Guenzburger Zeitung

Kühn hat zu tun

Jan Weiler schrieb Bestseller wie „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“oder „Das Pubertier“. Nun wurde sein Roman über einen Polizisten verfilmt, der in unserer Gesellscha­ft nicht mehr klarkommt

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Herr Weiler, Ihre Bestseller „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“und „Das Pubertier“basieren auf Ihrem Alltag. Gab es für den Polizisten aus „Kühn hat zu tun“auch ein reales Vorbild? Jan Weiler: Ich hatte einen Schulfreun­d, der Martin Kühn hieß, und diesen Namen fand ich immer schon toll. Davon abgesehen hat er nichts mit der Figur zu tun. Es gibt keine direkte Vorlage für Kühn, aber viele Männer Mitte 40 haben etwas von ihm: Leute, die nicht die Karriere gemacht haben, die sie wollten, und die jetzt in einer Lebensphas­e sind, wo sie zweifeln und sich fragen: War alles gut?

Ihr Romanheld hat eine ausgewachs­ene Neurose. Wie kamen Sie auf die Idee? Weiler: Kühn leidet an Grübelzwan­g. Diese Störung führt dazu, dass Sie keinen Gedanken zu Ende denken können. Immer wenn Sie meinen, Sie finden für irgendwas eine Lösung, schiebt sich ein anderer Gedanke dazwischen. Dieses ständige Gesumme und Gebrumme macht einen fertig. In diesem furchtbare­n Kreislauf stecken viele Menschen. Ich hatte das selber auch mal, und das geht in dem Moment weg, in dem man das eigentlich­e Problem löst, das hinter dem Grübelzwan­g steckt. Einen Tag nachdem ich mein Problem gelöst hatte, habe ich mit dem Roman angefangen.

Eine gewisse Überforder­ung vom Alltag kennen sicher viele Menschen … Weiler: Ja, das ist der Zeitgeist. Vor 40 Jahren war es leichter, sich in der Welt zurechtzuf­inden. Da ist man seinen Hobbys nachgegang­en oder war daheim, und dann war Ruhe im Karton. Inzwischen ist in unserem Leben nie Ruhe im Karton, die Belastung durch Informatio­n oder Desinforma­tion ist so viel größer. Wenn ich früher nicht wusste, was etwa in Bolivien los ist, war das egal. Heute wird alles aus der ganzen Welt dicht an uns herangetra­gen, und wir meinen, uns damit auseinande­rsetzen zu müssen. Und das ist harte Arbeit.

Sie legen wert auf die Feststellu­ng, dass Ihr Buch kein Krimi ist.

Weiler: Das Buch ist ein Gesellscha­ftsroman, eine Erzählung über einen Mann, der in unserer Gesellscha­ft nicht mehr klarkommt – und der Mann in diesem Roman ist halt Polizist. Die Aufklärung des Mordfalls war nicht das, was ich in erster Linie erzählen wollte. Und deshalb sage ich immer, dass das Buch kein Krimi ist. Auch die Verfilmung ist kein Krimi, sondern ein Gesellscha­ftsdrama. Sonst wäre Kühn ja der x-te Ermittler im deutschen Fernsehen – und darauf lege ich keinen Wert.

Mögen Sie keine TV-Krimis? Weiler: Ich habe gar nichts gegen Krimis. Ich gucke sie nur nicht. Ich habe auch nichts gegen Quittenmar­melade, aber ich esse sie nicht. Was Krimis angeht, bin ich kein besonders avancierte­r Kenner. Ich gucke manchmal sich’s. „Tatort“, damit hat

Den aus Weimar etwa mit Christian Ulmen, der ja die Hauptrolle in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“spielte? Weiler: Auch den mit Christian. Ich gucke gerne den „Tatort“aus München, weil ich da lebe, und den aus Köln, weil ich Rheinlände­r bin. Die Dortmunder Fälle, weil ich Hauptdarst­eller Jörg Hartmann toll finde, und Axel Milberg in Kiel, weil ich mit ihm befreundet bin. Mehr nicht. Insgesamt gibt es ja inzwischen wahnsinnig viele TV-Ermittler.

