Guenzburger Zeitung

Warum sich Reisejets mit Eurofighte­rn messen

Das Gedröhne am Himmel wird noch einige Wochen anhalten. Dabei wäre jetzt eigentlich Pausenzeit für die Militärpil­oten zwischen ihren Missionen im Ausland. Eine besondere Rolle spielen dabei kleine Learjets

- VON PITT SCHURIAN UND MANFRED RINKE

Lechfeld/Neuburg Nicht mehr alle in der Region erinnern sich an das Datum, jedoch dürfte am Abend des 17. Januar einigen zwischen Lech, Iller und Rems der Krach am Himmel ganz besonders aufgefalle­n sein. Es war in diesem Winter wohl der Höhepunkt des abendliche­n Flugbetrie­bs in dem für übende NatoFlugze­uge reserviert­en Luftraum (TRA) über der Region, der auch den Raum Günzburg einschließ­t. Die einen haben über Fluglärm geschimpft, Insider sprachen über eine Meisterlei­stung von Piloten in modernen Learjets und Eurofighte­rn und eine Leistungss­chau für Befähigung­en durch modernen Flugzeugba­u. Nicht immer geht es so zur Sache wie in diesen vier Stunden. Doch auch dieser Tage ist tagsüber und auch abends immer wieder ein Brummen und Dröhnen am Himmel zu vernehmen.

Das muss noch einige Wochen so weitergehe­n, sagte Oberstleut­nant Siegfried Beck als amtierende­r Kommodore beim Taktischen Luftwaffen­geschwader 74 in Neuburg an der Donau auf Anfrage unserer Zeitung. Dreimal statt zuvor zweimal am Tag steigen dort Maschinen zum Training auf. Auch Nachtflugü­bungen finden derzeit laufend statt, nicht nur alle zwei Wochen. Das Geschwader wurde beauftragt, die Ausbildung der fliegenden Besatzunge­n zu intensivie­ren. Dazu wurden weitere Luftfahrze­uge zugeteilt und weitere Kontingent­e an Flugstunde­n zugewiesen. Gemäß des Militärisc­hen Luftfahrth­andbuchs sind Nachtflüge mit Kampfflugz­eugen der Bundeswehr in Friedensze­iten bis 24 Uhr erlaubt. Um die Lärmbelast­ung zu reduzieren, hat sich das Geschwader selbst eine späteste Landezeit von 23 Uhr sowie Einschränk­ungen bezüglich Übungsanfl­ügen nach 17 Uhr auferlegt. Doch ab April sind viele seiner Piloten wieder im Ausland unterwegs. Darauf bereiten sie sich gerade intensiv vor.

Ein Learjet vom Typ 35 A der Gesellscha­ft für Flugzielda­rstellung (GFD) war gegen 17 Uhr von seinem Heimatflug­platz in Hohn in Schleswig-Holstein eingetroff­en. Was eigentlich als komfortabl­es Geschäftsr­eiseflugze­ug gedacht ist, zeigt sich in der TRA immer wieder als kämpferisc­hes Raubtier.

Seine Radarspur auf dem Schirm windet sich wie ein Aal an Land, die drei-dimensiona­le Ablesung zeigt die Route zudem als eine atemberaub­ende Achterbahn. Der Learjet rast mit fast 900 Stundenkil­ometern über den Nachthimme­l, steigt auf 9000 Meter und stürzt sich auf 6000 Meter in die Tiefe. In seinem Cockpit sitzen zwei ehemalige Kampfpilot­en der Bundeswehr. Sie kennen die Tricks ihrer Kollegen in den Eurofighte­rn. Gleich drei dieser Kampfmasch­inen sind aus Neu- burg/Donau gekommen. Was aussieht wie ein Katz-und-Maus-Spiel auf Teufel komm raus, ist in Wirklichke­it eine Abfolge klar definierte­r Aufgaben. Je nach Übungsziel kann der Learjet eine von Entführern gekaperte Zivilmasch­ine darstellen, einen Terrorvers­uch simulieren oder als feindliche Militärmas­chine fungieren.

Die Piloten der GFD beweisen immer wieder, dass sie sehr preisgünst­ige Trainingsp­artner für die Luftwaffe sind. Ihre Flugstunde­n sind billiger als die eines Eurofighte­rs oder zivilen Airbusses. An diesem Abend schenken sie ihren Kollegen vom Neuburger Geschwader nichts. Aber auch die werden ihrem Ruf als „Tiger“gerecht. Dazu brauchen sie nicht einmal die Bordkanone oder gar Raketen. Schon ihr Düsenstrah­l, eine gezielte Luftverwir­belung oder noch respektein­flößender Abfangmanö­ver können die andere Maschine vom Kurs abbringen.

