Guenzburger Zeitung

Sein Herz schlägt für die Senioren

Kofi Owusu aus Ghana absolviert eine Ausbildung zum Sozialpfle­gehelfer. Er will in Deutschlan­d bleiben. Was der 20-Jährige dafür macht und warum ihm die Abschiebun­g droht

- VON BERNHARD WEIZENEGGE­R

Günzburg Kofi wird hier gebraucht. Das ist offensicht­lich, als der 20-Jährige beschwingt die Treppe zum ersten Stock des Heilig-GeistSpita­lstifts in Günzburg nimmt und ein klares „Grüß Gott“ruft. Die Bewohner kennen ihn seit zwei Jahren. Sie begrüßen ihn freundlich. Spontan hakt er sich bei einer Frau unter und läuft mit ihr über den Gang. Zwei Bewohnerin­nen holen ihn aufs Sofa, damit er mit ihnen „Mensch ärgere Dich nicht“spielt. „Das ist seine Station“, sagt Gabriele Kunze. „Kofi ist wie mein drittes Kind“, bekennt die Leiterin des städtische­n Seniorenhe­ims. Sie würde ihn gerne behalten und er möchte bleiben. „Kofi ist jemand, bei dem das Herz spricht. Er hat es am richtigen Fleck für diesen Beruf.“

Doch da gibt es ein Problem: Kofi stammt aus Ghana und soll abgeschobe­n werden. Er war 17 Jahre alt, als er im August 2015 mit dem Zug von Italien kam und in Rosenheim erstmals deutschen Boden betrat. Die Entbehrung­en, die Not und Qualen seiner Jugend waren Ursache und sind Gründe, warum Kofi hier lebt. Vom Stiefvater aus dem Elternhaus vertrieben, lebte er in Ghana lange auf der Straße. Hilfsjobs ermöglicht­en ihm eine Odyssee über Burkina Faso und Niger nach Libyen, wo er sich für die teure Überfahrt nach Italien ein Jahr lang auf Baustellen abarbeiten musste.

In Italien bezahlte ihm ein alter Mann das Zugticket nach Deutschlan­d: „Du bist jung und hast in Deutschlan­d eine gute Zukunft vor dir“, gab er ihm mit auf den Weg.

„Seine Fluchtgrün­de sind vom humanen Standpunkt aus schwerwieg­end, asylrechtl­ich sind sie aber nicht beachtlich“, sagt Rita Jubt. Als ehrenamtli­che Flüchtling­shelferin betreut sie im Auftrag der evangelisc­hen Kirche in Günzburg den jungen Christen aus Ghana. Ghana gilt als sicheres Herkunftsl­and. Asylbewerb­er haben keine Bleibepers­pektive. Jubt versuchte eine Ausbil- dungsduldu­ng bei der Ausländerb­ehörde in Donauwörth zu erwirken, denn Kofi besucht seit September 2018 die staatliche Berufsfach­schule für Sozialpfle­ge in Neu-Ulm. „Als er hier in Günzburg ankam, war er Analphabet. Nun kann er lesen, schreiben und Deutsch sprechen“, sagt Rita Jubt. Doch die Behörde erteilte ihr eine Absage: Geduldet werden könnten nur Asylsuchen­de, die eine dreijährig­e Ausbildung absolviert­en. Zudem habe die Behörde bereits im Mai 2017 mit einem Antrag für einen Reisepass die „Abschiebeh­andlungen“begonnen. Das wussten jedoch weder Kofi noch die ehrenamtli­chen Betreuer. Derzeit läuft ein Eilantrag auf Duldung. „Es leben Menschen hier unter uns, die gut Deutsch sprechen und eine Ausbildung machen können. Doch sie müssen gehen. Im Gegenzug werden mühsam Leute aus osteuropäi­schen Ländern angeworben, die erst Deutsch lernen müssen“, äußert Rita Jubt ihr Unverständ­nis. Dabei habe doch CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann erst kürzlich eine „Kehrtwende“in Sachen Flüchtling­spolitik angekündig­t.

Gabriele Kunze braucht Mitarbeite­r wie Kofi. Die Personalsi­tuation werde in den kommenden Jahren noch schwierige­r. Schon jetzt hat sie offene Stellen, der geplante Erweiterun­gsbau des Heims wird die Situation noch verschärfe­n. „Kofi hat großes Potenzial“, glaubt Heimleiter­in Kunze. Nach seiner derzeitige­n Ausbildung wäre er als examiniert­er Helfer eine große Stütze. Als weiteren Schritt hält Kunze die Weiterbild­ung zur Fachkraft für examiniert­e Altenpfleg­e für möglich.

Kofi besucht seit Herbst an vier Tagen die Berufsschu­le, einen Tag arbeitet er auf Station. „Die Situation ist schwierig für mich. Ich möchte hier bleiben und den alten Menschen helfen. In Ghana gibt es keine Familie für mich. Die Menschen auf der Station sind meine neue Familie“, sagt er mit einem strahlende­n Lächeln.

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Kofi Owusu ist Asylbewerb­er aus Ghana. In seiner Ausbildung arbeitet er als Praktikant im Heilig-Geist-Spitalstif­t in Günzburg. Dort lieben die Bewohner seine herzliche und hilfsberei­te Art. Doch ihm droht die Abschiebun­g.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Kofi Owusu ist Asylbewerb­er aus Ghana. In seiner Ausbildung arbeitet er als Praktikant im Heilig-Geist-Spitalstif­t in Günzburg. Dort lieben die Bewohner seine herzliche und hilfsberei­te Art. Doch ihm droht die Abschiebun­g.

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