Warum lieben die Zuschauer Krimis so sehr?

Weiler: Ich glaube, sie sehen die Krimis vor allem deshalb, weil sie eben im Fernsehen kommen. Wenn die Sender keine Krimis senden würden, würden die Leute andere Dinge anschauen. Es gäbe viele Möglichkei­ten, die Sendezeit zu füllen, ohne dass ständig jemand fragen muss: „Wo waren Sie gestern Abend?“. Diese Krimischwe­mme hängt wohl mit der Neigung der Sender zusammen, Dinge zu zeigen, von denen sie glauben, dass sie funktionie­ren.

Wie zufrieden sind Sie mit der Verfilmung Ihres Kühn-Romans?

Weiler: Ich mag den Film und finde die Besetzung sagenhaft gut. Ich finde auch, dass die Kürzungen oder Verdichtun­gen gut funktionie­ren. Wenn der Film eine kleine Schwäche hat, dann höchstens die, dass er zu kurz ist. Ich hatte dafür plädiert, einen Zweiteiler zu machen, das wollte der WDR aber nicht. Unter den gegebenen Umständen finde ich das Ergebnis gut. Und dass es mir nicht lang genug ist, könnte man auch mir als Eitelkeit anlasten.

Können Sie sich Verfilmung­en Ihrer Stoffe entspannt ansehen?

Weiler: Ja, weil ich nicht die Verantwort­ung dafür trage. Nein, weil mir daran liegt, dass bestimmte Dinge, die ich geschriebe­n habe, im Film richtig dargestell­t werden. Mit Kühn hatte ich Glück, weil Hauptdarst­eller, Regisseur und Autor ein Gespür dafür hatten. Aber es gab auch schon Momente in Filmen, wo ich dachte: Um Himmels willen, ist das grauenhaft! Eine Verfilmung eines Romans von mir war so ein Mist, dass ich frühzeitig aus dem Projekt ausgestieg­en bin. Das war die Verfilmung von „Antonio im Wunderland“, die aus rechtliche­n Gründen nicht so heißen darf, weil ich meinen Namen und den des Buches zurückgezo­gen habe.

So schlimm?

Weiler: Dieser Film ist sagenhaft schlecht. Zum Glück ist der im Kino total untergegan­gen, ich glaube, er hatte 30000 Zuschauer oder so. Da hielt sich der Schaden in Grenzen.

Soll Ihr zweiter Kühn-Roman „Kühn hat Ärger“auch verfilmt werden? Weiler: Das hängt wohl davon ab, wie der erste Film ankommt. Ich selber würde es mir wünschen, zumal ich jetzt gerade den dritten Teil schreibe. Kühn hat noch eine Menge vor.

Interview: Cornelia Wystrichow­ski

 ?? Foto: WDR, Bernd Schuller ?? Martin Kühn (Thomas Loibl) ist 44 Jahre alt, verheirate­t, hat zwei Kinder sowie ein Haus in einer Neubausied­lung – und jede Menge Ärger am Hals. Noch dazu leidet er an Grübelzwan­g. „Ich hatte das selber auch mal, und das geht in dem Moment weg, indem man das eigentlich­e Problem löst, das hinter dem Grübelzwan­g steckt“, sagt sein Schöpfer, der Bestseller­autor Jan Weiler.
Foto: WDR, Bernd Schuller Martin Kühn (Thomas Loibl) ist 44 Jahre alt, verheirate­t, hat zwei Kinder sowie ein Haus in einer Neubausied­lung – und jede Menge Ärger am Hals. Noch dazu leidet er an Grübelzwan­g. „Ich hatte das selber auch mal, und das geht in dem Moment weg, indem man das eigentlich­e Problem löst, das hinter dem Grübelzwan­g steckt“, sagt sein Schöpfer, der Bestseller­autor Jan Weiler.

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