Der Kampf mit der Mutterschaft
Die Autorin liefert in ihrem Buch viel Munition für eine hitzige aktuelle Debatte
Ihre Roman-Sheila lässt sie zunächst sagen: „Ob ich Kinder will, ist ein Geheimnis, das ich vor mir selbst verberge – das größte Geheimnis.“Dieses Geheimnis wird alsdann peu à peu gelüftet.
Sheila ist hin und her gerissen, ob sie Mutter werden will oder nicht. Ihre Gefühle fahren Achterbahn. Sie wirft nach einer alten chinesischen Orakelmethode Münzen, damit sie ihre Gedanken immer weiter und in neue, überraschende Richtungen treiben kann. Sie spricht mit Freundinnen, mit Müttern, mit ihrem Freund Miles, der bereits ein Kind hat und ihr die Mutterschaft-Entscheidung überlässt. Es wird schnell deutlich: So eine Entscheidung ist ein Prozess, der mit Schmerzen, Zweifeln und Ängsten verbunden ist. Was verliere ich, wenn ich ein Kind habe? Was gewinne ich?
Bald ist sich Sheila klar: „Mein Gefühl, dass ich kein Kind will, ist das Gefühl nicht zu jemandes Vorstellung von mir werden zu wollen. Eltern haben mehr, als ich je haben werde, etwas Größeres, das ich aber nicht will . ... Es liegt eine Art Traurigkeit darin, etwas nicht zu wollen, was dem Leben so vieler anderer Bedeutung verleiht.“Und dann stellt sie fest: „Meine gläubige Cousine, die genauso alt ist wie ich, hat sechs Kinder. Und ich habe sechs Bücher.“Irgendwie sind Bücher für sie auch wie Kinder, sie bedeuten Arbeit und Hingabe, sie überleben einen – gut, im Altersheim kommen sie einen nicht besuchen.
„Mutterschaft“ist aber mehr als nur ein Buch über den Kampf einer Frau mit diesem Thema. Es geht um die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, zwischen Mann und Frau, um Verantwortung und Schuld den Vorfahren gegenüber, um Familie und Feminismus. Es ist ein Buch für Mütter und Nichtmütter, für Wissende und Suchende. Eine goldene Antwort gibt es darin nicht. Aber das war auch nicht Sheila Hetis Absicht. Sie wollte mit „Mutterschaft“Frauen aus sich herauslocken – und das ist ihr gelungen. Lea Thies Sheila Heti: Mutterschaft
A. d. Engl. von Thomas Überhoff, Rowohlt,
320 Seiten, 22 Euro