Guenzburger Zeitung

Der Zehn-Millionen-Euro-Azubi

Porträt Alphonso Davies ist zum FC Bayern gekommen, um zu lernen. Vielleicht wird er der Nachfolger von Arjen Robben. Vielleicht nicht. Er ist eine Wette auf die Zukunft

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Nur mal, um die Relationen im Profi-Fußball darzustell­en: Der FC Augsburg hat gerade den „größten Deal der Vereinsges­chichte“bekannt gegeben. Sponsor WWK hat die Partnersch­aft bis 2030 verlängert und zugesagt, zusätzlich acht Millionen Euro in das Nachwuchsz­entrum zu investiere­n. Der FC Bayern gab den Transfer von Alphonso Davies im vergangene­n Juli in einer kurzen Pressemitt­eilung bekannt. Kosten: rund zehn Millionen Euro. Davies könnte in den kommenden Jahren Stammspiel­er in München werden – oder komplett in der Versenkung verschwind­en. Zehn Millionen Euro als Wette auf die Zukunft. Klappt es nicht: schade, der Nächste bitte.

Der 18-Jährige spielte die vergangene Saison in Nordamerik­a für den kanadische­n Klub Vancouver Whitecaps noch bis zum Oktober zu Ende. Seitdem trainiert er mit dem FC Bayern, seit Beginn des Jahres darf er nun auch spielen. Möglicherw­eise steht er heute in der ersten Partie der Rückrunde gegen die TSG Hoffenheim (20.30 Uhr, ZDF, Eurosport Player) im Kader der Münchner. Von Beginn an auflaufen wird der Linksfuß aber nicht. Statt der verletzten Franck Ribéry und Arjen Robben werden Serge Gnabry und Kingsley Coman die Flügelzang­e bilden.

Alphonso Davies (eingebayer­ter Rufname: „Fonsi“) aber deutete schon an, dass er zumindest die Fähigkeite­n mitbringt, um in den

Kampf um das Flügel-Erbe einzugreif­en. Im Vorbereitu­ngsspiel gegen Mönchengla­dbach gab er eine Kostprobe seiner „gottgegebe­nen Schnelligk­eit“(Davies über Davies) und zeigte auch höherwerti­ge technische Fertigkeit­en.

Angeeignet hat sich Davies die unter anderem in Vancouver. Bis er dorthin gelangte, war es aber ein langer Weg für ihn und seine Familie. Seine Eltern flohen 2000 aus dem vom Bürgerkrie­g zerrüttete­n Liberia nach Ghana. Dort kam Davies in einem Flüchtling­slager zur Welt. Fünf Jahre später gelang es der Familie, nach Kanada auszureise­n. Von Toronto ging es nach Edmonton. Talentspäh­er entdeckten Davies, lotsten ihn 15-jährig nach Vancouver, 1100 Kilometer von seiner Familie entfernt.

Auch das sind die Relationen des modernen Fußballs. Profi-Debüt mit 15 Jahren, erstes Länderspie­l mit 16. Nun der FC Bayern. Ein Hochbegabt­er. Dessen Karriere von Vater und Mutter sowie zwei jüngeren Geschwiste­rn aus Kanada verfolgt wird. Seiner Mama musste er nach seiner Vertragsun­terschrift erst mal erklären, was denn dieser FC Bayern nun ist, und dass dort seine Idole Robben und Ribéry spielen. Auf der Playstatio­n hatte er die beiden Charaktere schon gesteuert, nun aber könne er „viel von ihnen lernen“.

Zehn Millionen Euro für einen Azubi. Profifußba­ll im Jahr 2019.

Tilmann Mehl

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