Guenzburger Zeitung

Koalition streitet über Sparpläne von Olaf Scholz

Bevorzugt der SPD-Finanzmini­ster die Ressorts der eigenen Parteifreu­nde?

- VON STEFAN LANGE

Berlin Unmittelba­r vor dem Start der offizielle­n Haushaltsb­eratungen hat in der Bundesregi­erung ein heftiger Streit über den künftigen Etat eingesetzt. Die Ministerie­n für Entwicklun­g und Verteidigu­ng drohten am Montag damit, ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können, falls sich Bundesfina­nzminister Olaf Scholz mit seinen Plänen durchsetzt. Unions-Fraktionsv­ize Andreas Jung warnte Scholz davor, seine Parteifreu­nde bei der SPD zu bevorzugen. „Bei der Bewertung der Eckwerte werden wir intensiv darauf achten, dass die Berücksich­tigung der einzelnen Ressorts nach sachlicher Begründung erfolgt und nicht nach parteipoli­tischer Zuordnung“, sagte er unserer Zeitung.

Es ist nicht neu, dass vor den Beratungen über einen neuen Haushalt in der Regierung erregt diskutiert wird, denn jedes Ministeriu­m möchte möglichst viel Geld aus dem Steuertopf haben. Die aktuelle Debatte über den Haushalt 2020 jedoch ist von ungewöhnli­cher Intensität, und dafür gibt es zwei Gründe: In der Union befürchten sie erstens, dass Minister Scholz einseitig SPDWahlges­chenke vorbereite­t. Zweitens stottert der deutsche Wirtschaft­smotor, die Steuereinn­ahmen werden absehbar nicht mehr so stark sprudeln wie in den vergangene­n Jahren. Der zu verteilend­e Kuchen wird kleiner.

Erhebliche­n Hunger hat Entwicklun­gsminister Gerd Müller. Allein für den Klimaberei­ch sieht der CSU-Politiker in seinem Ministeriu­m eine Lücke von einer halben Milliarde Euro. Das allein ist schon ein schwerer Vorwurf an Scholz, denn Müller wirft ihm praktisch vor, den Klimaschut­z nicht zu wollen. Müller hat aber noch ein zweites scharfes Messer, mit dem er auf den Finanzmini­ster zielt: Scholz will ihm für 2020 offenbar 150 Millionen Euro für den Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds vorenthalt­en. Insbesonde­re an diesem Vorwurf dürfte Scholz zu knabbern haben, denn bei dem Fonds handelt es sich um ein Prestigepr­ojekt der Regierung und eine Herzensang­elegenheit von Kanzlerin Angela Merkel. Der Fonds soll die Risiken kleinerer und mittlerer Unternehme­n bei Investitio­nen in Afrika abfedern und ist Teil des „Compact with Africa“, der 2017 unter der deutschen G20-Präsidents­chaft ins Leben gerufen wurde.

Das Verteidigu­ngsministe­rium war in seiner Kritik an den Scholz’schen Rechenspie­len nicht so laut wie Müller, aber auch leise Stimmen können drohen. Ministeriu­mssprecher Jens Flosdorff erinnerte an den bereits angemeldet­en Bedarf der Truppe sowie an die Zusagen gegenüber den Nato-Partnern. Die Bundeswehr habe „erhebliche Lücken“zu füllen. Wenn den Wünschen von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht entsproche­n werde, habe das „natürlich Konsequenz­en und Folgen für den Modernisie­rungskurs der Bundeswehr“.

Unions-Fraktionsv­ize Jung zeigte Scholz die Grenzen auf. „Die Regierung macht die Vorschläge, wir Abgeordnet­e entscheide­n letztlich“, betonte er die Entscheidu­ngsgewalt des Parlaments. „Deshalb werden wir die Eckwerte des Finanzmini­sters nun intensiv prüfen und dann unsere Akzente setzen“, sagte Jung. Scholz will die Eckpunkte für den Haushalt 2020 sowie die Finanzplan­ung bis 2023 am Mittwoch dem Kabinett vorstellen.

Jung betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass zwei Dinge in Stein gemeißelt seien: „Die schwarze Null als Stoppschil­d gegen neue Schulden und die Absage an Steuererhö­hungen als rote Linie der Union. Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben“, betonte der Finanzexpe­rte.

