Guenzburger Zeitung

Szenarien für den Iran-Krieg

US-Präsident Donald Trump droht mit „Vernichtun­g“. Teheran will mit Raketen antworten

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Irgendwo südlich der irakischen Hauptstadt Bagdad zündelten Unbekannte am Sonntag an einem weltpoliti­schen Konflikt: Sie schossen eine Katjuscha-Rakete auf die schwer gesicherte „Grüne Zone“in Bagdad ab, wo sie etwa nahe der amerikanis­chen Botschaft einschlug. Verletzt wurde niemand, doch im fernen Washington griff US-Präsident Donald Trump zu seinem Handy, um per Twitter eine Drohung an den Iran als mutmaßlich­en Drahtziehe­r zu senden: Sollte Teheran den Kampf suchen, wäre dies „das offizielle Ende des Iran“. An der militärisc­hen Überlegenh­eit der USA besteht kein Zweifel – doch ein Spaziergan­g wäre ein Krieg für die Amerikaner nicht.

Schon in normalen Zeiten sind mehrere zehntausen­d amerikanis­che Soldaten sowie starke Marine- und Luftwaffen­einheiten westlich des Iran in amerikanis­chen Partnerlän­dern vom Irak bis nach Saudi-Arabien stationier­t. Auch in Afghanista­n, dem östlichen Nachbarn der Iraner, stehen amerikanis­che Truppen. Trump hat die US-Militärprä­senz am Persischen Golf in jüngster Zeit zusätzlich durch einen Flugzeugtr­äger-Verband und eine Bomberstaf­fel verstärkt. Pläne des Pentagon sehen laut Medienberi­chten die Entsendung weiterer 120 000 amerikanis­cher Soldaten an den Golf vor, wenn der Iran amerikanis­che Einrichtun­gen angreifen sollte.

US-Regierungs­vertreter sprachen in den vergangene­n Wochen von Anzeichen einer solchen iranischen Aggression und sehen sich durch die Anschläge auf vier Öltanker im Golf – die laut US-Einschätzu­ng von iranischen Marinetauc­hern verübt worden sein könnten – und Drohnenang­riffe in Saudi-Arabien bestätigt. Die Drohnen wurden von den Huthi-Rebellen im Jemen abgefeuert, die enge Partner der Regierung in Teheran sind.

Die Führung des Emirats Kuwait hält einen neuen Krieg am Golf für sehr wahrschein­lich. In Saudi-Arabien fordert eine regierungs­treue Zeitung angesichts des iranischen Verhaltens gezielte Luftschläg­e der USA gegen iranische Einrichtun­gen. Die saudische Führung gehört zu den schärfsten Gegnern der Iraner und will bei einer Konferenz in Mekka am 30. Mai eine Allianz möglichst vieler islamische­r Staaten gegen den Iran schmieden. Auch Israels Regierung will den Iran militärisc­h schwächen. Die Luftwaffe hat mehrmals iranische Militärein­richtungen in Syrien angegriffe­n.

Selbst ohne Unterstütz­ung durch regionale Partner könnte die Supermacht USA iranische Regierungs­stellen, militärisc­he Befehlszen­tralen und auch Atomanlage­n mit Luftangrif­fen in Schutt und Asche legen. Hardliner in den USA sind zuversicht­lich, dass die amerikanis­chen Militärs kurzen Prozess mit den Iranern machen könnten. Nicht alle sind sich da so sicher. Wie das USMagazin Newsweek meldete, simulierte­n amerikanis­che Generäle im Jahr 2015 einen Konflikt am Golf – die Iraner siegten in dem Kriegsspie­l über die USA. In der Simulation griffen die Iraner mit Marschflug­körpern an, schalteten ein Raketenabw­ehrsystem der USA aus und versenkten viele Kriegsschi­ffe.

Teheran hat rund eine halbe Million Soldaten und ein beachtlich­es Raketen-Arsenal. Kurzstreck­enraketen könnten „leicht“amerikanis­che Schiffe am Golf erreichen, sagte Mohammed Saleh Jokar, ein Vizechef der iranischen Revolution­sgarden, vor wenigen Tagen.

Der Iran würde voraussich­tlich nicht nur mit konvention­ellen Waffen zuschlagen, sondern auch mit „asymmetris­chen“Mitteln, also mit nadelstich­artigen Angriffen, Anschlägen und anderen Aktionen. Eine wichtige Rolle dabei könnten pro-iranische Milizen spielen, die im Irak, in Syrien oder im Libanon amerikanis­che oder andere westliche Ziele angreifen könnten. Auch könnte der Iran versuchen, die Straße von Hormuz im Persischen Golf mithilfe von Minen zu sperren und damit die Schifffahr­t in diesem Nadelöhr des internatio­nalen Ölhandels lahmzulege­n.

Offiziell sagt die Trump-Regierung, sie wünsche sich einen Iran, der sich verhalte wie ein „normales Land“und zu Gesprächen über striktere Atom-Auflagen bereit sei. Doch Verhandlun­gen unter dem Druck von US-Sanktionen und Luftangrif­fe wären politische­r Selbstmord für die iranische Führung. Sie würde in einem Konflikt mit den USA um das eigene Überleben kämpfen und alle Mittel einsetzen – ein Krieg wäre deshalb nur schwer zu begrenzen.

 ?? Foto: Brian M. Wilbur/U.S. Navy/AP/dpa ?? Unterwegs in die Konflikt-Region: der US-Flugzeugtr­äger Abraham Lincoln im Arabischen Meer.
Foto: Brian M. Wilbur/U.S. Navy/AP/dpa Unterwegs in die Konflikt-Region: der US-Flugzeugtr­äger Abraham Lincoln im Arabischen Meer.

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