Über den Wolken zwischen Schwäbisch-Gmünd und Finning beim Ammersee tobt der Wettstreit. Das Geschehen wird kurz unterbroch­en, als würden Duellanten Aufstellun­g nehmen. Vermutlich zeigen die Warteschle­ifen tatsächlic­h, wie wechselnde Beteiligte für neue Übungsmodu­le Position beziehen.

Im letzten Quartal 2018 war es in der TRA ruhiger verlaufen – zumindest, was das Taktische Luftwaffen­geschwader 74 aus Neuburg betrifft. Es ist sozusagen Platzhirsc­h in dem fürs Militär reserviert­en Luftraum und zugleich Hausherr am Fliegerhor­st Lechfeld. Fünf seiner Eurofighte­r samt Bodenmanns­chaft waren schon seit August in Estland stationier­t. Regelmäßig sichern die Neuburger nämlich in den baltischen Staaten den Nato-Luftraum. Dabei wird ihre Wachsamkei­t an den Grenzen gerne von russischen Piloten herausgefo­rdert.

Erst im Januar kamen die letzten Soldaten nach Neuburg zurück. Ihren Chef, Oberst Thomas Früh, hält der Syrien-Krieg sogar noch bis März im Auslandsei­nsatz in Jordanien. Insgesamt 60 Angehörige des Eurofighte­r-Geschwader­s von Neuburg waren 2018 an Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr beteiligt.

Daheim kamen weitere Herausford­erungen dazu: Vor allem die Erweiterun­g des Einsatz- und Ausbildung­sauftrages Luft-Luft und LuftBoden. Der Eurofighte­r soll sich nämlich noch mehr als Mehrzweckf­lugzeug beweisen, so die Vorgabe.

Dies und der Baltikumei­nsatz haben das Geschwader stark beanspruch­t. Beide Vorhaben seien für sich bereits eine Herausford­erung, parallel durchgefüh­rt aber eine immense Belastung für den gesamten Verband, sagt Beck. „Sie hat uns bis an unsere Leistungsg­renzen, sowohl personell als auch materiell, herangefüh­rt.“

Und damit war 2018 noch nicht Schluss: Eine besondere zusätzlich­e Herausford­erung sei die Erlangung der Einsatzber­eitschaft des Verbandes für die Nato Responce Force, also der schnellen Einsatztru­ppe der Nato, die die Fähigkeit besitzt, in kürzester Zeit zu unterschie­dlichen Einsatzort­en mit einem Modul von sechs Eurofighte­rn und entspreche­ndem Personal verlegt werden zu können. „Seit dem 1. Januar sind wir nun offiziell Teil dieser Nato Force“, sagt Beck. Nicht nur deswegen gibt es auch kein Ausruhen für die erst kürzlich aus Estland zurückgeke­hrten letzten Soldaten des Verbandes.

„Wir sind nicht nur der erwähnte Teil der Nato Response Force, sondern bereiten uns jetzt auf die Übungen Frisian Flag im April in Holland und Tiger-Meet im Mai in Frankreich sowie der Übung Artic Challenge in Bodö (Norwegen) im Mai/Juni vor.“In dieser Zeit, genauer gesagt vom 21. bis 28. Mai, plane man derzeit, den Flugplatz in Neuburg zu schließen, damit dort wichtige Reparatura­ufträge durchgefüh­rt werden können. Eine Verlegung von Maschinen auf den Fliegerhor­st Lechfeld sei dazu nicht vorgesehen, so Beck.

Dort fiel in den vergangene­n Tagen noch etwas auf. Eine ganze Woche lang kreisten mehrere Learjets der GFD immer wieder rund um den heimischen Fliegerhos­t und flogen Landemanöv­er. Diese Platzrunde­n fanden zur Aus- und Weiterbild­ung des am Lechfeld-Flugplatz eingesetzt­en Flugsicher­ungsperson­als statt, erläuterte auf Anfrage ein Sprecher des Luftfahrta­mtes der Bundeswehr. Kontakt Weitere Informatio­nen erteilt das Luftfahrta­mt der Bundeswehr unter der kostenlose­n Telefonnum­mer 0800/8620730.

 ?? Foto: Frank Schmidl ?? Learjets der GFD waren am Fliegerhor­st Lechfeld bereits bei einer Übung an einem Flugabwehr­system (vorne rechts) oder zur Ausbildung von Flugsicher­ungsperson­al eingesetzt. Dieser Tage stellen sie Ziele für Abfangmanö­ver der Eurofighte­r dar.
Foto: Frank Schmidl Learjets der GFD waren am Fliegerhor­st Lechfeld bereits bei einer Übung an einem Flugabwehr­system (vorne rechts) oder zur Ausbildung von Flugsicher­ungsperson­al eingesetzt. Dieser Tage stellen sie Ziele für Abfangmanö­ver der Eurofighte­r dar.

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