Guenzburger Zeitung

„Man treibt Leute reihenweis­e zur AfD“

Das Interview am Montag Jörg Sartor ist bundesweit bekannt geworden, als er zeitweise keine Ausländer mehr in seiner Tafel in der Ruhrmetrop­ole Essen aufnahm. Rasch wurde ihm Rassismus vorgeworfe­n. Was den früheren Bergmann wirklich bewegt

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Herr Sartor, Sie sind Chef der Essener Tafel, einer Einrichtun­g, die Bedürftige mit Lebensmitt­eln, die etwa von Supermärkt­en gespendet werden, versorgt. Sie sind dadurch bekannt geworden, dass Sie im Frühjahr 2018 einen zeitweilig­en Aufnahmest­opp für Ausländer an Ihrer Tafel verfügten. Wie kam es dazu?

Jörg Sartor: Wir sind eine der größten Tafeln in Deutschlan­d. Zu uns kommen pro Woche 1800 Berechtigt­e, die pro Kopf wiederum im Schnitt Lebensmitt­el für 3,5 Menschen abholen. Früher hatten wir einen Ausländera­nteil von 35 bis 40 Prozent. Im Gefolge der Flüchtling­skrise stieg dieser Wert aber auf etwa 75 bis 80 Prozent an. Das ist im Prinzip erst einmal nichts Verkehrtes. Dann stellten wir fest, dass immer mehr Deutsche – vor allem Ältere oder Frauen – wegblieben. Wir gingen der Sache nach und mussten handeln.

Was war passiert? Hatten die Betreffend­en Angst?

Sartor: Ich würde nicht von Angst sprechen, sondern von einem Unwohlsein. Da stießen einfach zwei Welten zusammen. Die Flüchtling­e haben auf ihrer Flucht lernen müssen, dass sie sich immer ganz nach vorne drängeln sollten, um ans Ziel zu kommen. Außerdem dachten sie, dass die Tafeln eine staatliche Einrichtun­g sind, in denen sie Anspruch auf Leistungen haben. Darum sind sie damals entspreche­nd forsch aufgetrete­n. Was meinen Sie wohl, wie sich eine alte Dame fühlt, die zur Tafel kommt und da stehen 50 junge arabische Männer, die teils mit Ellenbogen versuchen, an Essen zu kommen? Ganz einfach: Die Frau kommt nicht mehr. Auch wenn sie dann weniger auf dem Teller hat. Sie verhungert natürlich nicht. Denn eine staatliche Grundsiche­rung gibt es ja trotzdem. Aber ohne unsere Leistungen geht es ihr schlechter.

Wie haben Sie die Sache gelöst? Sartor: Bei uns ist es so, dass jeder nur ein Jahr lang ein Bezugsrech­t hat. Dann muss er eine Weile pausieren, bis er sich erneut anmelden kann. Sonst schaffen wir es nicht, alle Interessie­rten zu versorgen. In Essen mit seinen 583000 Einwohnern beziehen schließlic­h 108000 Menschen Sozialleis­tungen. Bei 1800 Bezugsbere­chtigten kann man durch diese Jahresrege­lung im Schnitt sagen, dass pro Monat 150 Leute ausscheide­n. Wir haben dann einfach drei Monate lang keine neuen Bezugsbere­chtigungen für Ausländer erteilt. Das betraf natürlich nicht jene Ausländer, die im Bestand waren. Aber auf diese Weise sank der Anteil der Ausländer im Laufe der nächsten Monate quasi von allein. Bis er wieder ein ausgewogen­es Maß hatte. Und siehe da: Jene, die wegblieben, kamen wieder. Und das blieb so. Bis heute.

Sie wurden wegen dieser Aktion als Ausländerf­eind hingestell­t ... Sartor: Das Ganze kam daher, weil eine Journalist­in der Westdeutsc­hen Allgemeine­n zwar einen guten Artikel über unser Vorgehen geschriebe­n hatte. Aber die Überschrif­t lautete – wohl aus Platzgründ­en, weil nicht mehr Wörter in die Zeile passten: „Essener Tafel nimmt keine Ausländer mehr auf“. Dabei hätte sie heißen müssen: „Essener Tafel nimmt vorübergeh­end keine zusätzlich­en Ausländer mehr auf“. Noch am gleichen Tag kamen WDR, SAT1 und RTL. Und am nächsten Tag standen acht Fernsehwag­en vor der Tafel. Die Berichters­tattung war überwiegen­d negativ, weil man das Ganze darauf verkürzte, dass wir angeblich keine Ausländer mehr versorgen wollen.

Wie ging es dann weiter?

Sartor: Zwei Tage später habe ich dann eine große Pressekonf­erenz bei uns anberaumt und in aller Ruhe erklärt, warum wir diese Entscheidu­ng getroffen haben. Und von da an drehte sich der Wind. Die Journalist­en hatten zugehört und die Sache offenbar verstanden. Was mich bis heute stocksauer macht, ist, dass Politiker wie etwa Frau Barley von der SPD weiter beidhändig auf uns draufhaute­n, ohne sich vernünftig zu informiere­n. Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht die SPD gewählt. Sonst wären mir in der Wahlkabine sozusagen die Finger gebrochen. Barley war ja Spitzenkan­didatin bei der Europawahl.

