Festival-Neustart mit Benjamin Schmid
Die besonderen Kemptener Kammerkonzerte werden sich auch anderen Genres öffnen
Kempten Oliver Triendl und Franz Tröger waren für ihr Festival mit dem Namen „Classix“mit Lob überschüttet worden. Seit 2006 hatten sie im Herbst jeden Jahres fünf Tage lang selten zu hörende Kammermusik in Kempten auf die Bühne gebracht – zumeist aus dem 20. Jahrhundert, gespielt von renommierten Musikern aus ganz Europa.
Das entzückte Kenner und Liebhaber und der Bayerische Rundfunk rückte regelmäßig mit seinen Aufnahmewagen an. Der künstlerische Leiter und Pianist Triendl aus München erwies sich als exzellenter Schatzsucher, der kammermusikalische Raritäten in Europa und Nordamerika aufspürte, um sie im Allgäu zu präsentieren. Tröger unterstützte ihn und organisierte vor Ort Proben und Aufführungen.
13 Jahre lang ging das gut. Doch dann entzweiten sich die beiden plötzlich. Der Grund: Das Publikum wollte partout nicht wachsen. 150 bis 250 Zuhörer waren das Maximum bei den Konzerten; die Stammgäste blieben über die Jahre hinweg unter sich. Damit wollte sich Franz Tröger nach dem letzten Classix-Festival 2018 nicht mehr zufriedengeben und aus dem „engen Rahmen der akademisch-elitären Kammermusik“ausbrechen. Doch Triendl zog nicht mit, legte sein Amt als künstlerischer Leiter „aufgrund unüberbrückbarer Differenzen“nieder und sprach von einem „irreparablen Vertrauensverlust“– was auf ein Zerwürfnis der beiden Protagonisten hindeutet.
Nun, ein Jahr später, gibt es einen Neustart von Classix. Franz Tröger, 83 Jahre alt, will seinen ambitionierten Konzertreigen nicht sang- und klanglos begraben. Gleich nach der Trennung von Triendl ging er auf Suche nach einem neuen Partner. Schnell wurde er fündig – bei einem Musiker ersten Ranges. Der österreichische Geiger Benjamin Schmid, 51, soll das Festival, das vom 22. bis 29. September stattfindet, auf eine neue Spur setzen. Schmid und Tröger kennen sich schon lange. Immer wieder war der Geiger mit seiner Stradivari bei den von Tröger gestalteten Kemptener Meisterkonzerten zu Gast – mal als Solist mit Orchester, mal mit exklusiv konzipierten Kammermusik-Programmen. „Franz Tröger ist einer der innovativsten und geistreichsten Konzertveranstalter, die mir je untergekommen sind“, schwärmt Schmid. Die beiden verstehen sich bestens. Deshalb zögerte Schmid nach der Anfrage auch nur kurz, bevor er zusagte zur neuen Allianz. Zwar ist der Salzburger viel beschäftigt – als Professor am Mozarteum und als weltweit auftretender Violinist. Aber der Reiz der Herausforderung war größer als alle Vorbehalte. „Das passt in meine künstlerische Lebensplanung sehr schön hinein“, erklärt der erste Preisträger des Augsburger Leopold-Mozart-Wettbewerbs 1991.
Schmid und Tröger möchten – kurz gesagt – das KammermusikProgramm bei Classix breiter aufstellen, indem sie sowohl Etabliertes als auch Raritäten servieren und das Festival für andere Genres öffnen. Schmid denkt vor allem an Jazz, seine zweite Leidenschaft. 2019 wird er damit noch nicht präsent sein. Aber für die Zukunft verspricht er, selbst mit Jazz aufzutreten und andere Jazzprojekte zu ermöglichen.
Bei der Auswahl der Musiker, die bei Classix auftreten, kann Schmid auf ein vielfältiges Netzwerk zurückgreifen. Zum Premieren-Programm präsentiert er beispielsweise das Geigentalent Ziyue He (23. September), Mitglieder des Curtis Institute of Music in Philadelphia (24. September) und den ersten Preisträger des Leopold-Mozart-Wettbewerbs Augsburg 2019, den 20-jährigen US-Geiger Joshua Brown. Zum Festival-Finale am 29. September stellt das siebenköpfige „Alban Berg Ensemble Wien“unter dem Motto „Wiener Aufbruch“Werke von Mahler, Schönberg und Richard Strauss vor. Eine ganz andere Farbe ins Programm bringt Schauspieler Klaus Maria Brandauer. Er liest aus den Briefen Mozarts; Pianist Sebastian Knauer steuert Auszüge aus den Klaviersonaten des Komponisten bei (25. September).