Döpfner spricht Klartext
Ein Interview des Medienmanagers schlägt hohe Wellen
Mathias Döpfner lese seiner Branche die Leviten und kritisiere auch sein eigenes Spitzenpersonal – das Interview, das der Vorstandsvorsitzende des Medienhauses Axel Springer (Bild, Die Welt) und Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gab, hat hohe Wellen geschlagen – nachdem es am Montag veröffentlicht worden war. Hier einige Aussagen:
● „Offenbar wirkte das Argument, dass Relotius (betrügerischer Spiegel-Reporter, die Red.) ja auch in anderen Publikationen von Zeit Online und Welt bis zum Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat, wie eine Beißhemmung. (...) Der Skandal wurde im Wesentlichen auf den Medienseiten und in den Feuilletons abgehandelt.“
● „Das Problem, dass einstweilen aus dem ,Sturmgeschütz der Demokratie‘ ein ,Luftgewehr der Fantasie‘ geworden ist, das muss der Spiegel lösen. (...) Wenn er das konsequent macht, kann auch der Spiegel sich davon erholen. Wenn nicht, und vor allem wenn die Medienbranche insgesamt zu schnell wegguckt und hier mit zweierlei Maß misst, dann kann das tatsächlich zu einer Zäsur werden. Denn es würde unser höchstes Gut, die Glaubwürdigkeit, untergraben.“
Parallel zum dpa-Interview hatte Döpfner Verlegern, Herausgebern und Geschäftsführern der BDZVMitgliedsunternehmen geschrieben – in seinem „Neujahrsgruß“erläuterte er „die politische Agenda“des Verbandes für 2019. Der erste Satz: „Das vergangene Jahr wird für unsere Branche als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem der Hochstapler Claas Relotius aufgeflogen ist.“Neben „die großen Aufgaben, vor denen wir als Branche und Verband ohnehin schon stehen“, müsse nun treten, das System zu hinterfragen. „Wir müssen ablegen, was die Branche lähmt: Selbstzufriedenheit, Besserwisserei, Nachgiebigkeit mit politisch Gleichgesinnten, unfaire Kritik gegenüber jenen, die anders denken als man selbst.“
● Im dpa-Interview sagte Döpfner zudem: „Wörtlich genommen ist der Gedanke des Satzes ,Nazis raus‘ natürlich richtig. Aber das, was jetzt viele im Netz damit meinen, und die Haltung, die dem zugrunde liegt, finde ich höchstproblematisch. Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist immer falsch.“
Hier bezieht er sich auf eine Debatte, die Nicole Diekmann, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio, zu Jahresbeginn auslöste – mit dem Tweet: „Nazis raus.“Und dem Tweet, dass jede/r Nazi sei, „der/die nicht die Grünen wählt“. Was ironisch gemeint war, hatte einen Shitstorm zur Folge und eine Debatte in Medien: Darf man, dürfen Journalisten „Nazis raus“sagen? ● Und weiter: „Journalisten müssen natürlich soziale Medien als Informationsquelle und Rechercheinstrument benutzen. Aber die eigene Präsenz von Journalisten in sozialen Medien erscheint mir zunehmend problematisch. Die Idee, dass der Vertreter einer Medienmarke rein privat twittern oder auf Facebook posten kann, ist absurd. (...) Deshalb wird viel zu schnell geschrieben, was am Ende der Marke abträglich ist. (...) Ich empfehle allergrößte Zurückhaltung, wenn nicht gar vollkommene Enthaltsamkeit.“
Ein Rüffel für die Springer-Chefredakteure Julian Reichelt (Bild) und Ulf Poschardt (Welt)? Der Branchendienst turi2 meinte: Ja. Sie dürften sich angesprochen fühlen.