Alle gegen den Bürgermeister
Wie der junge Rathauschef in Senden innerhalb weniger Jahre den ganzen Stadtrat gegen sich aufbringt und warum er dennoch nicht aufgeben möchte
Senden Ein Bürgermeister allein auf weiter Flur – oder alle gegen einen. Dieses Szenario spielt sich derzeit in der Stadt Senden (Landkreis NeuUlm) ab. Der 39-jährige Rathauschef Raphael Bögge hat im Stadtrat der 22000-Einwohner-Stadt an der Iller keine Unterstützer mehr. Keine Partei oder Wählergruppierung will ihn noch einmal als Bürgermeister aufstellen. Mehr noch: „Wir werden alles daran setzen, bei der Kommunalwahl 2020 eine Ablösung des amtierenden Bürgermeisters zu erreichen“, schrieben die Stadträte vor wenigen Tagen in einer gemeinsamen Erklärung. Deswegen versucht Bögge es nun auf eigene Faust.
Vor sechs Jahren war der aus Rheine in Nordrhein-Westfahlen stammende Bögge noch von der örtlichen CSU nominiert und von den Grünen und dem Verein „Bürgerinteressen Stadt Senden“(BiSS) unterstützt worden. Als damals 33-jähriger Referent des CSULandrates forderte er den seit 17 Jahren im Rathaus regierenden Kurt Baiker heraus. Dank eines intensiven Wahlkampfs gelang Bögge bei der Wahl 2014 die Überraschung.
Doch schon bald kriselte es zwischen Bögge und seinen Stadträten. Zwischenmenschlich und auch inhaltlich. Nur zwei Beispiele: Als der Sendener Bahnhof umgebaut werden sollte, stiegen die Kosten in Höhen von bis zu 17 Millionen Euro. Die Räte warfen der Verwaltung schlechtes Krisenmanagement vor – denn lange war nichts von den steigenden Kosten bekannt. Bögge wollte daraufhin aus dem Projekt aussteigen. Die Stadträte aber nicht. Sie setzten sich hinter dem Rücken des Bürgermeisters zusammen und versuchten, gemeinsam mit der Bahn und der Regierung von Schwaben eine Lösung zu finden. Mit Erfolg. Mittlerweile plant die Bahn den Großteil des Umbaus selbst.
Zudem störte die Kommunalpolitiker, dass Bögge den Bürgern teilweise millionenschwere Projekte in Aussicht stellte. So wie ein Museum in einem einsturzgefährdeten, denkmalgeschützten Gebäude. Doch dafür fehlt der finanziell geschwächten Illerstadt schlichtweg das Geld. Die Stadträte fühlten sich eigenen Aussagen nach vermehrt in die Rolle der „Nein-Sager“gedrängt, weil sie die teuren Luftschlösser des Bürgermeisters ablehnen mussten. Im Herbst 2016 kam es dann zum endgültigen Bruch zwischen Bögge und der Sendener CSU: Nachdem deren Fraktionschefs öffentlich über die in der Partei abgestimmten Pläne zu einem schadstoffbelasteten Gewerbegrundstück
Raphael Bögge hat in Senden einen schweren Stand. gesprochen hatten, watschte der Bürgermeister sie ebenso öffentlich mit den Worten „Vergessen Sie, was Sie gehört haben“ab. Er verließ daraufhin den Ortsverband und trat der KreisCSU bei. Eine Konstellation, die zunächst gut ging. Vor der 2020 anstehenden Kommunalwahl jedoch zum Problem wurde. Kann ein Bürgermeister, der Mitglied der CSU ist, gegen einen von der CSU nominierten Kandidaten antreten? Eher nicht, hieß es aus Parteikreisen.
Also ging Bögge zum Angriff über: Am Sonntag verkündete er, erneut antreten zu wollen – als parteiloser Kandidat. Er habe viele Unterstützer und wolle deswegen weitermachen, erklärte er. Am selben Abend trat er schließlich auch aus der CSU aus. Die Parteimitglieder begrüßten die Entscheidung, da es sonst wohl zu einem Ausschlussverfahren gekommen wäre.
Noch ist mehr als ein Jahr Zeit bis zur nächsten Kommunalwahl im Frühjahr 2020. Doch der Wahlkampf in Senden hat längst begonnen. Er steht offenbar unter dem Motto: Einer gegen alle – alle gegen Bögge.