Guenzburger Zeitung

Die Zeit für eine Wende in der Landwirtsc­haft ist jetzt Leitartike­l

Die EU berät, wie ihre Agrarpolit­ik aussehen soll, doch die Bundesregi­erung ist ideenlos. Das ist schade, da Verbrauche­r und Bauern alleine machtlos sind

- VON CHRISTINA HELLER hhc@augsburger-allgemeine.de

Jeder von uns isst. Woher dieses Essen stammt, ob die Landwirte genug damit verdienen, ob die Herstellun­g die Umwelt schont oder belastet, darüber machen sich viele keine Gedanken. Wer es doch tut, greift zu Bio-Produkten. Die Gewissensg­leichung lautet: Bio ist gleich gut für die Natur. Das Dumme ist nur: So einfach ist die Rechnung nicht. Sie greift zu kurz. Denn weder Verbrauche­r noch Landwirte können alleine große Veränderun­gen bewirken. Landwirtsc­haft, die wirklich nachhaltig ist, braucht einen politische­n Rahmen. Und jetzt ist der ideale Zeitpunkt, diesen zu zimmern.

Bei der Wende zu einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft spielt natürlich die Kaufentsch­eidung jedes Einzelnen eine wichtige Rolle. Aber für Verbrauche­r beginnt das Problem schon beim Begriff bio. Bio ist nämlich nicht gleich bio. Da ist zum einen der EU-weit gültige Bio-Standard. Ihm müssen alle Produkte entspreche­n, die sich bio nennen. Zum anderen hat jeder Anbauverba­nd – etwa Bioland oder Demeter – eigene Kriterien, an die sich Mitgliedsb­etriebe halten müssen. Diese Kriterien sind strenger als jene des EU-Siegels. So versuchen die Erzeugerve­rbände, die heimische Ökolandwir­tschaft zu stärken. Leicht ist das nicht.

Denn spätestens seit Bio-Ware Discounter erobert, herrscht in dem ehemals behüteten Bio-Sektor ein gewisser Preisdruck. Die Folge: In vielen Bereichen werden Lebensmitt­el, die dem EU-Bio-Standard entspreche­n, importiert. Bei der Biobutter liegt die Rate etwa bei einem Drittel, bei Milch sind es 40 Prozent. Das wiederum erschwert vielen deutschen Landwirten den Marktzugan­g. Zwar würden viele gerne auf Öko-Landbau umstellen – auch weil hier gerade für kleine Betriebe ein Auskommen winkt –, sie kommen aber aus Preisgründ­en nicht zum Zug. Für Kunden heißt das: Wenn sie mit ihrem Einkauf etwas bewegen wollen, müssen sie nicht nur bio kaufen, sondern auch gucken, wo die Produkte herkommen.

Dann bleibt aber eine zweite Frage: Kann es sein, dass nur BioLandwir­tschaft gut für die Umwelt ist? Natürlich nicht. Ein Landwirt lebt von der Natur, deshalb ist er darum bemüht, sie zu erhalten. Egal ob bio oder konvention­ell. Aber das System bevorzugt große Betriebe. Und die wirtschaft­en oft unökologis­cher. Also müssen Anreize her, die es konvention­ellen Betrieben schmackhaf­ter machen, an die Umwelt zu denken.

Bisher richten sich die AgrarSubve­ntionen der EU etwa zum Großteil danach, wie viel Grund jemand besitzt. Nur ein kleiner Teil der Gelder fließt dann, wenn ein Landwirt sich für Naturschut­z oder Tierwohl einsetzt. Und dennoch kümmern sich schon jetzt viele Bauern um genau solche Belange. Sie legen Blühstreif­en für Insekten an, schützen Gewässer mit Grünfläche­n entlang der Ufer, oder steigern ihre Energieeff­izienz, indem sie Ställe mit der Abwärme ihrer Biogasanla­gen heizen.

Diese Fortschrit­te sind wichtig und gut. Denn der CO2-Ausstoß der Landwirtsc­haft ist immer noch viel zu hoch. Doch langfristi­g müssen sich solche Bemühungen mehr lohnen als der Besitz von großen Flächen. Und hier kommt die deutsche Agrarpolit­ik ins Spiel. Denn gerade jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt zu entscheide­n, welche Landwirtsc­haft Deutschlan­d in Zukunft haben möchte. Momentan wird in Brüssel der Haushalt für die gemeinsame Agrarpolit­ik verhandelt. Ein wichtiger Punkt ist die Frage: Wie Subvention­en ausbezahlt werden. Für die Klimaschut­znation Deutschlan­d wäre das eine Chance, eigene Ideen einzubring­en. Doch das zuständige Landwirtsc­haftsminis­terium steht ziemlich ideenlos da. Und verspielt so die Chance, wirklich etwas zu bewegen.

Nachhaltig­keit muss sich auch finanziell lohnen

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