Guenzburger Zeitung

Wer hat Angst vor der CO2 -Steuer?

Eine mögliche direkte Abgabe auf jeden klimaschäd­lichen Brennstoff ist der am härtesten umstritten­e Punkt zwischen Union und SPD. In Schweden ist die Steuer seit fast 30 Jahren Realität. Wie gehen die Bürger damit um?

- VON SARAH RITSCHEL

Stockholm Als die CO -Steuer in 2 Schweden eingeführt wurde, kostete eine Tonne Kohlendiox­id etwas mehr als eine Portion Köttbullar mit Kartoffelp­üree und Bier in einem durchschni­ttlichen Stockholme­r Restaurant: Umgerechne­t 26 Euro Steuern musste ein schwedisch­er Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoff­e bezahlen. Das war 1991. Seitdem wurde die Steuer mehrfach angehoben. Heute hat Schweden den mit Abstand höchsten Abgabensat­z der Welt. Eine Tonne fossilen Kohlenstof­fs wird mit 120 Euro besteuert. Privatleut­e werden genauso zur Kasse gebeten wie Wirtschaft­sunternehm­en – und die Akzeptanz in der Bevölkerun­g ist riesig.

Die Abgabe in Schweden berechnet sich relativ unkomplizi­ert. Es gibt feste Steuersätz­e für jeden Brennstoff, die sich aus seinem durchschni­ttlichen CO -Gehalt er2 geben. Je schmutzige­r, desto höher die Steuer. Dabei ist es egal, ob zum Beispiel Kohle die Produktion eines Industrieu­nternehmen­s anheizt oder in den Kachelofen eines Privatbürg­ers wandert. Genau das ist es, wovor in Deutschlan­d insbesonde­re die Union in den Verhandlun­gen über ihr Klimapakt am meisten Angst hat: die Bürger gegen sich aufzuwiege­ln und ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Freiheiten eingeschrä­nkt sind.

Kaisa Amaral hat untersucht, wie eine für jeden Bürger akzeptable CO -Steuer aufgebaut sein müsste. 2 Ihre unabhängig­e Organisati­on Carbon Market Watch mit Sitz in Brüssel vergleicht, wie europäisch­e Länder ihre CO -Bepreisung gestalten. 2 Sie nennt zwei Kriterien dafür, dass die Klimasteue­r funktionie­ren kann: Transparen­z und öffentlich­e Teilhabe. Die Steuer darf ihr zufolge nicht hinter verschloss­enen Bürotüren konzipiert werden. „Man muss die Bürger mitnehmen, sie teilhaben lassen“, sagt Amaral. Außerdem sollten Steuerzahl­er genau wissen, wie der Staat die Einnahmen reinvestie­re – und das Gefühl haben, dass die Steuer gerecht verteilt ist. „Es hilft, wenn die Erträge für Projekte genutzt werden, die das Leben der Leute erleichter­n.“

Schweden etwa senkte, analog zum steigenden CO -Preis, die Ge2 werbesteue­r für Unternehme­n und die Einkommens­teuer, vor allem für Angestellt­e mit mittleren und niedrigen Löhnen. 2018 spülte die CO -Abgabe rund 2,2 Milliarden 2 Euro in die schwedisch­e Staatskass­e. Ein Großteil davon wird wieder klimafreun­dlich investiert, vor allem in den öffentlich­en Nahverkehr und in Förderprog­ramme, die energetisc­he Sanierunge­n unterstütz­en. Wenn die Politik verdeutlic­hen könne, wie mit den Steuergeld­ern der landesweit­e Klimaschut­z refinanzie­rt werde, bringe das eine noch größere Akzeptanz, sagt Steuerexpe­rtin Amaral.

Eins zu eins vergleiche­n kann man Schweden und Deutschlan­d nicht. Eine Klimasteue­r stößt in dem skandinavi­schen Land auf weit geringere Widerständ­e der Wirtschaft. Schweden hat keine eigenen Kohle- und Gasvorkomm­en, die Heizstoffe sind Importgüte­r. Eine Kohle-Lobby, die öffentlich­keitswirks­am aufbegehrt, gibt es kaum. Und die zehn Millionen Bürger im spärlich besiedelte­n Schweden gelten traditione­ll als besonders umweltbewu­sst.

Svante Mandell, Leiter der Abteilung Umwelt an Schwedens Nationalem Institut für Wirtschaft­sforschung, nennt noch einen entscheide­nden Unterschie­d zu Deutschlan­d: „Schweden hatte schon 1991 einen Energie-Mix, der zum großen Teil nicht auf fossilen Kraftstoff­en basierte.“Das habe die Einführung der CO -Steuer erleichter­t. In 2 Deutschlan­d speiste sich der Mix 2018 noch zu 60 Prozent aus konvention­ellen Trägern wie Kohle, Öl, Gas und Kernkraft – wobei sich auch hierzuland­e die Anteile zuletzt in Richtung erneuerbar­er Energien verschoben haben.

Das schwedisch­e Brutto-Inlandspro­dukt hat sich Anfang der neunziger Jahre um 75 Prozent erhöht – trotz Klimasteue­r. Wirtschaft­sforscher Mandell legt aber Wert darauf, eins nicht zu verschweig­en: „Firmen, die auf dem internatio­nalen Markt aktiv sind, bekommen teils erhebliche Steuererle­ichterunge­n, um ihre Wettbewerb­sfähigkeit nicht zu verletzen.“

Einer der entscheide­nden Faktoren, um die EU-Klimaziele zu erreichen, ist der Straßenver­kehr. In Deutschlan­d nahmen die Emissionen laut Umweltbund­esamt seit Mitte der 90er Jahre um 20 Prozent zu, in Schweden liegen sie um die zehn Prozent niedriger als damals. Ökonomen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft machen dafür in einer neuen Studie aber „nicht per se“die Klimasteue­r verantwort­lich. Mitentsche­idend ist ihrer Meinung nach, dass den Schweden seit vielen Jahren CO -freier Biosprit 2 zur Verfügung gestellt wird, im Lauf der Jahrzehnte auch zunehmend steuerlich gefördert.

Der schwedisch­e Wirtschaft­sforscher Svante Mandell hingegen nennt als Ursache für sinkende Emissionen auf den Straßen, dass ein Großteil seiner Landsleute heute energieeff­iziente Autos fahre. Er ist sich sicher, dass unter anderem die CO -Steuer das Klimabewus­stsein 2 der Schweden erhöht hat. Heute heize etwa nahezu kein Schwede mehr mit Öl. Mehr als 90 Prozent der Haushalte nutzen Fernwärme. „Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass in Deutschlan­d ähnliche Effekte auftreten würden.“

 ?? Foto: Christoph Driessen, dpa ?? Stockholme­r Stadtkulis­se: Umgerechne­t 26 Euro Steuern musste ein schwedisch­er Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoff­e bezahlen.
Foto: Christoph Driessen, dpa Stockholme­r Stadtkulis­se: Umgerechne­t 26 Euro Steuern musste ein schwedisch­er Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoff­e bezahlen.

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