Popeye, Hilfe!
Der Seemann mit dem Knautschgesicht kommt ohne Spinat und Olivia nicht aus. Seine besten Zeiten sind vorbei
Augsburg Faulenzen, fluchen und prügeln. Der Alltag von Popeye, dem Seemann, mag nicht zu der Vorstellung passen, die man sich von der christlichen Seefahrt macht. Trotzdem ist der so grantige wie herzensgute Haudrauf der populärste Matrose, den die Comic- und Filmindustrie hervorgebracht hat. Noch dazu einer, der sich erfolgreich Spinat dosenweise in den schiefen Mund kippt, wenn er sich für Kloppereien stärken muss.
„Popeye“, am besten mit „Glubschauge“übersetzt, hatte am 17. Januar 1929 seinen ersten Auftritt. Ein Bootseigner sucht Seeleute und trifft auf einen Mann, der, die Pfeife in den Mundwinkeln, ständig ein Auge zugekniffen hat. Seine kräftigen Unterarme wirken wie aufgeblasen. Auf die dämliche Frage „Sind Sie Seemann?“reagiert er mürrisch: „Seh ich vielleicht aus wie ein Cowboy?“Popeye war geboren, aus dem Federstrich des amerikanischen Zeichners Elzie Crisler Segar.
Der baute nach und nach ein Imperium aus seltsamen Figuren auf. Mittendrin Olive Oyl, in Deutschland weniger witzig nur als Olivia bekannt. Die küsst den Seemann versehentlich und schon ist es um ihn geschehen – Popeye muss sich mit dem massiven Rivalen Bluto um die naive Bohnenstange prügeln. Olivias durchdringender Schrei „Popeye, Hilfe!“, wenn Bluto sie entführt, ist legendär. Ein bizarres Verhältnis: Popeye teilt auch gegen die unattraktive Angebetete aus, wenn ihm danach ist. Wobei Olivia (Schuhgröße 57) ihm ordentlich zurückgibt.
Es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise, die Typen wie den 99-jährigen Schläger „Poopdeck Pappy“(Popeyes Vater) hervorbrachte. Man musste schauen, wo man bleibt. Und in den Hungerjahren schnorrte halt der Existenzialist „Wimpy“seine Burger. Nach ihm wurde sogar eine Fast-Food-Kette benannt. Eltern waren Popeye dankbar, brachte er die Sprösslinge doch an die Spinatteller, was den Umsatz des bei Kindern verhassten Gemüses in den USA um ein Drittel steigen ließ.
Nach dem Tod Segars 1938 dominierten Kurzfilmserien mit Popeye als eindimensionalem SlapstickGrobian. Was Comic-Fans bedauerten, die den Charme der frühen Seeabenteuer und den chaotisch absurden Kosmos Popeyes vermissten. Dennoch wurde der Spinatfresser weltweit zu einem amerikanischen Symbol, ähnlich wie Micky Maus und Coca-Cola. Seine Heimatstadt Chester (US-Staat Illinois) hat ihm liebevoll ein kleines Museum gewidmet, so wie man sie in einem Land oft findet, das sich der Populärkultur verschrieben hat.
Roy Lichtenstein hat den Seemann gemalt und Jeff Koons den Popeye-Mythos zu einer Statue ge- formt. Doch selbst US-Kids können heute mit dem Muskelmann wenig anfangen. Schon 1980 enttäuschte die Realverfilmung, trotz Robin Williams in der Titelrolle. Geradezu trotzig wirft zum 90. Geburtstag des Spinatmatrosen die Verwertungsfirma King Features eine neue Reihe von Kurz-Videos auf den Markt.
Im Gegensatz zu anderen Oldies wie Batman und Spiderman, die noch immer internationale Helden an der Kinokasse sind, passt Popeye nicht mehr in die Landschaft – auch ernährungstechnisch nicht. Spinat aus der Dose ist vitaminarm und gegen Eisenmangel hilft er auch nicht, es sei denn, er ist getrocknet.
Deutschland, ohnedies PopeyeDiaspora, fand es lustiger, wenn das Gemüse „Blubb“machte. Da brauchte es keinen Spinatmatrosen. Wie allerdings, so fragen wir uns, sind die Gallier zu ihrem stärkenden Zaubertrank gekommen? Haben etwa Goscinny und Uderzo Popeye gelesen? Bestimmt.