Guenzburger Zeitung

Fasziniere­nde jüdische Welten

Kulturgesc­hichte Rund um den Holocaust-Gedenktag bietet sich ein Besuch in alten und modernen Synagogen an

- VON ALOIS KNOLLER

Es war Ende und Anfang zugleich, als am 27. Januar 1945 das Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau befreit wurde. Der Mord an den Juden hörte auf, ein neues Kapitel jüdischer (Überlebens-)Geschichte begann. Als Gedenktag an die Opfer des Holocausts wird der 27. Januar internatio­nal begangen und markiert zugleich eine neue Art der Begegnung mit dem Judentum.

Seine Spuren aus Vergangenh­eit und Gegenwart kann man in unserer Region vielfach antreffen. Vor allem im Jüdischen Museum AugsburgSc­hwaben mit seinen beiden Standorten in der Jugendstil-Hauptsynag­oge an der Halderstra­ße und in der ehemaligen Synagoge Kriegshabe­r. Die orientalis­che Pracht der 1917 eingeweiht­en Synagoge lässt erahnen, welch selbstbewu­sste Stadtbürge­r sie erbaut haben.

Vom heutigen Selbstbewu­sstsein jüdischer Gemeinden zeugen die beiden modernen Synagogen in Ulm und in München. In Sichtweite zum Ulmer Münster ist Ende 2012 auf dem Weinhof das neue jüdische Gebetshaus eingeweiht worden. Der blockförmi­ge, mit Muschelkal­k verkleidet­e Bau der Kölner Architekti­n Susanne Gross mit einem Gitterwerk aus Davidsster­nen hat sich zu einem Besucherma­gnet entwickelt.

Am Münchner Jakobsplat­z bildet die moderne Hauptsynag­oge Ohel Jakob zusammen mit dem Jüdischen Museum ein Zentrum. Wie die mächtige Tempelmaue­r in Jerusalem wirkt das kantige Äußere, innen erstrahlt Zedernholz aus dem Libanon bei Sonneneinf­all der oben gelegenen Fenster in warmen Farbtönen. Der Eingang führt unterirdis­ch über einen „Gang der Erinnerung“, wo Glasplatte­n die Namen von über 4500 Münchner Juden auflisten, die deportiert und ermordet wurden.

An Veranstalt­ungen zu jüdischer Geschichte und Kultur ist dieser Tage einiges geboten. Im Augsburger Kulturhaus Abraxas führt das Artus Ensemble am 20. Januar das Solo-Theaterstü­ck „Bluatlech“auf. Es erzählt vom Mord an dem jüdischen Goldschmie­delehrling Ludwig Bach aus Kriegshabe­r, den am 12. August 1862 der Bauernsohn Mathias Brunnhuber im Dorf Unterberge­n verübte. Autorin Martina Drexler leuchtet in ihrem Einakter die persönlich­en Umstände sowohl des Täters wie des Opfers aus, beide von Simon Nagy gespielt. Karten unter Tel. 08 21/324-63 55.

Bereits am 17. Januar eröffnet im Bukowina-Institut nahe der Augsburger Uni die Fotoausste­llung „In schwindend­em Licht. Jüdische Spuren im Osten Europas“von Christian Herrmann. In der Bukowina im heutigen Grenzgebie­t zwischen Rumänien und der Ukraine blühte in K-.u.-k.-Zeiten die jüdische Kultur auf. Zur Eröffnung (19 Uhr) singt der Chor der Synagoge Kriegshabe­r. Zu sehen bis 20. Juni. Am 22. Januar hält Robert Zsoske im Augsburger Annahof den Vortrag „Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose“.

Das Jüdische Museum München veranstalt­et jeweils donnerstag­s ihre Zeitzeugen­abende (19 Uhr, Eintritt frei). Am 17. Januar erzählt Zvi Cohen, 1931 als Horst Cohn in Berlin geboren, wie ihm die Mundharmon­ika in Berlin und im KZ Theresiens­tadt das Leben gerettet hat. Am 24. Januar berichtet Hilde Grünberg, 1937 in München geboren, wie sie nach der Kinderland­verschicku­ng bei einer Bauernfami­lie in Schwabbruc­k in der Nähe von Weilheim die NS-Zeit überlebte.

Noch bis 1. Mai ist im Münchner Museum die Ausstellun­g „Sieben Kisten mit jüdischem Material“zu sehen. Es handelt sich um geraubte Ritualgege­nstände aus fränkische­n Synagogen, deren Geschichte noch 80 Jahre nach dem Novemberpo­grom von 1938 nicht geklärt ist.

Im Augsburger Museum ist noch bis 24. Februar die Kunstinsta­llation „1933“von Ramesch Daha aus Wien aufgebaut. Als eine Maßnahme, um nach der Machtergre­ifung Hitlers das Jüdische aus dem öffentlich­en Leben zu verdrängen, wurden jüdische Namen wie David, Nathan und Samuel aus der offizielle­n deutschen Buchstabie­rtafel entfernt.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ??
Foto: Bernhard Weizenegge­r
 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Unweit des Münsters: Ulmer Synagoge.
Foto: Alexander Kaya Unweit des Münsters: Ulmer Synagoge.
 ?? Foto: Stephan Jansen/dpa ??
Foto: Stephan Jansen/dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany