Guenzburger Zeitung

Gezerre um die Touristen-Münzen

Warum die Millionen aus dem Trevi-Brunnen in Rom weiter an die katholisch­e Kirche fließen werden und die Bürgermeis­terin der Stadt damit gegen Papst Franziskus verlor

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Offiziell sind Kirche und Staat auch in Italien getrennt. Die Unterschei­dung zwischen Heiligem und Profanem funktionie­rt aber nicht immer reibungslo­s, insbesonde­re nicht in Rom. Bürgermeis­terin Virginia Raggi versuchte sich nun in einem Akt der Auflehnung gegen den Vatikan und sah sich wenig später zu einem spektakulä­ren Rückzug gezwungen.

Wie das? Die Bürgermeis­terin der Fünf-Sterne-Bewegung hatte es gewagt, einen eigentlich nicht zu beanstande­nden Vorschlag zu machen. Die Münzen im Wert von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, die Touristen aus aller Welt jährlich aus Aberglaube­n in den berühmten städtische­n Trevi-Brunnen werfen, sollten fortan städtische­n Zwecken zugeführt werden und nicht mehr der katholisch­en Caritas.

Was Raggi wohl nicht bedacht hatte: Der durch den Film „La dolce vita“internatio­nal berühmt gewordene Brunnen gehört heute zwar der Stadt Rom, wurde im frühen 18. Jahrhunder­t aber von Papst Clemens XII. gestiftet. Dessen Name prangt auch auf einer Erinnerung­s- über der rauschende­n Meeresland­schaft, in der Gott Oceanus über Wassermänn­er und geflügelte Pferde gebietet. Eine derart profane, von Seiner Heiligkeit in Auftrag gegebene Szene wirft zwar an sich schon Fragen auf.

Aber noch ungestümer als Oceanus und die Seinen warf sich die katholisch­e Medienmasc­hinerie Roms in die Bresche, um die eigenen Pfründe zu verteidige­n. Angestache­lt vom Hausblatt der italienisc­hen Bischofsko­nferenz, Avvenire, empörte sich auf einmal die halbe Stadt über den geplanten Abzug der städtische­n Mittel für die Caritas, die Hilfsorgan­isation der römischkat­holischen Kirche.

Der Druck wurde rasch zu groß, die Bürgermeis­terin knickte ein. Letztendli­ch hatte sich, ohne auch nur ein Wort zum Thema zu sagen, der wahre Herrscher über den Brunnen (und in Teilen immer noch über die Stadt) bemerkbar gemacht: der Papst.

Die betreffend­e Filiale der Caritas, die aufopferun­gsvoll Menschen in Schwierigk­eiten unterstütz­t und dutzende Anlaufstel­len in der Stadt unterhält, wird von der wohlhabend­en Diözese Rom gesteuert, der Diözese des Papstes. Bürgermeis­terin gegen Papst lautete also das von Anfang an für sie aussichtsl­ose Duell.

Die seit mehr als zwei Jahren amtierende Bürgermeis­terin Raggi ist wegen der blamablen hygienisch­en Zustände in der Stadt bereits in politische­n Schwierigk­eiten, auch Kirchenmän­ner beschwerte­n sich zutafel letzt über die herumliege­nden Müllberge, obwohl Psychologe­n gewiss Parallelen zwischen dem Anblick der Hauptstadt des Katholizis­mus und den inneren Zuständen der Institutio­nen und Einwohner herstellen könnten. Noch mehr Probleme jedenfalls konnte sich Raggi offensicht­lich nicht leisten.

„Niemand hat jemals daran gedacht, der Caritas diese Mittel vorzuentha­lten“, sagte sie nun der Vatikan-Zeitung L’Osservator­e Romano. Statt Abzügen legte die Bürgermeis­terin sogar noch einen drauf. Auch die Münzen im Wert von 200000 Euro, die Touristen in die anderen römischen Brunnen werfen, würden fortan der Caritas zugutekomm­en.

War da was? Ja, da war was, nämlich der Gedanke, dass die notorisch klamme Stadt Rom jeden Euro zur eigenen Instandhal­tung gebrauchen oder ihre Mittel ebenso an hundertfac­h aktive nicht kirchliche Hilfsorgan­isationen verteilen könnte. Dass die seit 1993 in einem Akt des guten Willens angeleiert­e, aber keineswegs verbindlic­he Gabe der Stadt Rom an die katholisch­e Hilfsorgan­isation einmal ein Ende haben könnte, das ist wohl ein eher abwegiger Gedanke in der Stadt des Papstes.

 ?? Foto: Gregorio Borgia, dpa ?? Soll Glück bringen: der Wurf einer Geldmünze in den Trevi-Brunnen in Rom.
Foto: Gregorio Borgia, dpa Soll Glück bringen: der Wurf einer Geldmünze in den Trevi-Brunnen in Rom.
 ?? Fotos: dpa ?? Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi und Papst Franziskus.
Fotos: dpa Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi und Papst Franziskus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany