Koalition streitet über Sparpläne von Olaf Scholz
Bevorzugt der SPD-Finanzminister die Ressorts der eigenen Parteifreunde?
Berlin Unmittelbar vor dem Start der offiziellen Haushaltsberatungen hat in der Bundesregierung ein heftiger Streit über den künftigen Etat eingesetzt. Die Ministerien für Entwicklung und Verteidigung drohten am Montag damit, ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können, falls sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinen Plänen durchsetzt. Unions-Fraktionsvize Andreas Jung warnte Scholz davor, seine Parteifreunde bei der SPD zu bevorzugen. „Bei der Bewertung der Eckwerte werden wir intensiv darauf achten, dass die Berücksichtigung der einzelnen Ressorts nach sachlicher Begründung erfolgt und nicht nach parteipolitischer Zuordnung“, sagte er unserer Zeitung.
Es ist nicht neu, dass vor den Beratungen über einen neuen Haushalt in der Regierung erregt diskutiert wird, denn jedes Ministerium möchte möglichst viel Geld aus dem Steuertopf haben. Die aktuelle Debatte über den Haushalt 2020 jedoch ist von ungewöhnlicher Intensität, und dafür gibt es zwei Gründe: In der Union befürchten sie erstens, dass Minister Scholz einseitig SPDWahlgeschenke vorbereitet. Zweitens stottert der deutsche Wirtschaftsmotor, die Steuereinnahmen werden absehbar nicht mehr so stark sprudeln wie in den vergangenen Jahren. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner.
Erheblichen Hunger hat Entwicklungsminister Gerd Müller. Allein für den Klimabereich sieht der CSU-Politiker in seinem Ministerium eine Lücke von einer halben Milliarde Euro. Das allein ist schon ein schwerer Vorwurf an Scholz, denn Müller wirft ihm praktisch vor, den Klimaschutz nicht zu wollen. Müller hat aber noch ein zweites scharfes Messer, mit dem er auf den Finanzminister zielt: Scholz will ihm für 2020 offenbar 150 Millionen Euro für den Entwicklungsinvestitionsfonds vorenthalten. Insbesondere an diesem Vorwurf dürfte Scholz zu knabbern haben, denn bei dem Fonds handelt es sich um ein Prestigeprojekt der Regierung und eine Herzensangelegenheit von Kanzlerin Angela Merkel. Der Fonds soll die Risiken kleinerer und mittlerer Unternehmen bei Investitionen in Afrika abfedern und ist Teil des „Compact with Africa“, der 2017 unter der deutschen G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen wurde.
Das Verteidigungsministerium war in seiner Kritik an den Scholz’schen Rechenspielen nicht so laut wie Müller, aber auch leise Stimmen können drohen. Ministeriumssprecher Jens Flosdorff erinnerte an den bereits angemeldeten Bedarf der Truppe sowie an die Zusagen gegenüber den Nato-Partnern. Die Bundeswehr habe „erhebliche Lücken“zu füllen. Wenn den Wünschen von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht entsprochen werde, habe das „natürlich Konsequenzen und Folgen für den Modernisierungskurs der Bundeswehr“.
Unions-Fraktionsvize Jung zeigte Scholz die Grenzen auf. „Die Regierung macht die Vorschläge, wir Abgeordnete entscheiden letztlich“, betonte er die Entscheidungsgewalt des Parlaments. „Deshalb werden wir die Eckwerte des Finanzministers nun intensiv prüfen und dann unsere Akzente setzen“, sagte Jung. Scholz will die Eckpunkte für den Haushalt 2020 sowie die Finanzplanung bis 2023 am Mittwoch dem Kabinett vorstellen.
Jung betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass zwei Dinge in Stein gemeißelt seien: „Die schwarze Null als Stoppschild gegen neue Schulden und die Absage an Steuererhöhungen als rote Linie der Union. Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben“, betonte der Finanzexperte.