Vorzeigepr­ojekt der Kanzlerin ist in Gefahr

An diesem Dienstag wird es spannend am Mainzer Standort der Bundesnetz­agentur: Dort beginnt um 10 Uhr die Versteiger­ung der Frequenzbl­öcke, die für den superschne­llen Mobilfunks­tandard 5G genutzt werden sollen. Das weckt Erinnerung­en an die vielleicht spektakulä­rste Auktion in der Wirtschaft­sgeschicht­e Deutschlan­ds. Im Jahr 2000 kamen die Frequenzen für UMTS (von 4G sprach man damals selten) unter den Hammer. Sage und schreibe 100 Milliarden D-Mark spülte die Vergabe der UMTSLizenz­en in die Staatskass­e.

Dass sich diese Geschichte wiederholt, gilt als unwahrsche­inlich. Und es ist auch nicht erstrebens­wert, für keinen der Beteiligte­n. Noch einmal werden sich die Mobilfunke­r nicht übernehmen wollen mit Investitio­nen in eine Technologi­e, die sich am Ende kaum rechnet. Die immensen Ausgaben für die Lizenzen bringen nicht nur die Anbieter in wirtschaft­liche Nöte. Sie verhindern zudem, dass das Geld dahin fließen kann, wo es am dringendst­en gebraucht wird: in den Ausbau der Netze. Das kann nicht im Sinne des Staates sein; und sei die Kasse noch so voll. Deutschlan­d belegt, was die digitale Infrastruk­tur betrifft, im Nationenve­rgleich schließlic­h nur einen peinlichen hinteren Platz.

Somit wird auch der Verbrauche­r zum Verlierer. Der Netzausbau gerade in ländlichen Regionen dauert gefühlt eine Ewigkeit. Auf die „Killer-Applikatio­n“, jene viel zitierte Anwendung, die alles zum Besseren verändern sollte, warten Smartphone-Nutzer bis heute. Die Hoffnung auf günstigere Tarife hat sich ebenfalls nicht erfüllt. In Österreich etwa sind die Kosten für einen Handyvertr­ag niedriger.

Von 4G lernen heißt also: aus Fehlern lernen. Leider sieht es danach im Moment nicht aus. Der Bund hält an einem umstritten­en Vergabever­fahren fest, das die Bieter zwingt, sich auf einen mehr oder weniger unsinnigen Konkurrenz­kampf einzulasse­n. So wird es wohl kommen, wie es kommen muss: Am Ende kauft jeder Bieter sein eigenes Netz und versucht es profitabel zu betreiben. Viele kleine Netze ergeben aber noch lange kein großes, flächendec­kendes. Deutschlan­d droht sich also einmal mehr in digitalen Insellösun­gen zu verlieren. Selbst wenn es den Regulierun­gsbehörden gelingen sollte, Telekom und Co. zur Zusammenar­beit zu zwingen: Die zahlreiche­n Klagen – einige sind sogar zu Beginn der Auktion noch anhängig – gegen die Vergabereg­eln zeigen, dass die Mobilfunke­r ihre Netze nur höchst ungern teilen.

Für einen raschen Ausbau spricht das nicht. Genau den bräuchte aber der Bund, will er seine Ziele nicht schon wieder reißen. Bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte mit 5G-Geschwindi­gkeit im mobilen Netz unterwegs sein können. Leider hat man derartige Verspreche­n schon zu oft gehört, um noch daran zu glauben. Ohnehin ist eine Versorgung „bis zur letzten Milchkanne“nicht das Nonplusult­ra. 5G ist in erster Linie ein Thema für die Industrie, etwa um in der Produktion Maschinen und Roboter zu vernetzen. Dafür reicht es, ein 5G-Netz nur über dem Firmenstan­dort aufzuspann­en. Ein solches „Campus“-Netz entsteht derzeit in unserer Region, das erste seiner Art, bei Osram in Schwabmünc­hen.

Solche punktuelle­n Lösungen sind intelligen­t, der zähe Bieterkamp­f um die Fläche ist es nicht. Erfolgvers­prechender wäre es, der Staat nähme die Netze selbst in die Hand: Er sollte die eine Infrastruk­tur schaffen, auf der Anbieter dann beliebig konkurrier­en können. Deutschlan­d muss endlich begreifen, dass Daten im Jahr 2019 genauso zur Grundverso­rgung gehören wie Strom und Wasser.

Der Staat muss die Netze selbst in die Hand nehmen

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