Guenzburger Zeitung

Früher war nicht alles besser

Im Zuge der Retro-Welle kehrt auch Sonys erste Playstatio­n zurück. Leider hat die „Classic“einen Haken – oder sogar zwei

-

Erst macht man sich stundenlan­g fertig, dann kommt man zu spät zur Party und mindestens drei andere Gäste haben das bessere Outfit. Das ist vielleicht ein schiefer Vergleich, beschreibt aber genau das Dilemma von Sony mit seiner geschrumpf­ten Neuauflage der ersten Playstatio­n von 1995. Dieses Gerät kommt spät und erlaubt sich dabei noch einige Schnitzer.

Von außen gleicht die „Playstatio­n Classic“(rund 100 Euro) dem grauen Vorbild aus den 90er Jahren. Sie ist allerdings nur knapp halb so groß. Das CD-Laufwerk ist angedeutet, nimmt aber keine CDs auf. Alle 20 vorinstall­ierten Spiele liegen auf dem Speicher der Konsole selbst, die Installati­on weiterer Titel ist nicht möglich. Bildschirm­e werden via HDMI angeschlos­sen, Strom kommt über ein Micro-USBKabel, ein Adapterste­cker liegt nicht bei. Das fehlende Netzteil sorgt aber dafür, dass der Genuss von „Rayman“, „GTA“und „Resident Evil“sich zunächst verzögert. Die USB-Anschlüsse des Fernsehers und auch des Computermo­nitors liefern nämlich nicht genügend Strom für die kleine Konsole – ein Smartphone-Ladestecke­r muss her. Dann kann der Spaß beginnen.

Der erste Eindruck: Wow, mehr 90er geht eigentlich gerade nicht. Die Grafik, der Sound, der dezente Grusel von „Resident Evil“ist auch 2018 stellenwei­se noch richtig spürbar. Auch „Final Fantasy VII“hat über die Jahre wenig von seinem Reiz verloren, „Rayman“ist nach wie vor ein zwar pixeliges, dafür aber quietschbu­ntes Hüpf- und Springverg­nügen. Ein Pluspunkt der Mini-Playstatio­n: Der verwendete Emulator erlaubt das Anlegen von Speicherst­änden. Nach einiger Zeit tröstet aber selbst der Nostalgief­aktor nicht mehr darüber hinweg, dass die alten Spiele auf der neuen Hardware teils im Schneckent­empo laufen.

Die Spielfigur und die Autos in „GTA“schleichen ziemlich schwer steuerbar über den Bildschirm. Auch das in der Erinnerung superschne­lle „R4 Ridge Racer Type 4“vermittelt einen eher behäbigen Eindruck und der Prügler „Battle Arena Toshinden“läuft im Test leider so unflüssig, dass Sieg und Niederlage eher Glückssach­e als Können sind. Die echte Playstatio­n war trotz 90er-Jahre-Hardware einfach flotter. Sony hat hier offenbar zu einem ziemlich langsamen Emulator gegriffen. Hinzu kommt, dass viele der Titel auf einem modernen HDBildschi­rm einfach nicht mehr gut aussehen.

Auch die Controller sind ein – wenn auch kleines – Problem. Zwar sind sie tadellos gefertigt und qualitativ hochwertig. Es handelt sich aber um einen Nachbau der ersten Playstatio­n-Controller. Es fehlen also die Analogstic­ks für Feinsteuer­ung in 3D-Spielen, Vibrations­feedback auf Spielszene­n beherrsche­n sie auch nicht. Schade. Mit zwei Dual-Shock-Controller­n wäre mehr Spaß in der Packung und auch der linke Daumen wäre weniger vom Steuerkreu­z geschunden.

Und so bleibt die Playstatio­n Classic ein Fenster in die Vergangenh­eit, das eigentlich nur Menschen Spaß machen kann, die damals keine Playstatio­n hatten. Die alten Spiele auf Nintendos RetroKonso­len NES und Super NES Classic mini sind einfach besser über die Jahre gekommen. Immerhin: Die Optik des Konsolen-Nachbaus ist gelungen. Auch einige der installier­ten Spiele sorgen dafür, dass die Playstatio­n Classic am Ende doch für die eine oder andere gute Spielstund­e taugt. Till Simon Nagel, dpa

 ?? Foto: Robert Günther, dpa ?? Mehr 90er geht nicht: Klobiger Controller, pixeliger Bildschirm – so versucht Sony mit der „Playstatio­n Classic“Nostalgike­r zu begeistern.
Foto: Robert Günther, dpa Mehr 90er geht nicht: Klobiger Controller, pixeliger Bildschirm – so versucht Sony mit der „Playstatio­n Classic“Nostalgike­r zu begeistern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany