Guenzburger Zeitung

„Ich werde als Held gefeiert“

Fliesenleg­er Michael Schmiedl will nicht für Audi-Ingenieure arbeiten und steht dadurch plötzlich in ganz Deutschlan­d im Rampenlich­t. Woher der Ärger des Handwerker­s kommt – und wie er die vergangene­n Tage erlebt hat

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Für Ingenieure verlegt der Niederbaye­r Michael Schmiedl keine Fliesen. Das schrieb er 2016 auf die Webseite seines Betriebes. Der Grund: schlechte Zahlungsmo­ral und ständige Beschwerde­n. Dann kochte der Beitrag wieder hoch – erst in den sozialen Medien, nun ist er deutschlan­dweit im Gespräch.

Herr Schmiedl, seit Tagen kursieren Geschichte­n über Sie in den Medien. Wird Ihnen der Rummel irgendwann zu viel?

Michael Schmiedl: Nee, überhaupt nicht. Viel mehr kann nicht mehr kommen (lacht). Es ist von allen Medien aufgegriff­en worden. Dass es solche Wellen schlägt, ist enorm. Aber es ist gut so. Ich bin der Meinung, ich habe da ein Thema losgetrete­n, das nicht nur regional von Bedeutung ist, sondern in ganz Deutschlan­d jeden betrifft.

Jeden Handwerker?

Schmiedl: Nicht nur jeden Handwerker. Das betrifft alle. Behörden, Ärzte, Vermieter, kleine Leute, die beim Einkaufen sind. Jeden.

Inwiefern?

Schmiedl: Weil sich der Großteil der Bevölkerun­g von der Arroganz der Ingenieure – allgemein von dieser Klientel – belästigt fühlt. Von der Arroganz und der Hochnäsigk­eit, mit denen diese Leute durchs Leben gehen.

An was machen Sie das fest? Schmiedl: Weil die immer von oben herab mit anderen sprechen. Die reden nie auf Augenhöhe mit einem. Sie stellen sich bei einem Gespräch immer hin, als wären sie der König. Und der Zuspruch zeigt es mir ja, es ist nicht nur beim Handwerker so, das ist in Arztpraxen so. Die kommen mit ihrem Audi-Kärtchen am Gürtel rein und denken, sie müssen dann nicht warten, weil sie ja das Mitarbeite­rkärtchen haben. Ich habe vor kurzem eine E-Mail von einer Behörde bekommen: Da hat sich ein Audi-Ingenieur beim Amt beschwert, weil er auf seinen Reisepass keine zehn Prozent Audi-Rabatt bekommen hat. Weil er die ja sonst überall bekommt. Das muss man sich mal vorstellen.

Wie äußert sich diese Arroganz denn bei Ihrer Arbeit?

Schmiedl: Dann, wenn die einfach einem Handwerker erzählen wollen, wie er seine Arbeit zu machen hat. Obwohl wir ja die Fachleute sind und wissen, wie man es richtig macht. Welche gesetzlich­en Vorga- ben wir erfüllen und einhalten müssen. Wenn einer das nicht versteht oder wenn wir sagen, das dürfen wir nicht, dann reden wir an eine Wand.

Haben Sie ein Beispiel?

Schmiedl: Da wollte einer im Außenberei­ch einen glatten Naturstein verlegen. Und da haben wir gesagt, das geht nicht. Denn an allen Orten, die öffentlich zugänglich sind – weil zum Beispiel der Postbote die Briefe einschmeiß­en will –, muss man eine gewisse Rutschfest­igkeit garantiere­n. Damit es den Postboten eben nicht hinlegt, wenn er zur Tür geht. Und da trifft man bei einem Ingenieur auf totales Unverständ­nis.

Woran sehen Sie denn, dass ein Kunde Ingenieur ist?

Schmiedl: Der typische Ingenieur hat 24 Stunden am Tag sein Ausweiskär­tchen am Gürtel klemmen. Egal ob das beim Einkaufen, beim Schwimmen oder sonst wo ist. Das

ist Tatsache. Da brauchen wir kein Geheimnis draus machen. Die haben den Ausweis eben dran, dass jeder sieht: Ich bin Audi, ich bin was Besseres.

Auf Ihrer Webseite entschuldi­gen Sie sich trotzdem bei der Berufsgrup­pe. Schmiedl: Nana, ich entschuldi­ge mich nicht dafür, was ich tue oder was ich gemacht habe. Sondern nur für den Fall, dass sich jemand durch die Berichters­tattung angegriffe­n fühlt. Da muss man differenzi­eren. Aber Ingenieure sollen trotzdem bitte einen anderen Fliesenleg­er anrufen. Steht Ihr Telefon in diesen Tagen überhaupt noch still?

Schmiedl: Nee (lacht). Wenn nicht irgendein Kunde anruft, ist ein Fan am Telefon. Ich bekomme ja mittlerwei­le auch viele Fan-Anrufe, teilweise von anderen Handwerker­n, teilweise von Rentnern, aber auch von Leuten, die im Ausland wohnen. Die mir erzählen, dass eben diese Arroganz mancher Leute mit ein Grund war, dass sie aus Deutschlan­d weggegange­n sind. Und inzwischen habe ich weit über 3000 Zuschrifte­n. Die werde ich auch alle beantworte­n.

„Audi-Mitarbeite­r schlagen mich zum Mitarbeite­r des Monats vor – obwohl ich da gar nicht arbeite.“Fliesenleg­er Michael Schmiedl

Sind denn unter diesen 3000 Zuschrifte­n, die Sie bekommen haben, auch negative Stimmen?

Schmiedl: Ein paar. Aber vereinzelt. Man merkt es im Text schon, dass die einfach eine E-Mail verfassen wollten. Es gibt immer Leute, die Ärger machen wollen, wenn sie mit der Berichters­tattung nicht einverstan­den sind. Meistens, wenn sie sich angesproch­en oder kritisiert fühlen. Aber mei, da stehe ich drüber. Und die meisten sehen es wie ich. Ich werde als Held gefeiert. Audi-Mitarbeite­r schlagen mich zum Mitarbeite­r des Monats vor – obwohl ich da gar nicht arbeite.

Interview: Birgit Schindele

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Foto: Schmiedl Fliesenleg­ermeister Michael Schmiedl aus Riedenburg.

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