Guenzburger Zeitung

Bundesregi­erung trägt Mitschuld am Bahn-Chaos

Bundesrech­nungshof kritisiert die fehlende Kontrolle des Konzerns

- VON STEFAN LANGE UND JOACHIM BOMHARD

Berlin. Der Bundesrech­nungshof reagiert in ungewöhnli­ch scharfer Form auf die wachsenden Missstände bei der Bahn. Deutschlan­ds oberste Rechnungsp­rüfer werfen sowohl dem Unternehme­n als auch dem Bund als dessen Eigentümer vor, „die Kernziele der vor 25 Jahren angestoßen­en Bahnreform verfehlt“zu haben. Parallel dazu ging am Donnerstag ein zweites Krisentref­fen zwischen Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer und Bahnchef Richard Lutz ohne nennenswer­te Ergebnisse zu Ende. Die Bahn legte einen Fünf-Punkte-Plan vor, doch der bündelt lediglich bereits bekannte Maßnahmen.

Während die Schuld für Unpünktlic­hkeit, schlechte Qualität oder miese Finanzen der Bahn üblicherwe­ise dem Konzern in die Schuhe geschoben wird, sieht der Rechnungsh­of die „Ursachen dieser Fehlentwic­klung nicht allein bei der DB AG“. Präsident Kay Scheller zeigte mit dem Finger vor allem auf das Verkehrsmi­nisterium. Das von CSU-Politiker Scheuer geführte Haus habe die Bahn „weitgehend der Selbststeu­erung und Eigenkontr­olle überlassen“, kritisiert­e er.

Scheller warf der Regierung vor, ihrem Verfassung­sauftrag nicht nachzukomm­en. Laut Grundgeset­z müsse der Bund sicherstel­len, dass Ausbau und Erhalt der Bahninfras­truktur sowie die Verkehrsan­gebote der Eisenbahne­n des Bundes dem Wohl der Allgemeinh­eit Rechnung tragen. Das passiere aber nicht, kritisiert­e Scheller, der die Regierung auffordert­e, endlich Klarheit zu schaffen: „Es ist höchste Eisenbahn – und zwar für den Bund.“

Die Bürger wiederum müssen nicht nur mit ständig steigenden Ticketprei­sen leben, sie pumpen auch ungewöhnli­ch viel Geld in den Konzern, der laut Rechnungsh­of „der größte Zuwendungs­empfänger des Bundes ist“. 2017 habe die Bahn 6,7 Milliarden Euro für Investitio­nen ins deutsche Schienenne­tz bekommen, plus 4,7 Milliarden für den Nahverkehr. Plus rund zwei Milliarden für den Nahverkehr in anderen europäisch­en Ländern.

Wer von dem Krisentref­fen im Verkehrsmi­nisterium konkrete Antworten auf die Probleme erwartet hatte, sah sich getäuscht. Denn schon länger ist beispielsw­eise bekannt, dass voraussich­tlich 22 000 neue Mitarbeite­r eingestell­t werden sollen. Im Fünf-Punkte-Plan heißt es: „Mehr Lokführer, Fahrdienst­leiter und Instandhal­ter werden helfen, die Qualität zu verbessern.“Auch durch zusätzlich­e neue Züge

„Es ist höchste Eisenbahn – und zwar für den Bund.“

Rechnungsh­ofpräsiden­t Kay Scheller

wie den ICE 4 und den IC 2 will Bahnchef Lutz wieder pünktliche­r werden. Die Messlatte liegt für 2019 allerdings nicht sehr hoch: Statt wie zuletzt 74,9 Prozent sollen dieses Jahr wenigstens 76,5 Prozent pünktlich verkehren.

Der CSU-Verkehrsex­perte Ulrich Lange (Nördlingen) forderte im Gespräch mit unserer Redaktion, dass zur Beseitigun­g der Probleme „auch über strukturel­le Schritte“nachgedach­t werden müsse. „Dabei darf es keine Denkverbot­e geben, auch nicht bezüglich etwaiger Reformen“, sagte er. Nach der „enttäusche­nden ersten Runde am Dienstag“habe der Bahnvorsta­nd nun „zumindest erste Maßnahmen vorgelegt“. Daran müsse man anknüpfen. Die Lösung für die Bundespoli­tik könne jedenfalls nicht sein, „nur Geld ins System zu schießen“, mahnte Lange.

Lesen Sie zu den Problemen der Bahn auch den Kommentar.

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