Guenzburger Zeitung

Was aus der „Waschmasch­ine“wird

460 Millionen Euro soll die Erweiterun­g des Bundeskanz­leramts kosten. Doch es gibt Zweifel, ob diese Summe am Ende ausreicht. Ein großes „Fragezeich­en“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die „Waschmasch­ine“der Kanzlerin ist zu klein geworden, drum wird sie jetzt um ein „Fragezeich­en“, gegenüber der „Schwangere­n Auster“, erweitert. Wer das nicht gleich versteht, kennt die Neigung der Berliner nicht, markanten Gebäuden Spitznamen zu verpassen, oft solche der eher respektlos­en Art. Seit Jahrzehnte­n ist das „Haus der Kulturen der Welt“wegen seines Dachs als „Schwangere Auster“bekannt, „Waschmasch­ine“nennen viele Hauptstädt­er das würfelförm­ige Bundeskanz­leramt mit seinen runden Ausschnitt­en. Letzteres platzt aus allen Nähten, weil die Zahl der Mitarbeite­r von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangene­n Jahren stark gestiegen ist.

Nun soll in den kommenden Jahren ein mindestens 460 Millionen teurer Erweiterun­gsbau errichtet werden, für den sich aufgrund seiner prägnanten Form sofort nach der Vorstellun­g der Entwürfe bei Beobachter­n der Spitzname „Fragezeich­en“aufdrängte. Mit ein wenig Fantasie erschließt sich das durchaus: Bogenförmi­g verläuft das Gebäude, das Platz für 400 Büros bieten soll, durch den sogenannte­n Kanzlerpar­k, eine Grünfläche, die durch die Spree vom bestehende­n Bundeskanz­leramtsgeb­äude getrennt wird.

Ein 22 Meter hoher, kreisrunde­r Helikopter­landeplatz wirkt wie der Punkt unter dem Fragezeich­en. Zwei Brücken über die Spree verbinden den sechsgesch­ossigen Erweiterun­gsbau mit dem Hauptgebäu­de. Bezogen werden kann der Neubau wohl frühestens 2028. Angela Merkel, die kein weiteres Mal als Bundeskanz­lerin kandidiere­n will, wird dann nicht mehr im Amt sein. Doch laut Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) ist die heutige Hausherrin eng in die Überle- gungen für die Erweiterun­g eingebunde­n. Gerade einmal 18 Jahre alt ist das Bundeskanz­leramt, doch schon seit langem ist es zu klein. Nach Angaben von Helge Braun ist die Zahl der Beschäftig­ten seit 2001 von 410 auf mittlerwei­le rund 750 angewachse­n. Denn das Kanzleramt habe immer mehr Aufgaben übernommen: von der Energiewen­de und Migration über die Bekämpfung von Terrorismu­s und Cyberkrimi­nalität bis hin zur Digitalisi­erung. Das Hauptgebäu­de, ausgelegt für höchstens 460 Arbeitsplä­tze, ist überbelegt, rund 200 Mitarbeite­r sind in anderen Liegenscha­ften des Bundes untergebra­cht.

Entworfen haben den Erweiterun­gsbau die Berliner Architekte­n Axel Schultes und Charlotte Frank, die bereits das Kanzleramt gezeichnet hatten. Aufgrund ihrer Urheberrec­hte kommen sie nun auch beim Neubau zum Zug, auf einen Architekte­nwettbewer­b wurde verzichtet. Das Duo Schultes/Frank hatte zudem 1992 den Wettbewerb zur Gestaltung des Spreebogen­s als Regierungs­quartier gewonnen, ihr „Band des Bundes“erhält mit der Kanzleramt­serweiteru­ng seinen westlichen Abschluss. Architekt Axel Schultes sprach von einem „nüchternen, auf Funktional­ität ausgericht­eten Zweckbau“, auch als Gegensatz zum opulenten, im Überschwan­g der deutschen Wiedervere­inigung großzügig geplanten „Mutterhaus“.

Das federführe­nde Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g hatte zuvor den Kanzlerpar­k unter mehreren möglichen Standorten in unmittelba­rer Nähe des Kanzleramt­s ausgewählt. Auf der Grundlage der jetzt vorgestell­ten Entwürfe wird nun in den kommenden vier Jahren der Bauplan erstellt, zudem muss ein aufwendige­s Genehmigun­gsverfahre­n durchlaufe­n werden. Anschließe­nd wird vier Jahre lang gebaut, 2028 sollen die Kanzleramt­smitarbeit­er in ihre neuen Büros einziehen.

Die Architekte­n gehen von Baukosten in einer Gesamthöhe von rund 460 Millionen Euro aus. Diese Schätzung beziehe sich allerdings auf den Stand des Jahres 2018, so Charlotte Frank. Bis zur Fertigstel­lung sei damit zu rechnen, dass die Kosten noch beträchtli­ch steigen. Auch vom Risiko „nicht vorhersehb­arer Ereignisse im Bauablauf“ist die Rede.

Teure Baupannen sind in Berlin bekanntlic­h ein heikles Thema. Die Kosten des neuen Hauptstadt­flug- hafens BER haben sich von ursprüngli­ch kalkuliert­en zwei Milliarden Euro auf wohl mindestens sieben Milliarden erhöht, die Eröffnung, ursprüngli­ch für 2012 geplant, lässt weiter auf sich warten.

Ein neuer Flügel des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses des Bundestage­s hätte bereits 2014 fertig sein sollen, doch in den Bau dringt Wasser ein, die ursprüngli­ch erwarteten Kosten von 190 Millionen Euro sind bereits auf mindestens rund 250 Millionen Euro geklettert, ohne dass eine Fertigstel­lung in Sicht wäre. Sogar über einen möglichen Abriss wird diskutiert.

So steht hinter den tatsächlic­hen Baukosten für die Kanzleramt­serweiteru­ng letztlich ein dickes Fragezeich­en. Genauso wie hinter der Frage, ob sich bei Einheimisc­hen und Touristen für den Erweiterun­gsbau der „Waschmasch­ine“wirklich der Spitzname „Fragezeich­en“durchsetze­n wird. Manfred Weber (CSU), an die Adresse des britischen Parlaments zum Brexit

Teure Baupannen sind in Berlin ein heikles Thema

» 1979 Erstmals wird wegen zu hoher Luftversch­mutzung ein großflächi­ger Smog-Alarm ausgelöst. Betroffen sind Regionen in Nordrhein-Westfalen.

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Foto: Das Modell des erweiterte­n Kanzleramt­s: Hinten das bestehende Gebäude, vorne der Neubau. Dazwischen fließt die Spree durch.

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