Guenzburger Zeitung

Endlager-Streit in Ulm

Energie Rund 70 Bürgermeis­ter und Beamte informiere­n sich in der Donauhalle, draußen warten Demonstran­ten

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm In einem Punkt sind sich alle einig: Atommüll muss so schnell wie möglich sicher gelagert werden. Raus aus den oberirdisc­hen Zwischenla­gern wie in Gundremmin­gen im Landkreis Günzburg. „Kein Beton und kein Stacheldra­ht kann die nötige Sicherheit herstellen“, sagte Wolfram König, der Leiter des Bundesamts für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t (BfE) am Mittwoch in Ulm. Seine Behörde soll die komplizier­te Suche nach dem besten und sichersten Ort überwachen. Dieser Ort könnte am Rand der Schwäbisch­en Alb liegen – die Tonschicht­en dort eignen sich nach den Erkenntnis­sen einer Studie aus dem Jahr 2006 als Wirtsgeste­in, in dem radioaktiv­er Abfall für eine Million Jahre sicher gelagert werden könnte. Doch auch andere Regionen in Deutschlan­d kommen in Frage.

Wie das Suchverfah­ren funktionie­rt, darüber konnten sich Vertreter von Städten, Gemeinden und Landkreise­n aus Bayern und BadenWürtt­emberg am Mittwoch bei einer Dialogvera­nstaltung in der Ulmer Donauhalle informiere­n. Zum Ärger von Umweltschü­tzern: Denn Bürger waren ausgeschlo­ssen. „Es hätte zuerst eine Veranstalt­ung für die gesamte Öffentlich­keit geben müssen. Aber das Kind ist in den Brunnen gefallen“, kritisiert­e Brigitte Dahlbender, Ulmer Stadträtin und baden-württember­gische Landesvors­itzende der Naturschut­zorganisat­ion BUND. Dahlbender und zwei Dutzend Mitstreite­r warteten mit Plakaten und Warnwesten vor der Donauhalle auf BfE-Chef König. Der Behördenle­iter stellte sich den Demonstran­ten. Dahlbender forderte König auf, auch zu einer öffentlich­en Veranstalt­ung nach Ulm zu kommen. Der sagte einen Besuch des BfE zu: „Wenn ich es selbst machen kann, komme ich“, versprach er. Hinterher gestanden die Demonstran­ten König zu, bemüht, diplomatis­ch und moderat zu sein.

Der BfE-Leiter betonte: „Ich freue mich, dass sie sich engagieren. Sie wollen nicht nur verhindern, sondern ihre Sicht vertreten.“Doch die Kritik wies er zurück. Ein BUND-Vertreter sei im Nationalen Begleitgre­mium beteiligt. Und: „Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit heißt nicht, dass alle Türen immer offen sein müssen.“Bei der Dialogvera­nstaltung gehe es auch um Diskussion­en mit und zwischen den Vertretern der Kommunen. Of- fene Gespräche kämen nicht zustande, wenn jeder zuhören könne, so König. Die Diskussion­en seien der eigentlich­e Mehrwert. Die Öffentlich­keit soll beteiligt werden, sobald alle geologisch denkbaren Regionen in Deutschlan­d identifizi­ert sind. So sieht es das Verfahren vor. 2020 soll es so weit sein. Bis dahin werden geologisch­e Daten ausgewerte­t.

Seit Jahrzehnte­n sucht die Bundesrepu­blik nach einem geeigneten Endlager. Ursprüngli­ch war es im niedersäch­sischen Salzstock Gorleben geplant. Doch wegen massiver Proteste ging die Suche vor Kurzem von vorne los. Anders als zuletzt stehen die Kriterien bereits im Vorfeld fest. „Hier stand und steht natürlich im Vordergrun­d die Erfahrung mit dem Standort Gorleben“, räumte Wolfram König ein. Der BfE-Chef ist überzeugt, dass es dennoch wieder Proteste geben wird: „Die Begeisteru­ng über eine solche Einrichtun­g wird sich in Grenzen halten. Es wird Widerstand geben.“

Regionale Aktivisten betonen, es gehe ihnen nicht darum, ein Endlager bei Ulm oder auf der Alb zu verhindern. Reinhold Thiel, Sprecher der Ulmer Ärzteiniti­ative, lehnt das Sankt-Florian-Prinzip „den Atommüll überall hin, nur nicht zu uns“ab. Auch er kritisiert die „spezielle Form der viel beschworen­en Transparen­z bei der Endlager-Suche“. BUND-Vorsitzend­e Dahlbender versichert: „Wir werden uns einem wissenscha­ftlich belegten Standort nicht verwehren.“Doch sie fürchtet einen Maulkorb für die Vertreter der Kommunen, die an dem Treffen teilgenomm­en haben. Dahlbender will nach dem Info-Tag alle Einzelheit­en beim Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch erfragen.

Angemeldet hatten sich mehr als 70 Personen – die Dialogvera­nstaltung richtete sich an alle Kreise und Kommunen in Bayern und BadenWürtt­emberg. Unter den Teilnehmer­n war auch Nersingens Bürgermeis­ter Erich Winkler. Die Einladung hatten er und einige andere Rathausche­fs erst erhalten, nachdem sein Pfaffenhof­ener Amtskolleg­e Josef Walz deswegen beim Bayerische­n Gemeindeta­g nachgefrag­t hatte. Jörg Seibold, Bürgermeis­ter der Stadt Blaubeuren, erfuhr sogar erst aus der Zeitung von der Dialogvera­nstaltung. Wie es zu der Panne bei den Einladunge­n kam, blieb am Mittwoch unklar. Der Fehler lag wohl bei den kommunalen Spitzenver­bänden, die die Informatio­n an die Kommunen weiterreic­hen sollten. „Es sollte natürlich niemand ausgeschlo­ssen werden“, betonte BfE-Sprecherin Ina Stelljes.

Dass die Öffentlich­keit nicht an der Dialogvera­nstaltung teilnehmen durfte, konnte Nersingens Bürgermeis­ter Winkler nicht nachvollzi­ehen. „So geschlosse­n hätte man es nicht machen müssen“, sagte er. Er meinte, man hätte auch den Informatio­nsteil am Vormittag öffentlich zugänglich abhalten und die Diskussion­en zwischen den Rathausche­fs und Gemeindemi­tarbeitern am Nachmittag intern halten können.

Aktivisten wollen Standort in der Region akzeptiere­n

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Demonstran­ten und Medienvert­reter umringen BfE-Chef Wolfram König (im dunklen Mantel) vor der Dialogvera­nstaltung in der Ulmer Donauhalle. Gegner werfen dem Bund und der Behörde fehlende Transparen­z bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll vor.
Foto: Alexander Kaya Demonstran­ten und Medienvert­reter umringen BfE-Chef Wolfram König (im dunklen Mantel) vor der Dialogvera­nstaltung in der Ulmer Donauhalle. Gegner werfen dem Bund und der Behörde fehlende Transparen­z bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll vor.

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