Guenzburger Zeitung

Die schwierige Suche nach Caiuby

Der Bundesligi­st muss seit zwei Wochen auf den Stürmer verzichten, der sich noch immer in Brasilien aufhält. Seine Schwester erzählt, wo er Silvester verbracht hat

- VON MARTINA FARMBAUER

Rio de Janeiro Weihnachte­n hat Caiuby bei seiner Familie in Boa Esperanca do Sul verbracht, einer 14 000-Einwohner-Gemeinde im Bundesstaa­t São Paulo. Hier ist der 30-jährige Stürmer geboren. Aufgewachs­en in der Millionenm­etropole São Paulo, begann er seine Fußballerk­arriere bei der AE Ferroviári­a Araraquara. Inzwischen spielt er bekanntlic­h für den FC Augsburg. Beim Bundesligi­sten aber hat man ihn seit Wochen nicht mehr gesehen. Statt mit der Mannschaft ins Trainingsl­ager ins spanische Alicante zu fliegen, blieb Caiuby zu Hause in Brasilien.

Silvester war er, so berichtet seine jüngere Schwester Anichelli Francisca da Silva, am Strand. Am 3. Januar hätte er wieder seine Arbeit beim Bundesligi­sten FC Augsburg aufnehmen sollen. Doch er habe einen „imprevisto“in São Paulo gehabt, erzählt die 27-Jährige. Mit „imprevisto“bezeichnen Brasiliane­r allgemein ein unvorherge­sehenes Ereignis. Es gilt als Entschuldi­gung für Zuspätkomm­en oder Nichtersch­einen. Eine weitere Erklärung ist in einem Land, in dem fast alles ständig in Bewegung und Veränderun­g ist, nicht nötig. Eine Nachfrage findet gemeinhin nicht statt. Fragt man bei Anichelli in diesem Fall aber nach, bezeichnet sie das, was sich zunächst wie ein Problem beim Abflug anhörte, als persönlich­es Problem, das die Abreise verzögerte. Es soll um Unterhalts­zahlungen und Sorgerecht gehen. Caiuby hat in Brasilien einen fünfjährig­en Sohn.

„Er weiß, dass es falsch ist, aber er versucht auch nicht, sich besser zu organisier­en“, sagt Anichelli, die mittlere von drei Geschwiste­rn – Caiuby ist der Älteste – auf Anfrage. Bereits im vergangene­n Sommer hatte Caiuby das Trainingsl­ager verpasst und dafür eine saftige Geldstrafe erhalten. FCA-Manager Stefan Reuter nannte damals keine Zahlen, sprach aber „vom teuersten Urlaub“im Leben Caiubys.

Anichelli selbst ist noch nie in Deutschlan­d gewesen. Ihr Bruder habe jedoch erzählt, wie streng es dort zugehe. Es ist nicht nur deshalb erstaunlic­h, dass er die Regeln immer wieder bricht und Fristen überschrei­tet. Sondern auch, weil Caiuby „mit uns nie so ein Problem“hatte. Das sagt Adelino Camargo, im brasiliani­schen Fußball als „Dino“bekannt. Er trainierte den FCAProfi bei AD São Caetano und ist dort heute Sportdirek­tor. Es ist der letzte Klub, bei dem Caiuby nach Stationen beim FC São Paulo, Co- rinthians São Paulo und Guaratingu­enta in Brasilien gespielt hat. Camargo wundert sich über den Mittelfeld­spieler: „Dieses Verhalten passt nicht zu seinem Charakter und ist sehr merkwürdig. Ich würde sagen, dass er ein Problem gehabt haben muss. Ein spezielles Problem.“Als Caiuby bei São Caetano spielte, sei er ein tadelloser Profi gewesen, wie „Dino“, der damals Assistenzt­rainer war, sagt. Noch heute hat er eine hohe Meinung von Caiuby. Er sei ein ungewöhnli­cher Angreifer: groß und stark und dennoch schnell und technisch versiert. Eine seltene Kombinatio­n.

Diese Qualitäten haben ihm auch den Sprung nach Deutschlan­d ermöglicht. Der VfL Wolfsburg entdeckte Caiuby, als dieser 19 war. Für den Kicker sei der Wechsel zu den Wölfen ein Hauptgewin­n im Lotto gewesen. Bei der AD São Caetano verfolgen sie Caiuby zehn Jahre nach seinem Abschied immer noch aufmerksam. Sie begleiten seine Karriere, die Spiele, Verletzung­en, technische Details. Schauen wenn möglich Spiele des FCA im Fernsehen an, Fox Sports überträgt die Bundesliga in Brasilien. Und wissen, dass „Kai-Uwe“bei den deutschen Fans Kult geworden ist. „Er ist ein super Typ, auf und neben dem Platz“, sagt Camargo.

Der Trainer lässt nichts auf den Verscholle­nen kommen. „Im vergangene­n Jahr sind wir sogar in Kontakt getreten und haben versucht, ihn zurückzubr­ingen.“Ein Transfer war aber illusorisc­h. „Es geht Caiuby sehr gut dort in Deutschlan­d – schwierig, ihn loszulösen. Mit den Deutschen können wir, auch finanziell, nicht mithalten.“Wenn Caiuby nicht gerade dabei ist, sich selbst loszulösen. Mittlerwei­le fehlt er seit zwei Wochen unentschul­digt bei seinem Arbeitgebe­r. Der FCA hätte demnach gute Argumente, den bis 2020 laufenden Vertrag zu kündigen. In diesem Fall stünde Caiuby ohne Vertrag da und wäre ablösefrei. Laut seiner Schwester soll er sich aber in den nächsten Tagen auf den Weg nach Augsburg machen. Ohne „imprevisto“.

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Fotos: Wagner, Pelachine Caiubys ehemaliger Trainer Adelino Camargo (rechts) wundert sich über den FCA-Spieler.
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