Guenzburger Zeitung

Wer haftet denn nun?

Weiter ist unklar, ob der TÜV im Fall der minderwert­igen Brustimpla­ntate zahlen muss

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Karlsruhe Der Streit um Schadeners­atz im Skandal um minderwert­ige Brustimpla­ntate aus Industrie-Silikon stellt den Bundesgeri­chtshof (BGH) vor schwierige Fragen. Im Revisionsp­rozess zwischen der AOK Bayern und dem TÜV Rheinland werde möglicherw­eise ein zweiter Senat hinzugezog­en, sagte der Vorsitzend­e Richter des zuständige­n VII. Zivilsenat­s, Rüdiger Pamp. „Es ist eine schwierige Entscheidu­ng, die viele Aspekte in den Blick nehmen muss.“

Die Krankenkas­se hatte für 26 Frauen Operations­kosten erstattet, die reißanfäll­ige Brustimpla­ntate des französisc­hen Hersteller­s Poly Implant Prothèse (PIP) austausche­n ließen. PIP hatte bis 2010 jahrelang Implantate mit für diese Zwecke nicht zugelassen­em Industries­ilikon verkauft. Das Unternehme­n meldete 2011 Insolvenz an und wurde liquidiert. Der TÜV Rheinland hatte Qualitätss­icherung und Dokumentat­ion des Unternehme­ns geprüft, damit PIP das CE-Kennzeiche­n anbringen konnte, das Voraussetz­ung für den Einsatz von Medizinpro­dukten in Deutschlan­d ist. Bei der Klage geht es um mehr als 50 000 Euro. Im Juni 2017 hatte der BGHSenat bereits entschiede­n, dass einer betroffene­n Frau aus Ludwigshaf­en kein Schadeners­atz vom TÜV Rheinland zusteht. Die Prüfer hätten bei der Überwachun­g von PIP keine Pflichten verletzt. Zuvor hatte sich der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) mit dem Fall befasst. Dass der VII. Zivilsenat es sich mit einer Entscheidu­ng nicht leicht machen will, wurde während des Gerichtste­rmins deutlich.

Am Ende der Verhandlun­g stellte Richter Pamp infrage, ob der EUGesetzge­ber den Menschen mit den Regelungen zu Medizinpro­dukten einen Gefallen getan habe. Schließlic­h gehe es um Produkte von höchster Bedeutung wie Herzschrit­tmacher oder Hüftprothe­sen. Man könne deshalb an der Sinnhaftig­keit zweifeln, wenn der Hersteller das CE-Siegel selbst anbringe. „Es geht um eines der wichtigste­n Güter, die Gesundheit.“Die Frage sei aber auch, ob es eine Zertifizie­rung ohne Haftung geben könne. Das Urteil soll am 27. Februar 2020 verkündet werden.

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