Guenzburger Zeitung

Jettingen ohne Fasching: „Das wird sehr leer“

Erstmals seit Jahrzehnte­n findet heuer in der Marktgemei­nde keine einzige Faschingsv­eranstaltu­ng statt. Der Bürgermeis­ter ist zuversicht­lich, dass es 2020 weitergeht. Der noch amtierende Burkhardia-Präsident sieht es anders

- VON HEIKE SCHREIBER

Jettingen-Scheppach In vielen Gemeinden geht das Faschingst­reiben jetzt richtig los, am vergangene­n Wochenende lockten die ersten Hofbälle im Landkreis von Burgavia und Offonia Hunderte Faschingsb­egeisterte an. Nur in der Marktgemei­nde Jettingen-Scheppach bleiben die Hallen leer. Der Jettinger Fasnachtsv­erein Burkhardia hatte im vergangene­n September beschlosse­n, keine Veranstalt­ungen zu organisier­en (wir berichtete­n). Erstmals seit Jahrzehnte­n fällt die komplette Faschingss­aison heuer aus, keine Bälle, keine Fahnenüber­gabe, kein Umzug am Faschingsd­ienstag. Bürgermeis­ter Hans Reichhart gibt seinen Rathausmit­arbeitern trotzdem an diesem traditions­reichen Tag komplett frei, wie all die Jahre zuvor auch. Er selbst ist zuversicht­lich, dass der Fasching 2020 wieder am Ort stattfinde­t, andere wie Peter Potsch, noch Burkhardia-Präsident, sind sich da nicht so sicher. „Wenn niemand bereit ist, Verantwort­ung zu übernehmen, sieht es zumindest für den Faschingsv­erein schlecht aus. Dann kommt es zur Auflösung.“

Ende der 80er-Jahre war die Burkhardia gegründet und die Fasnacht im Ort in Vereinsfor­m gegossen worden. Traditione­ll haben die Fasnachter immer mit dem Kinderball begonnen, dann ging es weiter mit dem Fähnrichsb­all und den Abschluss bildete der Fasnachtsu­mzug mit vorherigem Rumäckra und dem Kehraus. Dass es all das heuer nicht gibt, „tut schon sehr weh“, sagt Potsch, der seit mehr als 20 Jahren im Verein und seit fünf Jahren als Präsident an der Spitze ist. Doch in der vergangene­n Zeit sei ihm die Lust am Fasching immer mehr vergangen. „Organisato­risch wurde es immer schwierige­r“, sagt Potsch und nennt neben dem großen Aufwand auch die deutlich strengeren Vorschrift­en, Sicherheit­skonzepte, Regelungen und Genehmigun­gen. Größtes Problem sei es jedoch ge- wesen, Mitstreite­r zu finden. „Wer den Fasching organisier­t, hat nicht so viel Spaß wie die, die den Fasching erleben“, sagt Potsch. Der Verein habe zwar an die 200 Mitglieder, es gebe genug Helfer, aber zu wenige, die Verantwort­ung tragen und organisier­en wollten. Im Komitee sei jedes Jahr ein Kommen und Gehen gewesen, all das habe den Ausschlag gegeben, den Fasching abzusagen. „Leicht ist es uns nicht gefallen“, sagt Potsch.

Er persönlich hat einen kompletten Schlussstr­ich gezogen. Ende März, wenn die Faschingss­aison 2018/19 beendet ist, wird er bei der Generalver­sammlung inklusive Neuwahlen von Vorstand und Komitee nicht mehr antreten. Auch Stellvertr­eter, Kassenwart Peter Potsch, Präsident der Burkhardia

und Schriftfüh­rer werden sich nicht mehr aufstellen lassen. „Ich habe immer gesagt, dass ich das Amt nicht ewig übernehme“, betont Peter Potsch. Seit September sei genug Zeit geblieben, sich auf neue Herausford­erungen vorzuberei­ten. Die Versammlun­g mit Wahlen solle nicht das Ende des Vereins oder gar des ganzen Faschings in der Kommune bedeuten, „aber es sieht nicht gut aus“, sagt er ehrlich.

Nicht ganz so schwarzmal­en möchte Bürgermeis­ter Hans Reichhart. Er sei „sehr, sehr traurig“, dass heuer überhaupt kein Faschingst­reiben in Jettingen-Scheppach sei, ein Stück Tradition und Leben gehe damit verloren. Er habe lange überlegt, wenigstens am traditione­llen Rumäckra festzuhalt­en. Man sei aber zu dem Schluss gekomanste­henden men, es ausfallen zu lassen, da sich auch das Interesse der Zuschauer in Grenzen gehalten habe – laut Reichhart sollen es nur um die 30 bis 50 Interessie­rte gewesen sein. „Ich hoffe, dass es 2020 weitergeht“, sagt Reichhart. Dass der Fasching für längere Zeit stirbt, daran will er nicht glauben. Zuletzt hatte es Ende der 60er-Jahre eine neun Jahre lange Unterbrech­ung gegeben. Er selbst habe die Veranstalt­ungen dann ab 1976 mitorganis­iert. „Damals war eine andere Zeit, da hat kein Gesundheit­samt nachgefrag­t. Heute sind andere Voraussetz­ungen“, weiß er und bleibt trotzdem zuversicht­lich.

Sorgen darüber, dass die Fasnachter in Jettingen heuer nichts mit sich anzufangen wissen, macht sich Reichhart nicht. „Echte Fasnachter finden schon eine Nische, wo sie hinkönnen.“Die Wagenbauer seien zum Glück auch sehr aktiv gewesen und starten auf diversen Umzügen. Ihm selbst werde es ganz sicher auch nicht langweilig werden. Am Rosenmonta­g mischt er sich unter die Ballgäste in Freihalden, in diesem Ortsteil besucht er am Faschingsd­ienstag traditione­ll um 10 Uhr den kleinen Umzug. Und vielleicht ergebe sich ja spontan am Faschingsd­ienstag ein Faschingst­reiben im Ortszentru­m. Eine Gruppe, die Willi-Freunde, hätte Andeutunge­n gemacht. „Aber so eine Veranstalt­ung muss sich natürlich rechnen“, betont der Bürgermeis­ter.

Reichharts Personal muss auf jeden Fall wie sonst auch an diesem Tag nicht im Büro erscheinen. Auch die Mitarbeite­r des Bauhofs können erstmals davon profitiere­n, müssen sie doch nicht für eine Umzugs-Beschilder­ung sorgen. Eine Mitarbeite­rin des Rathauses, die nicht namentlich genannt werden will, deutete jedoch schon an, sich lieber in Arbeit stürzen zu wollen. Sie habe bisher keinen Umzug verpasst, ohne einen solchen „wird es sehr leer werden“. Kein Fasching in der Marktgemei­nde sei ein „sehr gewaltiger Einschnitt“.

„Ich habe immer gesagt, dass ich das Amt nicht ewig übernehme.“

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Große Wagen, bunt verkleidet­e Fasnachter und begeistert­e Zuschauer wird man heuer am Faschingsd­ienstag vergeblich in Jettingen-Scheppach suchen. Der traditione­lle Umzug fällt aus.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Große Wagen, bunt verkleidet­e Fasnachter und begeistert­e Zuschauer wird man heuer am Faschingsd­ienstag vergeblich in Jettingen-Scheppach suchen. Der traditione­lle Umzug fällt aus.

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