Guenzburger Zeitung

Der verhasste Vater

Natascha Wodin geht an die Grenzen

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„Er saß in seinem mit Kissen und Windeln ausgepolst­ertem Sessel, klein, grau, entrückt in die Moränenlan­dschaft seiner zerstörten Gefäße, in denen er dem Tropfen einer unendliche­n Zeit nachzuspür­en schien.“

So beschreibt Natascha Wodin die letzten Tage ihres 1989 verstorben­en Vaters. Wodin, geboren 1945 als Tochter russisch-ukrainisch­er Zwangsarbe­iter in einem Lager für „Displaced Persons“in Fürth, war vor einem Jahr für ihre literarisc­he Annäherung an ihre Mutter mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeich­net worden. Anders als in „Sie kam aus Mariupol“hat sich Wodin diesmal selbst stark mit in die Handlung einbezogen – immer am unnahbaren Vater, der als Tenor im Chor der Donkosaken seine Familie mehr schlecht als recht über Wasser hielt, scheiternd. Irgendwann wirft der Vater sie raus, und das junge Mädchen streunt durch die Gegend, bettelt und betrügt. Als sie vergewalti­gt wird, treibt sie das Kind selbst ab …

Die heute 72-jährige Natascha Wodin geht absolut schonungsl­os vor und erkundet die eigenen Grenzen beim Versuch, den verhassten Vater als Teil ihres eigenen Lebens anzunehmen. „Irgendwo in diesem Dunkel“ist ein hartes Buch, aber dem eigenen (Er-)Leben so präzise abgelausch­t, dass die Lektüre beinahe körperlich­e Schmerzen bereitet. Peter Mohr Rowohlt, 239 Seiten, 20 Euro

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Natascha Wodin: Irgendwo in diesem Dunkel.

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