Vorzeigeprojekt der Kanzlerin ist in Gefahr
An diesem Dienstag wird es spannend am Mainzer Standort der Bundesnetzagentur: Dort beginnt um 10 Uhr die Versteigerung der Frequenzblöcke, die für den superschnellen Mobilfunkstandard 5G genutzt werden sollen. Das weckt Erinnerungen an die vielleicht spektakulärste Auktion in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Im Jahr 2000 kamen die Frequenzen für UMTS (von 4G sprach man damals selten) unter den Hammer. Sage und schreibe 100 Milliarden D-Mark spülte die Vergabe der UMTSLizenzen in die Staatskasse.
Dass sich diese Geschichte wiederholt, gilt als unwahrscheinlich. Und es ist auch nicht erstrebenswert, für keinen der Beteiligten. Noch einmal werden sich die Mobilfunker nicht übernehmen wollen mit Investitionen in eine Technologie, die sich am Ende kaum rechnet. Die immensen Ausgaben für die Lizenzen bringen nicht nur die Anbieter in wirtschaftliche Nöte. Sie verhindern zudem, dass das Geld dahin fließen kann, wo es am dringendsten gebraucht wird: in den Ausbau der Netze. Das kann nicht im Sinne des Staates sein; und sei die Kasse noch so voll. Deutschland belegt, was die digitale Infrastruktur betrifft, im Nationenvergleich schließlich nur einen peinlichen hinteren Platz.
Somit wird auch der Verbraucher zum Verlierer. Der Netzausbau gerade in ländlichen Regionen dauert gefühlt eine Ewigkeit. Auf die „Killer-Applikation“, jene viel zitierte Anwendung, die alles zum Besseren verändern sollte, warten Smartphone-Nutzer bis heute. Die Hoffnung auf günstigere Tarife hat sich ebenfalls nicht erfüllt. In Österreich etwa sind die Kosten für einen Handyvertrag niedriger.
Von 4G lernen heißt also: aus Fehlern lernen. Leider sieht es danach im Moment nicht aus. Der Bund hält an einem umstrittenen Vergabeverfahren fest, das die Bieter zwingt, sich auf einen mehr oder weniger unsinnigen Konkurrenzkampf einzulassen. So wird es wohl kommen, wie es kommen muss: Am Ende kauft jeder Bieter sein eigenes Netz und versucht es profitabel zu betreiben. Viele kleine Netze ergeben aber noch lange kein großes, flächendeckendes. Deutschland droht sich also einmal mehr in digitalen Insellösungen zu verlieren. Selbst wenn es den Regulierungsbehörden gelingen sollte, Telekom und Co. zur Zusammenarbeit zu zwingen: Die zahlreichen Klagen – einige sind sogar zu Beginn der Auktion noch anhängig – gegen die Vergaberegeln zeigen, dass die Mobilfunker ihre Netze nur höchst ungern teilen.
Für einen raschen Ausbau spricht das nicht. Genau den bräuchte aber der Bund, will er seine Ziele nicht schon wieder reißen. Bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte mit 5G-Geschwindigkeit im mobilen Netz unterwegs sein können. Leider hat man derartige Versprechen schon zu oft gehört, um noch daran zu glauben. Ohnehin ist eine Versorgung „bis zur letzten Milchkanne“nicht das Nonplusultra. 5G ist in erster Linie ein Thema für die Industrie, etwa um in der Produktion Maschinen und Roboter zu vernetzen. Dafür reicht es, ein 5G-Netz nur über dem Firmenstandort aufzuspannen. Ein solches „Campus“-Netz entsteht derzeit in unserer Region, das erste seiner Art, bei Osram in Schwabmünchen.
Solche punktuellen Lösungen sind intelligent, der zähe Bieterkampf um die Fläche ist es nicht. Erfolgversprechender wäre es, der Staat nähme die Netze selbst in die Hand: Er sollte die eine Infrastruktur schaffen, auf der Anbieter dann beliebig konkurrieren können. Deutschland muss endlich begreifen, dass Daten im Jahr 2019 genauso zur Grundversorgung gehören wie Strom und Wasser.
Der Staat muss die Netze selbst in die Hand nehmen