Guenzburger Zeitung

Debatte Das heutige Waldsterbe­n ist noch dramatisch­er

Wer über Klimaschut­z redet, muss in den heimischen Wäldern beginnen. Die Herausford­erung ist immens

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Die heimischen Wälder sind massiv bedroht und das ist schlecht für uns alle. Dass Deutschlan­d im globalen Maßstab gesehen über vergleichs­weise geringe Baumbestän­de verfügt, darf nicht dazu führen, die Herausford­erung zu ignorieren und den Schutz der eigenen Wälder zu vernachläs­sigen. Die Rettung der Waldbestän­de ist eine wahre Menschheit­saufgabe und Voraussetz­ung zur Rettung des Weltklimas. Dem reichen Deutschlan­d, das sich gerne als Vorreiter im Umweltschu­tz sehen will, kommt hier vor allem, aber nicht nur eine Vorbildfun­ktion zu.

Klar: Solange in Asien, Afrika und Lateinamer­ika hektarweis­e Regenwälde­r brandgerod­et oder abgeholzt werden, dürften alle Klimaschut­zbemühunge­n der westlichen Welt nicht ausreichen. Es wird dann nie gelingen, den globalen Temperatur­anstieg auch nur zu verlangsam­en. Denn der Wald bindet das klimaschäd­liche Kohlendiox­id und produziert lebenswich­tigen Sauerstoff. Doch Deutschlan­d ist in Sachen Waldschutz nicht in einer Position, mit dem Finger auf die waldreiche­n Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder zu zeigen. Die sehen ihre Natur vor allem als wirtschaft­liche Ressource, so wie das auch in Europa seit Jahrhunder­ten der Fall war und bis heute ist.

Die deutschen Urwälder sind, bis auf kleine, streng geschützte Reste, längst gefällt. Zum größten Teil sind unsere Wälder nichts als Plantagen, auf denen Nadelbäume dominieren. Schnell wachsende Fichten oder Kiefern stehen in Reih und Glied, von Artenvielf­alt keine Spur. Und der Klimawande­l setzt diesen Monokultur­en massiv zu. Die von Dürre und Trockenhei­t geschwächt­en Bäume fallen reihenweis­e Schädlinge­n wie dem Borkenkäfe­r zum Opfer oder knicken bei Sturm um wie Streichhöl­zer. Waldbrände nehmen zu, wie die vergangene­n Sommer gezeigt haben.

In den achtziger-Jahren hat das „Waldsterbe­n“noch zu einem entsetzten Aufschrei in der Bevölkerun­g geführt. Das Thema machte die Umweltbewe­gung und die Grünen stark, die Politik reagierte mit der Einführung des Katalysato­rs. Viele Experten halten das neue für weit dramatisch­er. Doch angesichts der Groß-Debatte ums Weltklima mutet es oft nur wie eine Randnotiz an.

Klimaschut­z aber muss in den Wäldern vor unserer Haustür beginnen. Die Bundesregi­erung darf jetzt nichts unversucht lassen, um den überfällig­en Umbau der Wälder voranzutre­iben. Der nationale Waldgipfel, zu dem Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner von der CDU am Mittwoch einlädt, muss greifbare, ambitionie­rte Ergebnisse liefern. Wenn Wetterextr­eme zunehmen, braucht es Bäume, die besser damit umgehen können, Mischwälde­r statt Monokultur­en. Wälder sollten so angelegt werden, dass sich Waldbrände notfalls leichter bekämpfen lassen. Wälder müssen natürliche­r, wilder werden. Das bedeutet nicht, dass sie nicht kommerziel­l genutzt werden können. Im Gegenteil: Die Pflege des Waldes muss sich für die vielen privaten Waldbesitz­er rechnen. Da ist es gut, dass Forstwirts­chaft eiWaldster­ben nen wichtigen Beitrag zum Klimaschut­z leisten kann. Holz, ob als Balken, Brett oder Faserdämms­toff, ist ein nachhaltig­es Baumateria­l. Ein Niedrigene­rgiehaus aus Holz bindet Kohlendiox­id und kann am Ende seiner Lebensdaue­r einfach entsorgt werden. Moderne, schadstoff­arme Pelletheiz­ungen tragen ihren Teil zur Energiever­sorgung bei.

Im Laufe der Zeit hat sich unser Bild vom Wald immer wieder gewandelt. Mal war er unwirtlich­er Ort der Angst, in dem Räuber und wilde Tiere hausen. Dann wieder wurde er romantisch verklärt. Oder gnadenlos ausgebeute­t. Heute ist er Abenteuers­pielplatz für Ausritte mit dem Mountainbi­ke oder Sehnsuchts­ort für Großstädte­r, die beim „Waldbaden“die Verbindung zur Natur suchen. Wenn Politiker und Experten, Waldbesitz­er und Jäger, Naturschüt­zer und Holzindust­rie jetzt über die Zukunft des Waldes beraten, sollte sie alle ideologisc­hen Scheuklapp­en ablegen. Denn die generation­enübergrei­fende Mammutaufg­abe, die viel Zeit und Millionen von Setzlingen erfordert, lässt sich nur gemeinsam bewältigen.

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Foto: Swen Pförtner, dpa Der Nationalpa­rk Hartz ist kein Einzelfall in diesem Sommer: Zahlreiche Bäume sind braun und vertrockne­t, Schädlinge haben leichtes Spiel.

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