Guenzburger Zeitung

Volle Auftragsbü­cher und Fachkräfte­mangel

Die Bilanz der Kammer fällt ausgezeich­net aus. Doch die Suche nach Arbeitskrä­ften ist schwierig und im zweiten Halbjahr könnte die bisherige Konjunktur abgebremst werden

- VON HANS BOSCH

Landkreis „Breiter Optimismus und prall gefüllte Auftragsbü­cher“: So beurteilen 94 Prozent der schwäbisch­en Handwerksb­etriebe quer über alle Branchen ihre wirtschaft­liche Lage zum Jahreswech­sel. Das sind die Werte einer repräsenta­tiven Umfrage der Handwerksk­ammer Schwaben (HWK) zum Jahreswech­sel. Für das neue Jahr ist die Prognose identisch, denn die Mehrheit erwartet zumindest für die ersten sechs Monate weiterhin eine positive Geschäftse­ntwicklung.

Daraus resultiert die verständli­che Aussage von HWK-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner: „Der derzeitige konjunktur­elle Boom ist hoch erfreulich.“Es wundert demnach nicht: Ein Großteil der Betriebe ist in den nächsten Wochen damit beschäftig­t, die Aufträge aus dem vergangene­n Jahr abzuarbeit­en. Das führt zu Wartezeite­n, die inzwischen neun und beim Baugewerbe bis zu 13 Wochen erreichen.

Was für den Regierungs­bezirk Schwaben gilt, trifft auch für die Landkreise Günzburg und Neu-Ulm zu, also den Dienstbezi­rk der Kreishandw­erkerschaf­t mit Sitz in Weißenhorn. Geschäftsf­ührerin Ulrike Ufken: „Unseren Handwerksb­etrieben geht es sehr gut, ja so gut wie bisher noch nie.“Sie verbindet ihre Aussage allerdings mit dem Hinweis, dass diese positive Situation kaum noch gesteigert werden könne und hält deshalb im Verlauf des zweiten Halbjahrs ein „leichtes Nachlassen des Auftragsvo­lumens“für möglich.

Dies hat für sie aber noch einen weiteren Grund: fehlende Fachkräfte und die damit verbundene verzweifel­te Suche nach zusätzlich­en Mitarbeite­rn. Ufken: „Viele Betriebsin­haber sind für jede neue Kraft dankbar, auch wenn sie nur als Helfer eingesetzt werden kann.“Sie hat ein aktuelles Beispiel parat: Seit geraumer Zeit ist ein Rumäne in einem Handwerksb­etrieb beschäftig­t. hat der Chef beauftragt, sich in seiner Heimat bei dessen Verwandtsc­haft oder Nachbarsch­aft nach jungen Leuten umzusehen und ihnen das Dasein als Gastarbeit­er in Deutschlan­d schmackhaf­t zu machen. Die Sprecherin der Kreishandw­erkerschaf­t: „Kann er einen sicheren Arbeitspla­tz nachweisen, so gibt es inzwischen durch das neue Fachkräfte-Einwanderu­ngsgesetz leichtere Einreise- und Aufenthalt­sbestimmun­gen.“Das Fazit für sie: „Das Handwerk hat nicht nur einen Fachkräfte­mangel, vielmehr einen Arbeitskrä­ftemangel.“Sie ist aber der Meinung, dass solche Helfer schon binnen kurzer Zeit wertvolle Mitarbeite­r sein können. In diesem Zusammenha­ng nennt sie die ostund südosteuro­päischen Länder als „Markt“für eigene betrieblic­he Initiative­n. Allerdings unter der Voraussetz­ung: Den neuen Kräften muss ein ausreichen­der Wohnraum bereitgest­ellt werden. Erfreulich ist für Ufken, dass es auch in ihrem Dienstbezi­rk mehrere Unternehme­n im Bau- und Ausbaubere­ich sowie im Metallhand­werk gibt, die entspreche­nde Unterkünft­e anmieten oder eigenen Wohnraum schaffen. Sehr zufrieden ist die Geschäftsf­ührerin mit einigen Projekten der Kreishandw­erkerschaf­t, die in jüngerer Zeit im Bereich Nachwuchsf­örderung „angekurbel­t wurIhn den und jetzt erste Früchte tragen“. So stellt sie mit Genugtuung fest, dass die Zahl der Lehrverträ­ge in den beiden Landkreise­n Günzburg und Neu-Ulm seit dem Herbst merkbar angestiege­n ist. Dies führt sie auf verschiede­ne Aktionen und Aufklärung­smaßnahmen zurück. Im Besonderen verweist sie auf die verstärkte Zusammenar­beit mit den unterschie­dlichsten Schulen, an der sich inzwischen eine Vielzahl von Betrieben beteiligt, die Schnupperl­ehren, Praktika und Besichtigu­ngen anbieten und die Möglichkei­ten des dualen Ausbildung­ssystems verstärkt umsetzen.

Bleibt für das Handwerk auch im neuen Jahr der Fachkräfte­mangel das bedeutsams­te Problem, so sieht die schwäbisch­e HWK doch „erste Schatten“, dass die bisherige Konjunktur „abgebremst wird“. Als Ursache werden internatio­nale Themen wie das Ausscheide­n oder der Verbleib Englands in der EU, die italienisc­he und französisc­he Finanzkris­e und auch die Trumpsche „America-first-Politik“genannt, die in der deutschen Wirtschaft und damit auch beim Handwerk „Schrammen“hinterlass­en werden. Für die HWK notwendig ist deshalb, dass die Bundesregi­erung in der gegenwärti­gen „Zeit voller Kassen“aktiv „an neuen Rahmenbedi­ngungen für schlechte Zeiten“arbeitet. Erinnert wird an den „Berufsbild­ungspakt“, der nach jahrelange­n Handwerksf­orderungen jetzt in den Koalitions­vertrag der Bundesregi­erung aufgenomme­n wurde.

Projekte wurden angekurbel­t und tragen erste Früchte

 ?? Foto: Hans Bosch ?? Dringend Facharbeit­er sucht das Baugewerbe und ebenso der Metallbere­ich. Wartezeite­n bis zu zehn Wochen für die Erledigung gewisser Aufträge sind in allen Handwerksb­ranchen derzeit normal. Unser Foto zeigt (von links) Ausbildung­sleiter Wolfgang Lambacher, Facharbeit­er Andreas Kirschenho­fer und den Lehrling Simeon Radoslavov von der Schlossere­i und Maschinenb­au GmbH Weser in Krumbach.
Foto: Hans Bosch Dringend Facharbeit­er sucht das Baugewerbe und ebenso der Metallbere­ich. Wartezeite­n bis zu zehn Wochen für die Erledigung gewisser Aufträge sind in allen Handwerksb­ranchen derzeit normal. Unser Foto zeigt (von links) Ausbildung­sleiter Wolfgang Lambacher, Facharbeit­er Andreas Kirschenho­fer und den Lehrling Simeon Radoslavov von der Schlossere­i und Maschinenb­au GmbH Weser in Krumbach.
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Ulrike Ufken

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