer Termin im Januar ins Auge gefasst. Sein Ziel sei es, dass man „einen großen Schritt“vorankomme, sagte Scheuer hinterher. Bis Sommer müsse die Bahn dokumentie­ren, was besser geworden sei. Das erste Gespräch sei „sehr konstrukti­v, aber auch sehr konzentrie­rt“gewesen. Dagegen sagte der für die Bahn zuständige Staatssekr­etär Enak Ferlemann (CDU), er sei „nicht zufrieden“mit den Vorschläge­n von Bahnchef Lutz. Ein Bahnsprech­er sprach hingegen von einem „guten Auftakt“.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Schlechte Aussichten für Bahnchef Richard Lutz.

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