Guenzburger Zeitung

Welche Optionen noch bleiben

Fünf Szenarien für einen Ausweg

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Brüssel/London Das Brexit-Abkommen ist am Dienstagab­end im britischen Unterhaus krachend gescheiter­t. Was kann Regierungs­chefin Theresa May nun noch tun, um ein komplettes Desaster abzuwenden?

● Zweite Abstimmung Da die Niederlage mit 432 zu 202 Stimmen dramatisch ausfiel, erscheint ein neues Votum über denselben Deal als fast chancenlos. Doch zwei Faktoren könnten einen Umschwung in London fördern, vermutete Fabian Zuleeg von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC): „Zusätzlich­er Zeitdruck könnte helfen“– nämlich das immer näher rückende Austrittsd­atum. „Und der wirtschaft­liche Druck wird sich erhöhen“, sagte Zuleeg.

● Verschiebu­ng Premiermin­isterin May hat eine Verlängeru­ng der Austrittsf­rist über den 29. März hinaus immer wieder abgelehnt. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass die konservati­ve Regierungs­chefin ihre Linie ändert. Sie könnte einen Antrag bei den übrigen 27 EU-Staaten stellen, und die würden nach Darstellun­g von Diplomaten wohl auch zustimmen. Doch wäre das aus EUSicht nur sinnvoll, wenn es eine konkrete Begründung gäbe, etwa eine Neuwahl oder ein zweites Referendum in Großbritan­nien. Und es ginge nur für sehr begrenzte Zeit. Denn nach der Europawahl vom 23. bis 26. Mai konstituie­rt sich Anfang Juli das neue Europaparl­ament. Sind die Briten da noch EU-Mitglied, müssten auch sie Abgeordnet­e nach Straßburg schicken.

● Neues Referendum Für ein zweites Referendum über die EU-Mitgliedsc­haft Großbritan­niens wäre die Zeit jedoch knapp bemessen. EPC-Fachmann Zuleeg rechnete vor, dass dies in Großbritan­nien nach Richtlinie­n der Wahlkommis­sion rund fünf Monate Vorlauf bräuchte. Auch sei unklar, über welche Frage die Briten abstimmen sollten. Ob ein zweites Referendum anders ausgehen würde, ist ungewiss. Viele Briten fürchten, dass eine zweite Auflage die Gräben zwischen den Kontrahent­en weiter vertiefen würde. Schon jetzt vergiftet die aufgeheizt­e Atmosphäre das Klima.

● Brexit-Antrag zurückzieh­en Diesen Weg hat der Europäisch­e Gerichtsho­f in einem Urteil im Dezember eröffnet: Großbritan­nien könnte seinen Antrag auf Austritt aus der EU jederzeit einseitig zurückzieh­en, also auch noch unmittelba­r vor dem Austrittsd­atum. Das Land bliebe einfach wie bisher Mitglied der EU. Ein weiterer Austrittsa­ntrag ist damit nicht ausgeschlo­ssen. Man hätte Zeit gewonnen. Doch einem solchen Rückzieher müsste das britische Parlament zustimmen – eine wohl zu hohe Hürde.

● Sturz über die Klippe Corbyn verwies im Parlament darauf, dass das Unterhaus mehrheitli­ch gegen einen No-Deal-Brexit sei, also gegen einen ungeregelt­en Austritt ohne Vertrag, bei dem dramatisch­e wirtschaft­liche Verwerfung­en befürchtet werden. Aber wie die geordnete Lösung aussehen soll, ist damit immer noch unklar. Angesichts der tiefen Spaltung der britischen Politik und der Tatsache, dass einige britische Abgeordnet­e einen „No Deal“nicht schlimm finden, wird nicht ausgeschlo­ssen, dass das Land quasi aus Versehen oder aus Zeitnot doch über die Klippe schlittert.

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Foto: obs Das Brexit-Roulette geht in die entscheide­nde Phase.

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