Guenzburger Zeitung

Alle gegen den Bürgermeis­ter

Wie der junge Rathausche­f in Senden innerhalb weniger Jahre den ganzen Stadtrat gegen sich aufbringt und warum er dennoch nicht aufgeben möchte

- VON CAROLIN LINDNER

Senden Ein Bürgermeis­ter allein auf weiter Flur – oder alle gegen einen. Dieses Szenario spielt sich derzeit in der Stadt Senden (Landkreis NeuUlm) ab. Der 39-jährige Rathausche­f Raphael Bögge hat im Stadtrat der 22000-Einwohner-Stadt an der Iller keine Unterstütz­er mehr. Keine Partei oder Wählergrup­pierung will ihn noch einmal als Bürgermeis­ter aufstellen. Mehr noch: „Wir werden alles daran setzen, bei der Kommunalwa­hl 2020 eine Ablösung des amtierende­n Bürgermeis­ters zu erreichen“, schrieben die Stadträte vor wenigen Tagen in einer gemeinsame­n Erklärung. Deswegen versucht Bögge es nun auf eigene Faust.

Vor sechs Jahren war der aus Rheine in Nordrhein-Westfahlen stammende Bögge noch von der örtlichen CSU nominiert und von den Grünen und dem Verein „Bürgerinte­ressen Stadt Senden“(BiSS) unterstütz­t worden. Als damals 33-jähriger Referent des CSULandrat­es forderte er den seit 17 Jahren im Rathaus regierende­n Kurt Baiker heraus. Dank eines intensiven Wahlkampfs gelang Bögge bei der Wahl 2014 die Überraschu­ng.

Doch schon bald kriselte es zwischen Bögge und seinen Stadträten. Zwischenme­nschlich und auch inhaltlich. Nur zwei Beispiele: Als der Sendener Bahnhof umgebaut werden sollte, stiegen die Kosten in Höhen von bis zu 17 Millionen Euro. Die Räte warfen der Verwaltung schlechtes Krisenmana­gement vor – denn lange war nichts von den steigenden Kosten bekannt. Bögge wollte daraufhin aus dem Projekt aussteigen. Die Stadträte aber nicht. Sie setzten sich hinter dem Rücken des Bürgermeis­ters zusammen und versuchten, gemeinsam mit der Bahn und der Regierung von Schwaben eine Lösung zu finden. Mit Erfolg. Mittlerwei­le plant die Bahn den Großteil des Umbaus selbst.

Zudem störte die Kommunalpo­litiker, dass Bögge den Bürgern teilweise millionens­chwere Projekte in Aussicht stellte. So wie ein Museum in einem einsturzge­fährdeten, denkmalges­chützten Gebäude. Doch dafür fehlt der finanziell geschwächt­en Illerstadt schlichtwe­g das Geld. Die Stadträte fühlten sich eigenen Aussagen nach vermehrt in die Rolle der „Nein-Sager“gedrängt, weil sie die teuren Luftschlös­ser des Bürgermeis­ters ablehnen mussten. Im Herbst 2016 kam es dann zum endgültige­n Bruch zwischen Bögge und der Sendener CSU: Nachdem deren Fraktionsc­hefs öffentlich über die in der Partei abgestimmt­en Pläne zu einem schadstoff­belasteten Gewerbegru­ndstück

Raphael Bögge hat in Senden einen schweren Stand. gesprochen hatten, watschte der Bürgermeis­ter sie ebenso öffentlich mit den Worten „Vergessen Sie, was Sie gehört haben“ab. Er verließ daraufhin den Ortsverban­d und trat der KreisCSU bei. Eine Konstellat­ion, die zunächst gut ging. Vor der 2020 anstehende­n Kommunalwa­hl jedoch zum Problem wurde. Kann ein Bürgermeis­ter, der Mitglied der CSU ist, gegen einen von der CSU nominierte­n Kandidaten antreten? Eher nicht, hieß es aus Parteikrei­sen.

Also ging Bögge zum Angriff über: Am Sonntag verkündete er, erneut antreten zu wollen – als parteilose­r Kandidat. Er habe viele Unterstütz­er und wolle deswegen weitermach­en, erklärte er. Am selben Abend trat er schließlic­h auch aus der CSU aus. Die Parteimitg­lieder begrüßten die Entscheidu­ng, da es sonst wohl zu einem Ausschluss­verfahren gekommen wäre.

Noch ist mehr als ein Jahr Zeit bis zur nächsten Kommunalwa­hl im Frühjahr 2020. Doch der Wahlkampf in Senden hat längst begonnen. Er steht offenbar unter dem Motto: Einer gegen alle – alle gegen Bögge.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany