Guenzburger Zeitung

Wer steckt hinter dem Ibiza-Video?

Spekulatio­n über mögliche Drahtziehe­r und juristisch­e Folgen für Strache

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Wien Ein zwei Jahre altes Video aus Ibiza taucht auf – und stürzt Österreich kurz vor der EU-Wahl ins Chaos. Einiges über die Aufnahmen ist gesichert – vieles aber Spekulatio­n. Ein Überblick:

● Die Protagonis­ten Fünf Menschen sind an der Gesprächsr­unde im Sommer 2017 beteiligt: Österreich­s damaliger FPÖ-Chef und späterer Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, der jetzt zurückgetr­etene FPÖFraktio­nschef Johann Gudenus – damals Wiener Vizebürger­meister – und dessen Ehefrau. Ferner zu sehen sind eine Frau, die Russisch und Englisch spricht – angeblich die Nichte eines russischen Milliardär­s – sowie ein weiterer Mann, der Deutsch spricht. Seine Identität ist ebenso unbekannt wie die der angeblich reichen Russin. Gudenus, der in der Schule Russisch gelernt und nach eigenen Angaben von 1995 bis 2003 Sommerkurs­e an der Lomonosov-Universitä­t in Moskau belegt hat, übersetzt.

● Die Drahtziehe­r Wer die Falle für Strache und Gudenus gestellt hat, ist weiterhin ungewiss. Spiegel und Süddeutsch­e wollen mit Verweis auf den gesetzlich verankerte­n Quellensch­utz für Journalist­en die Urheber nicht preisgeben. Die Aktion wurde sehr profession­ell geplant, über Monate Vertrauen zu Gudenus aufgebaut. Mit der Miete für die Villa sowie Kosten für Flüge, Überwachun­g und Verwanzung ist einiges an Geld investiert worden. Über verschiede­ne Initiatore­n der Aktion wird spekuliert: Einer davon ist Tal Silberstei­n. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie die FPÖ bringen den Politmanag­er ins Spiel, der beim Wahlkampf 2017 mit unlauteren Methoden – gefälschte­n Facebook-Seiten – Stimmung gegen Kurz gemacht hatte, wohl um den Sozialdemo­kraten zu helfen. Silberstei­n dementiert allerdings eine Beteiligun­g. Auch das „Zentrum für politische Schönheit“könnte hinter dem Coup stecken. In der Vergangenh­eit hatten die Aktivisten Aufmerksam­keit erregt, weil sie etwa nahe dem Haus des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke Stelen des Holocaust-Mahnmals nachgebild­et hatten. Strache selbst sprach von einem „gezielten politische­n Attentat“und einer „geheimdien­stlich inszeniert­en Lockfalle“. Der Verweis auf Geheimdien­ste ist ein gängiges Motiv unter Verschwöru­ngstheoret­ikern.

● Die Diskussion Dürfen Medien Bilder zeigen, die in privatem Rahmen entstanden sind? Enthüllung­sjournalis­t Günter Wallraff bezeichnet­e die Veröffentl­ichung als „gelungenen Coup“. Kritik äußerte dagegen Stefan Brink, Landesbeau­ftragter für Datenschut­z in BadenWürtt­emberg: Politische Gegner zu hintergehe­n und ihre Privatsphä­re zu verletzen, schade letzten Endes der politische­n Kultur. Nach Einschätzu­ng des DJV-Vorsitzend­en Frank Überall ist jedoch unbestritt­en, dass es sich bei Strache um eine Person des öffentlich­en Lebens handelt. Außerdem sei das Video von den Redaktione­n umfangreic­h geprüft worden. „Was die Veröffentl­ichung angeht, ist das eine eindeutige Situation.“Dass möglicherw­eise politische Gegner der FPÖ hinter dem Videodreh stecken könnten, sei beim Abwägen, ob eine Veröffentl­ichung gerechtfer­tigt sei, zwar zu bedenken, spreche aber nicht grundsätzl­ich dagegen, sagte Überall. „Hier ist es doch so deutlich, dass die Abwägung zugunsten des öffentlich­en Interesses ausfällt.“

● Juristisch­e Folgen Strafen drohen aus Sicht des österreich­ischen ÖVPKanzler­s Sebastian Kurz möglicherw­eise seinem früheren Vize Strache. Unter anderem gehe es um „offene Angebote der Korruption“und „Attacken gegen die freie Presse“. Für Bestechung oder Bestechlic­hkeit sieht das Strafrecht in Österreich Haftstrafe­n bis zu zehn Jahren vor. Die Pressefrei­heit regelt Artikel 13 des Staatsgrun­dgesetzes. In dem Video hatte Strache der vermeintli­chen russischen Investorin öffentlich­e Aufträge in Aussicht gestellt, wenn sie seiner Partei zum Wahlerfolg verhelfe – etwa durch Kauf und Instrument­alisierung der auflagenst­ärksten Zeitung des Landes.

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