Guenzburger Zeitung

Auf der Kippe

Der Katastroph­enfall besteht, die Lawinengef­ahr ist hoch und nach langem Hin und Her wird der Weltcup nun doch ausgetrage­n. Wie sich Landrat und Bürgermeis­ter gegenseiti­g die Verantwort­ung über die Entscheidu­ng zuschoben

- Crailsheim Merlins – Löwen Braunschwe­ig 99:94 VON MILAN SAKO

BUNDESLIGA, MÄN. V. MITTWOCH Ruhpolding Stefan Schillmeie­r hegte gestern keine Zweifel, dass der Biathlon-Weltcup in Ruhpolding durchgezog­en wird. „Das ist die wichtigste Veranstalt­ung des Jahres hier in der Gegend. Die darf nicht ausfallen“, sagte der Busfahrer, der die Besucher von den Parkplätze­n zur Chiemgau-Arena bringt. Zu viel hängt von den Rennen für Hotels, Gaststätte­n und Geschäfte ab. Doch ganz so sicher wie Schillmeie­r wirkten die Verantwort­lichen um Ruhpolding­s Bürgermeis­ter Claus Pichler gestern nicht. Denn die oft genug herbeigese­hnten Flocken sind im Chiemgau längst ein großes Problem. Am vergangene­n Freitag wurde der Katastroph­enfall für den Landkreis Traunstein ausgerufen. Auf den Bergen, den Bäumen, den Häusern und beiderseit­s der Straßen türmt sich der Schnee meterhoch auf. Der Nachschub von oben ist zwar am Mittwoch versiegt und es herrscht strahlende­r Sonnensche­in. Doch auf den Dächern schuften Bewohner und Helfer, um den Schnee wegzuschau­feln, damit nicht zu groß wird.

Am heutigen Donnerstag soll ab 11 Uhr (live in der ARD und Eurosport2) der Sprint der Männer und ab 14.30 Uhr der Sprint der Frauen starten. Gestern schob einer dem anderen die Verantwort­ung für das endgültige Okay wie einen Schwarzen Peter zu. Am späten Mittwochab­end war aber klar: Der Weltcup findet statt. Nach einem langen Hin und Her erteilten die Organisato­ren die Startfreig­abe.

Landrat Siegfried Walch (CSU) hatte zuvor in einer Videobotsc­haft gesagt, dass der Weltcup stattfinde­n könne, und kritisch angemerkt: „Inwiefern es die Gemeinde für richtig hält, ist dann Sache des Veranstalt­ers.“Bürgermeis­ter Pichler erklärte am früheren Nachmittag in der Chiemgau-Arena dagegen: „Das Landratsam­t muss das Sicherheit­s- die Last Konzept final bestätigen.“Die Straße vorbei an der Biathlon-Arena nach Reit im Winkl ist wegen akuter Lawinengef­ahr gesperrt. Das bekannte Skigebiet Winklmoosa­lm blieb gestern geschlosse­n. Der viele Schnee bereitet drei große Probleme: Die Lawinengef­ahr ist groß, die Sicherheit der Besucher scheint ge- fährdet und es fehlt der Platz für Autos und Zuschauer. In den vergangene­n Jahren war die ChiemgauAr­ena mit 27 500 Besuchern oft schon im Voraus ausverkauf­t. „Dieses Jahr haben wir den Vorverkauf bei 22 500 Zuschauern gestoppt, weil es schwierig und eng werden könnte“, sagt Engelbert Schweiger, Generalsek­retär des Organisati­onskomitee­s. Seitdem der Schneefall hier einsetzte, seit dem 3. Januar, sind rund 150 Helfer im Dauereinsa­tz. Etwa zwei Meter Schnee sind seit Jahresbegi­nn gefallen. Auf der Laufstreck­e ist das kein Problem, doch im Bereich der Schießstän­de muss geschaufel­t werden. Die Tri- bünen können nur mit Muskelkraf­t schneefrei gehalten werden. „Unsere Helfer waren täglich 14 bis 18 Stunden lang im Einsatz, auch unter Flutlicht. Das war schon extrem“, berichtet Schweiger.

Doch es setzte in den vergangene­n Tagen auch Kritik. Die Stimmung war angesichts von fast pausenlose­n Niederschl­ägen – zuerst in Form von Schnee, anschließe­nd Regen und dann wieder Schnee – offenbar gereizt. Es gab auch kritische Stimmen angesichts der Vorbereitu­ngen auf das größte Sportspekt­akel des Jahres im Landkreis Traunstein, wie Engelbert Schweiger berichtet: „Natürlich gab es Kritik und wir haben uns selbst hinterfrag­t. Schließlic­h ist der Katastroph­enfall ausgerufen worden. Einige Leute sagen: Was macht ihr? Wir arbeiten Tag und Nacht und ihr bereitet eine Sportveran­staltung vor.“Der OK-Chef betont, dass er keine freiwillig­en Helfer abgeworben habe, sondern teilweise extern Hilfe einkaufen musste.

Claus Pichler versucht, die Schneemass­en mit Augenmaß ein-

Als würden sie sich den Schwarzen Peter zuschieben

Claus Pichler sieht den Winter entspannt

zuordnen. „Wir hatten jetzt richtig Winter. Aber ich bin jenseits der 50 und kann mich an viele Winter erinnern, in denen wir mit diesen Bedingunge­n zurechtkom­men mussten“, sagte der Ruhpolding­er Bürgermeis­ter. Die damit auftretend­en Probleme in der Logistik und der Sicherheit müssten gelöst werden, „aber mit Vernunft und Tatkraft ist alles zu bewältigen“.

Laura Dahlmeier will am Donnerstag erstmals nach ihrer Erkrankung über die Feiertage wieder die Ski anschnalle­n und das Gewehr schultern: „Wo ich ganz genau stehe, kann ich nicht sagen. Ich habe viel trainiert. Morgen ist der erste scharfe Test, und dann werden wir mal schauen, wie es läuft.“

Sportler und ein Busfahrer gehen am entspannte­sten mit der Situation im Katastroph­engebiet Traunstein um.

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Foto: Matthias Balk, dpa An Schnee mangelt es in Ruhpolding im Gegensatz zu vielen anderen Jahren nicht. Ein Traktor schafft hier Platz für Zuschauer und Athleten. Erst am späten Mittwochab­end stand fest: Der Biathlon-Weltcup findet statt.

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