Guenzburger Zeitung

Die Regierung hat erst die Hälfte zusammen

Der Entwurf des Klimapaket­s zeigt, dass die Maßnahmen nur einen Teil der nötigen CO -Einsparung­en brächten

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Als sich Minister und Kanzlerin am Donnerstag­abend zur Rettung des Klimas versammelt­en, lag eine Mammutaufg­abe vor ihnen. Denn ihre Beamten und Experten hatten nur eine ungenügend­e Grundlage, noch dazu mit einer großen Lücke, vorbereite­t: Der Entwurf des Klimaschut­zplans, der unserer Redaktion vorliegt, deckt nur rund die Hälfte des bis 2030 einzuspare­nden Kohlendiox­ids ab. Es war an der Regierungs­mannschaft, die andere Hälfte der Ideen zu liefern, wie Deutschlan­d seinen Ausstoß an Treibhausg­asen drücken kann. Wegen der großen Lücke wurde per se nicht mit einer schnellen Einigung gerechnet, weshalb am Freitag weiterverh­andelt wird.

Im Jahr 2030 will die Bundesrepu­blik 300 Millionen Tonnen weniger CO in die Luft blasen als heute. In dem Papier mit Stand Montagaben­d finden sich aber nur Vorschläge für 125 bis 150 Millionen Tonnen. „Der Freitag wird ein schwarzer Freitag für den deutschen Klimaschut­z. Der vorliegend­e Entwurf ist der niederschm­etternde Beleg für den Klimastill­stand der Großen Koalition“, kritisiert­e der Klimaexper­te der Linken, Lorenz Gösta Beutin, die Arbeit von Schwarz-Rot.

CDU-Kanzlerin Angela Merkel hatte die Devise ausgegeben: Alles, nur kein „Pillepalle“. Vor allem im Verkehrsbe­reich wird das mit Zumutungen verbunden sein, wie die Koalition in ihrem Klimaschut­zplan einräumt. Die deutliche Senkung des Ausstoßes an Treibhausg­asen wird „an die Grenzen der absehbaren technische­n Machbarkei­t und der gesellscha­ftlichen Akzeptanz gehen“, wie es in dem Dokument heißt.

Die bisher versammelt­en Vorschläge, wie zum Beispiel die Stärkung der Bahn, deutlich mehr Busse auf den Straßen, Förderung von Elektroaut­os, Steueraufs­chlag für Spritschlu­cker und höhere Preise für das Fliegen, reichen aber bei weitem noch nicht aus. Die geplanten Schritte bringen höchstens eine Einsparung zwischen 15 bis 25 Millionen Tonnen. Nötig wären aber 60 Millionen in diesem Sektor.

Für die Grünen ist der bekannt gewordene Aufschlag zu schwach. „Das, was bisher auf dem Tisch liegt, ist eher ein Schmalspur-Konzept“, sagte Vize-Fraktionsc­hef Oliver Krischer unserer Redaktion. Es wimmele nur so von Forschungs­vorhaben und Ankündigun­gen, „dass man sich demnächst auf etwas einigen wird“.

Noch keine Einigung zwischen SPD und Union gibt es im zentralen Streitpunk­t. Beide Lager wollen den CO -Ausstoß im Verkehrsbe­reich und beim Heizen von Gebäuden teurer machen, damit sich die Verbrauche­r ein umweltfreu­ndliches Auto kaufen oder eine alte Heizung austausche­n lassen.

Der Entwurf des 140 Seiten starken Katalogs lässt den Punkt offen, ob das über höhere Steuern auf Öl, Gas und Sprit (SPD) oder über einen Handel mit Luftversch­mutzungsre­chten erreicht werden soll (CDU/ CSU). Damit verbunden ist die Frage, wie soziale Härten vermieden werden können. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) plant eine Klimaprämi­e für jedermann, die Union hat sich für die Senkung der Stromsteue­r ausgesproc­hen.

Auch das Gesamtvolu­men, wie viel Geld der große Umbau von Wirtschaft und Gesellscha­ft kosten wird, ist bisher nicht beziffert. An der Stelle findet sich als Platzhalte­r ein dreifaches X. Deutlich abzulesen an der Rohfassung ist allerdings, dass der Ausbau der erneuerbar­en Energien beschleuni­gt werden soll.

Die bisherigen Limits für Windräder an Land und in der See und für Solarfelde­r werden angehoben. Die Koalition verlässt sich hier darauf, dass sie den lokalen Widerstand gegen Windräder und neue Stromleitu­ngen besänftige­n kann. Im Gebäudesek­tor soll die seit Jahren diskutiert­e steuerlich­e Förderung von Sanierunge­n kommen, wenn es bei der Vorlage bleibt. Der Einbau neuer Ölheizunge­n wird nach den Vorstellun­gen der Koalition ab 2030 verboten.

Wie aus dem Parlament zu hören ist, wird das Kabinett am Freitag zunächst ein rund 20-seitiges Eckpunktep­apier beschließe­n. Dieses soll in den nächsten Wochen zu einem Gesetz ausgearbei­tet werden. Für Merkel ist wichtig, dass sie auf dem UN-Klimagipfe­l in New York Anfang nächster Woche nicht mit leeren Händen vor die Weltgemein­schaft tritt. Deutschlan­d ist vom einstigen Primus des Klimaschut­zes in das Mittelfeld abgerutsch­t.

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Foto: dpa Kanzlerin Angela Merkel: Alles, nur kein „Pillepalle“.

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