Kassen müssen Bluttest auf Trisomie 21 zahlen
Untersuchung wird aber nur für Risiko-Schwangere übernommen
Berlin Der Test ist einfach, doch die Entscheidung war umso schwieriger. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, gesetzlichen Kassen und Kliniken erlaubt künftig, dass der ethisch höchst umstrittene Bluttest auf Downsyndrom des ungeborenen Kindes künftig von den Krankenkassen gezahlt werden muss. Allerdings soll der Test ausdrücklich keine Standardleistung sein, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen übernommen werden: Kassenleistung ist der Pränataltest nur für Frauen, bei denen der Arzt eine Risikoschwangerschaft feststellt.
Durch die „sehr engen Voraussetzungen“werde klar und eindeutig geregelt, dass der Bluttest nicht als ethisch unvertretbares „Screening“eingesetzt werde, sagt der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. Die Beratung durch den Arzt soll „ausdrücklich ergebnisoffen“sein. Dabei soll auch auf das jederzeitige „Recht auf Nichtwissen“von Testergebnissen hingewiesen werden. In Anspruch genommen werden kann die neue Kassenleistung aber noch nicht so schnell. Zunächst muss – voraussichtlich Ende 2020 – der G-BA noch beschließen, wie eine dazugehörige Infobroschüre ausgestaltet werden soll. Auch das Gesundheitsministerium muss die Beschlüsse wie üblich billigen.
Der Test ist für Mutter und Kind ungefährlich: Im Blut der werdenden Mutter finden sich außer ihrer eigenen DNA auch Bruchstücke des kindlichen Erbguts, anhand derer sich ermitteln lässt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 ist. Menschen mit Downsyndrom haben in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere, also 47 statt 46. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden. Bis vor wenigen Jahren war eine Bestimmung einer Trisomie nur mithilfe einer Entnahme von Mutterkuchengewebe ab der zwölften Schwangerschaftswoche oder einer Fruchtwasseruntersuchung ab der 16. Schwangerschaftswoche möglich. Diese Tests werden von der Kasse bezahlt. Auf dem Markt ist der Bluttest seit 2012, allerdings musste er privat bezahlt werden. Die Kosten für den Pränataltest etwa der Firma Lifecodexx liegen bei 129 Euro. Die Testgenauigkeit soll 99,8 Prozent betragen. Zur Absicherung müssen weitere Tests vorgenommen werden.
In Deutschland wird etwa eines von 800 Kindern mit Downsyndrom geboren, die Wahrscheinlichkeit nimmt mit dem Alter der Mutter zu. Im Schnitt sind Frauen beim ersten Kind heute 29,6 Jahre alt – 1980 waren sie noch 25,2 Jahre alt. Befürchtet wird, dass durch den Bluttest die Zahl der Abtreibungen ansteigen könnte. Stephan Pilsinger, CSUAbgeordneter und Arzt, sagt: „Für mich war das eine ganz schwierige Abwägung, denn manche Quellen sagen, dass 90 Prozent der Mütter nach der Diagnose ein behindertes Kind abtreiben.“Trotzdem unterstützt er die Entscheidung. „Denn die Fruchtwasseruntersuchung ist viel riskanter.“Pilsinger fordert allerdings zugleich, Familien mit behinderten Kindern stärker zu unterstützen. Unter anderem spricht er von höheren Rentenansprüchen und einer verlängerten Elternzeit. Marcus Graubner, Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes, betont: „Die Entscheidung, ob ein behindertes Kind auf die Welt kommt oder nicht, muss immer bei den Frauen verbleiben.“Auch Claudia Wiesemann vom Deutschen Ethikrat begrüßt den Beschluss. Nur wenn Voruntersuchungen Anhaltspunkte auf Trisomie 21 lieferten, sei der Test sinnvoll. „Man würde sonst zu viele junge Frauen durch ein positives Testergebnis unnötig beunruhigen“, sagt die Medizinethikerin. „Deshalb ist auch die begleitende Beratung so wichtig, um die Bedeutung des Testergebnisses richtig einzuschätzen.“» Kommentar