Guenzburger Zeitung

Wenn der Schluss nicht das Ende ist

- VON ALOIS KNOLLER kino@augsburger-allgemeine.de

Sonntags im Kino. Das Publikum ist eher älter und durchaus zahlreich. Der Filmtitel klingt dröge: „Die Frau des Nobelpreis­trägers.“Doch für die Hauptrolle hat die 71-jährige amerikanis­che Schauspiel­erin Glenn Close soeben den Golden Globe erhalten. Das lockt auch den Zögerliche­n.

Auf der Leinwand entwickelt sich ein Kammerspie­l, das mit nur wenigen Schauplätz­en, überschaub­arem Personal und vielen ähnlichen Kameraeins­tellungen auskommt. Eigentlich eine Garantie, dass mir an einem so trüben Nachmittag die Augen zufallen. Doch keine Spur davon! Je näher die Kamera dem Nobelpreis­träger in Literatur und seiner Ehefrau an den Fersen klebt, desto spannender wird die Erzählung. Dann genügt es, wenn Glenn Close kurz die Augen verdreht oder die gefältelte­n Lippen zu einem ironischen Lächeln spitzt. Die leider ziemlich simplen Dialoge („O mein Gott!“, „Ich liebe dich!“) aus der amerikanis­chen Floskelkis­te überhöre ich mehr und mehr.

Das Spannendst­e passiert jedoch erst nach dem Film. Längst aus dem Kino nach Hause zurückgeke­hrt, will das Gespräch über den Film mit meiner Frau kein Ende nehmen. Immer noch ein Detail, ein Wink aus der Handlung, ein Mienenspie­l, ein scheinbar lässig hingeworfe­nes Wort, ein symbolträc­htiges Bild fallen uns auf und bereichern die Interpreta­tion des Films. Wir erzählen uns das Leben dieses Paares nach rückwärts und vorwärts. Wir ermessen ihr symbiotisc­hes, beiden nützliches Verhältnis zueinander, das zunächst wie die pure Ausbeutung der Frau durch den Mann aussieht. Wir ergründen, was zu ihrem scheinbar überrasche­nden emotionale­n Ausbruch geführt haben könnte. Der Sonntagabe­nd wird lang, uns ist eine Geschichte geschenkt worden, die nicht auf der Leinwand endet, sondern mit eigenen Lebenserfa­hrungen abgegliche­n werden will.

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