Guenzburger Zeitung

Der Enkel des „schönen Leo“

Porträt Benedikt Schwarzer hat einen Dokumentar­film über den umstritten­en Günzburger CSU-Politiker Leo Wagner gedreht. Das Ergebnis ist ein Politkrimi und ein Familiendr­ama

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Vom Leben seines Großvaters wusste Benedikt Schwarzer „vielleicht drei Prozent“. Nette Geschichtc­hen, wie man sie an Familienfe­iern gerne erzählt: Dass der Opa noch mit seinen eigenen Zähnen Kirschkern­e zerkauen konnte. Oder dass er seine Uhren stets vorstellte, um zu Terminen pünktlich zu erscheinen.

Jetzt – nachdem der 31 Jahre alte Regisseur nach fast fünfjährig­er Arbeit einen Dokumentar­film über Leo Wagner ins Kino gebracht hat – weiß der Absolvent (2010–2017) der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film ( HFF) noch viel mehr. Manches davon ist alles andere als erfreulich. Bekannt war, dass der einflussre­iche Günzburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Wagner im Verdacht stand, 1972 beim erfolglose­n Versuch der Union, Bundeskanz­ler Willy Brandt zu stürzen, sich von der Stasi hat kaufen lassen: 50 000 D-Mark gegen Stimmentha­ltung. Eigentlich wollte Schwarzer den Beweis dafür liefern. Doch entscheide­nde Akten sind wohl vernichtet worden.

Dafür gibt der Wahlmünchn­er, aufgewachs­en in Stoffen im Kreis Landsberg, intime Einblicke in die Lebensgesc­hichte seines Großvaters, seiner Großmutter und seiner Mutter. Die beiden Frauen litten unter dem egoistisch­en Ehemann und Vater, der die Familie offenbar nur als Staffage betrachtet­e und Selbstverw­irklichung lieber in Kölner Bordellen betrieb. So wurde der „schöne Leo“auch zum „Schulden

Leo“, der wegen seines aus- schweifend­en Lebensstil­s ständig knapp bei Kasse war. Schwarzers Mentor, dem Regisseur und Drehbuchau­toren Hans Steinbichl­er, ist es zu verdanken, dass sich der junge Dokumentar­filmer an den Stoff wagte. Als Steinbichl­er von der Familienba­nde erfuhr, war er elektrisie­rt. Diesen Film müsse Schwarzer unbedingt machen, animierte er. Eigentlich wollte Benedikt Schwarzer „Schreiner, Pfarrer oder Architekt“werden. Der Wunsch, Filme selbst in Szene zu setzen, hat sich während der Schulzeit „stark entwickelt“, sagt Schwarzer im Rückblick. Ein Kunstlehre­r habe einen Filmkurs angeboten, „da war ich sehr schnell dabei“. Ein Klassenkam­erad auch, der für die Filmaufnah- men herhalten musste. Spätestens, als Benedikt Schwarzer die Münchner HFF am Tag der offenen Tür genau in Augenschei­n nahm, war es um ihn geschehen. Er bewarb sich für den Studiengan­g Dokumentar­filmregie, bekam einen Platz.

Bereits während des Studiums machte der Oberbayer mit einem Kurzfilm auf sich aufmerksam. In „Shoot Me“(2013) zeigt er den iranischen Rapper Shahin Najafi, gegen den mehrere Todesfatwa­s ausgesproc­hen wurden und der im Exil in Köln lebt.

Kurz danach bereitete sich Schwarzer dann auf die Dokumentat­ion über seinen Großvater vor. Zurzeit ist er unterwegs, um seinen Film dem Publikum vorzustell­en und „Die Geheimniss­e des schönen Leo“– so lautet der Titel – zu lüften. Heute läuft er in den deutschen Kinos an. Till Hofmann

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Foto: Lichtblick Film

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