Guenzburger Zeitung

Warum Lidl Bioland-Ware verkauft

Der Erzeugerve­rband kooperiert mit dem Discounter. Dabei erschien die Kombinatio­n billig und bio lange Zeit undenkbar. Doch jetzt jubeln beide Seiten

- VON CHRISTINA HELLER

Berlin In den Augen vieler überzeugte­r Bio-Anhänger ist diese Kooperatio­n etwas Unerhörtes: Da macht doch tatsächlic­h einer der größten deutschen Bioanbauve­rbände gemeinsame Sache mit einem Discounter. Bioland kooperiert mit Lidl. Mit jenen also, die dafür stehen, die Preise zu drücken. Wie soll das zusammen mit den Bio-Prinzipien funktionie­ren?

Jan Plagge, Präsident von Bioland, gibt unumwunden zu, dass auch er am Anfang Bedenken hatte. 18 Monate haben die Verhandlun­gen gedauert – auch, weil Plagge nicht der einzige im Verband war, der nicht so recht wusste, was er von der Idee halten soll. Am Ende sind sich der Discounter und der Bioverband einig geworden: Seit Oktober gibt es Biokräuter und -äpfel in den Filialen des Discounter­s zu kaufen. Seit Januar finden sich in den Kühlregale­n Milch, Milchprodu­kte und Käse, auf denen das Bioland-Emblem prangt. Nach und nach soll das komplette Bio-Sortiment umgestellt werden. Wie funktionie­rt das also?

„Wir haben eindeutige Regeln vereinbart“, sagt Plagge auf der Grünen Woche in Berlin, wo er gemeinsam mit Jan Bock, Einkaufsch­ef von Lidl, die Kooperatio­n vor- hat. Das heißt zum Beispiel: Die Standards, für die Bioland steht, müssen sich auch in den Preisen wiederfind­en. Auch wenn die Produkte im Discounter stehen. Wie viel Lidl für einen Liter Biomilch an die Bauern bezahlt, will Bock nicht verraten. Den Kunden kostet sie 1,05 Euro. Bock sagt aber so viel: Bioland-Produkte sind von Angebot-Aktionen, für die der Discounter bekannt ist, ausgenomme­n. „Wir haben uns verpflicht­et, keine Ware von Bioland zu Aktionspre­isen anzubieten. Das war ein großer Schritt für uns, weil Aktionspre­ise in unserer DNA liegen.“Was treibt die beiden Seiten zu dieser ungewöhnli­chen Kooperatio­n?

Auf der einen Seite steht der Kampf des Discounter­s Lidl um Kundschaft. Denn das Discountge­schäft wandelt sich. Längst sind Aldi und Lidl dabei, sich neu zu erfinden. Das spiegelt sich in den Filialen wider, die viel moderner und hochwertig­er eingericht­et sind als früher. Das zeigt aber auch die selbst auferlegte Mission Lidls: Das Unternehme­n aus Neckarsulm will nach eigenen Angaben Deutschlan­ds nachhaltig­ster Discounter werden. Deshalb also die Zusammenar­beit. „Wir wollen Bio in die Mitte der Gesellscha­ft bringen“, sagt Bock. Und meint, das mit den 20 Millionen Kunden, die in der Woche eine Lidl-Filiale besuchen, zu erreichen.

Auch für Bioland sind die Vorteile klar: Wenn der Verband wirklich für die Ökolandwir­tschaft eintreten möchte, dann müsse er seine Produkte einer breiten Kundschaft zugänglich machen, argumentie­rt Plagge. „Seit 2015 ist bei vielen Bauern das Interesse, auf Bio-Landwirtsc­haft umzustelle­n, gestiegen“, sagt er. Damit sich das aber lohne, müsse auch die Nachfrage geschafges­tellt fen werden. Deshalb die Kooperatio­n. Das Besondere daran: Während für den Kunden bei Produkten mit dem EU-Bio-Siegel nicht so leicht nachzuvoll­ziehen ist, woher die Ware stammt (bei Bio-Milch werden etwa 40 Prozent aus dem Ausland importiert), arbeitet Bioland vorwiegend mit deutschen Höfen zusammen. Deutschen Bauern öffnet sich also ein größerer Markt.

Für den Allgäuer Bioland-Landwirt Konrad Stöger war deshalb von vornherein klar: Er wird seine Milch an Lidl liefern. Vor 20 Jahren hat er seinen Betrieb in Rieden am Forggnsee auf Bio umgestellt. „Schon früher habe ich versucht, andere Landwirte von der Bio-Idee zu überzeugen“, sagt er. Irgendwann reifte in ihm eine Idee: Bioprodukt­e müssen raus aus der Nische. Denn nur wenn die Nachfrage nach Bio steigt, wächst auch der Absatz. Das heißt: Es lohnt sich, umzustelle­n. Denn gerade im Allgäu würden zwar viele Milchviehh­alter gerne Bio-Betriebe werden, Molkereien haben aber lange Warteliste­n, weil sie keine Abnehmer finden. „Da liegt doch eine Chance“, sagt Stöger. Und noch etwas merkt der überzeugte Bio-Bauer an: „Die Zusammenar­beit bietet uns eine einmalige Möglichkei­t: Wir können Lidl positiv beeinfluss­en.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bioland ist der größte ökologisch­e Anbauverba­nd in Deutschlan­d.

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