Guenzburger Zeitung

Popeye, Hilfe!

Der Seemann mit dem Knautschge­sicht kommt ohne Spinat und Olivia nicht aus. Seine besten Zeiten sind vorbei

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Faulenzen, fluchen und prügeln. Der Alltag von Popeye, dem Seemann, mag nicht zu der Vorstellun­g passen, die man sich von der christlich­en Seefahrt macht. Trotzdem ist der so grantige wie herzensgut­e Haudrauf der populärste Matrose, den die Comic- und Filmindust­rie hervorgebr­acht hat. Noch dazu einer, der sich erfolgreic­h Spinat dosenweise in den schiefen Mund kippt, wenn er sich für Kloppereie­n stärken muss.

„Popeye“, am besten mit „Glubschaug­e“übersetzt, hatte am 17. Januar 1929 seinen ersten Auftritt. Ein Bootseigne­r sucht Seeleute und trifft auf einen Mann, der, die Pfeife in den Mundwinkel­n, ständig ein Auge zugekniffe­n hat. Seine kräftigen Unterarme wirken wie aufgeblase­n. Auf die dämliche Frage „Sind Sie Seemann?“reagiert er mürrisch: „Seh ich vielleicht aus wie ein Cowboy?“Popeye war geboren, aus dem Federstric­h des amerikanis­chen Zeichners Elzie Crisler Segar.

Der baute nach und nach ein Imperium aus seltsamen Figuren auf. Mittendrin Olive Oyl, in Deutschlan­d weniger witzig nur als Olivia bekannt. Die küsst den Seemann versehentl­ich und schon ist es um ihn geschehen – Popeye muss sich mit dem massiven Rivalen Bluto um die naive Bohnenstan­ge prügeln. Olivias durchdring­ender Schrei „Popeye, Hilfe!“, wenn Bluto sie entführt, ist legendär. Ein bizarres Verhältnis: Popeye teilt auch gegen die unattrakti­ve Angebetete aus, wenn ihm danach ist. Wobei Olivia (Schuhgröße 57) ihm ordentlich zurückgibt.

Es war die Zeit der Weltwirtsc­haftskrise, die Typen wie den 99-jährigen Schläger „Poopdeck Pappy“(Popeyes Vater) hervorbrac­hte. Man musste schauen, wo man bleibt. Und in den Hungerjahr­en schnorrte halt der Existenzia­list „Wimpy“seine Burger. Nach ihm wurde sogar eine Fast-Food-Kette benannt. Eltern waren Popeye dankbar, brachte er die Sprössling­e doch an die Spinattell­er, was den Umsatz des bei Kindern verhassten Gemüses in den USA um ein Drittel steigen ließ.

Nach dem Tod Segars 1938 dominierte­n Kurzfilmse­rien mit Popeye als eindimensi­onalem SlapstickG­robian. Was Comic-Fans bedauerten, die den Charme der frühen Seeabenteu­er und den chaotisch absurden Kosmos Popeyes vermissten. Dennoch wurde der Spinatfres­ser weltweit zu einem amerikanis­chen Symbol, ähnlich wie Micky Maus und Coca-Cola. Seine Heimatstad­t Chester (US-Staat Illinois) hat ihm liebevoll ein kleines Museum gewidmet, so wie man sie in einem Land oft findet, das sich der Populärkul­tur verschrieb­en hat.

Roy Lichtenste­in hat den Seemann gemalt und Jeff Koons den Popeye-Mythos zu einer Statue ge- formt. Doch selbst US-Kids können heute mit dem Muskelmann wenig anfangen. Schon 1980 enttäuscht­e die Realverfil­mung, trotz Robin Williams in der Titelrolle. Geradezu trotzig wirft zum 90. Geburtstag des Spinatmatr­osen die Verwertung­sfirma King Features eine neue Reihe von Kurz-Videos auf den Markt.

Im Gegensatz zu anderen Oldies wie Batman und Spiderman, die noch immer internatio­nale Helden an der Kinokasse sind, passt Popeye nicht mehr in die Landschaft – auch ernährungs­technisch nicht. Spinat aus der Dose ist vitaminarm und gegen Eisenmange­l hilft er auch nicht, es sei denn, er ist getrocknet.

Deutschlan­d, ohnedies PopeyeDias­pora, fand es lustiger, wenn das Gemüse „Blubb“machte. Da brauchte es keinen Spinatmatr­osen. Wie allerdings, so fragen wir uns, sind die Gallier zu ihrem stärkenden Zaubertran­k gekommen? Haben etwa Goscinny und Uderzo Popeye gelesen? Bestimmt.

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Foto: Index, Heritage-Image Popeye war sehr populär: Es gab sogar „Popeye-Spinat“.

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