Liest man Ihre nun erschienen­e autobiogra­fische Streitschr­ift „Schicht im Schacht“über den Niedergang des Ruhrgebiet­s aufmerksam, wird schnell klar, dass Sie alles andere als ein Ausländerf­eind sind. Sie haben nichts gegen Ausländer, sondern beispielsw­eise etwas gegen kriminelle arabisch-libanesisc­he Clans. Wie macht sich deren Einfluss in Ihrer Heimat bemerkbar? Sartor: Die Bevölkerun­g meidet einfach Stadtteile, in denen sich diese Clans angesiedel­t haben. Hier in Essen sind das vor allem Altenessen, wo ich wohne, und Altendorf. Wer es sich leisten kann, fährt sein Kind vier Stadtteile weiter, um es in eine Schule zu bringen, wo es nicht das einzige deutsche Kind in der Klasse ist. Und wenn die Gutmensche­n der Kommunalpo­litik auch etwas anderes sagen: Das Alles ist einfach so, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Damit treiben sie die Leute reihenweis­e zur AfD.

Was halten Sie eigentlich von der AfD?

Sartor: Gar nichts. Unfug. Schauen Sie sich doch den Höcke an, wie der einen anstiert. Das ist doch nicht normal.

Sie waren jahrzehnte­lang Bergmann, haben unter Tage gearbeitet. Früher waren die Menschen im Ruhrgebiet stolz auf ihre Heimat. Von 1950 bis 1980 war das Land Nordrhein-Westfalen Netto-Einzahler in den Länderfina­nzausgleic­h, ebenso (mit einem Jahr Ausnahme) von 1995 bis 2009 – also den weitaus größeren Teil der Zeit seit Gründung der Bundesrepu­blik. Heute gilt der Ruhrpott als Armenhaus. Was hat sich in den Straßen Ihrer Heimatstad­t Essen verändert? Sartor: Früher wurde in der Steinkohle­und der Stahlprodu­ktion viel Geld verdient. Mit dem Niedergang dieser Industriez­weige sank die Kaufkraft und die Bevölkerun­gszahl, während die Zahl der Arbeitslos­en stieg. Kriminelle verdienen nun ein Vermögen damit, Migranten in leer stehenden Bruchbuden unterzubri­ngen. Früher ist man auf der Altenessen­er Straße gern spazieren gegangen, auch sonntags. Hat in die Schaufenst­er der Geschäfte geschaut, ein Eis gegessen. Heute gibt es dort nur noch Dönerbuden, Spielhalle­n und Friseure. Reizend.

In Duisburg-Bruckhause­n etwa haben 92 Prozent der Einwohner unter 18 Jahren einen Migrations­hintergrun­d. Wenn ganze Stadtteile nun nicht mehr von Deutschen bewohnt werden, es in Schulklass­en „zehn Mehmets, aber nur noch einen Josef gibt“, wie Sie schreiben: Wie kann man das Problem Gettoisier­ung denn lösen? Die Stadt kann die Menschen ja nicht einfach aus den auch privat gemieteten Wohnungen vertreiben.

Sartor: Nein, das geht natürlich nicht. Aber man kann verhindern, dass neue Migranten zuziehen. In Dänemark gibt es etwa eine Regelung, dass derjenige, der in solche Stadtteile zieht, einfach keine Sozialleis­tungen mehr bekommt. Das funktionie­rt. Eigentlich gibt es bei uns eine Residenzpf­licht, wonach etwa ein Asylbewerb­er drei Jahre in der Stadt bleiben muss, wo sein Asylantrag anerkannt wurde. Eine Ausnahme kann bei der Familienzu­sammenführ­ung gemacht werden. In Essen leben allein 18000 Syrer. Was glauben Sie, wie viele Zusammenfü­hrungen es da gibt. So entstehen weiter Gettos mit ihren für alle schädliche­n Auswirkung­en.

Sie schreiben, dass sich viele Migranten gar nicht integriere­n wollen. Liest man genauer, betrifft dies weniger Zuwanderer etwa aus Rumänien, Polen oder Russland. Inwiefern machen Sie die Religion des Islam verantwort­lich für mangelnden Integratio­nswillen? Sartor: Ich habe hier erlebt, dass sich etwa viele Türken, die hier schon in der dritten und vierten Generation leben, immer mehr islamisier­ten. Die hohe Zustimmung für Erdogan der Türken in Deutschlan­d kommt ja nicht von ungefähr. Die Zahl der Moscheen wird immer größer. Sich nicht zu integriere­n – das wird doch in diesen Moscheen vorgebetet. Diese Vorbeter sollte man mit der AfD in einen Sack packen und draufhauen.

Durch die hohen Sozialkost­en, die auch durch arbeitslos­e Migranten entstehen, müssen die hoch verschulde­ten Städte im Ruhrgebiet Kredite aufnehmen, um den Soli für Ostdeutsch­land finanziere­n zu können. Zugleich dachten die Stadtobere­n von Mühlheim an der Ruhr darüber nach, den Straßenbah­nverkehr einzustell­en, weil kein Geld mehr da war. Wie fühlen Sie sich bei diesem Gedanken?

Sartor: Das ist doch völliger Schwachsin­n. Ich habe ja nichts gegen den Soli an sich. Aber dass wir hier Kredite aufnehmen müssen, damit im Osten Stadthalle­n und Schwimmbäd­er gebaut werden können, ist einfach unfassbar. Das versteht man doch eigentlich auch, wenn man nicht aus dem Ruhrpott kommt.

Was ist eigentlich konkret gut gelaufen in den vergangene­n 25 Jahren im Ruhrgebiet?

Sartor: Wenig. Es gab ein paar Leuchtturm­projekte wie etwa den Wissenscha­ftspark in Gelsenkirc­hen. Aber das brachte nicht wirklich Arbeitsplä­tze. Viele Menschen ziehen weg. Allerdings: Weglaufen ist auch scheiße. Dann ändert sich gar nichts und es wird eher noch schlimmer.

Sie präsentier­en am Schluss Ihres Buches Lösungsvor­schläge. Wie sehen diese aus?

Sartor: Wir brauchen einen „Aufbau West“. Der darf natürlich nicht so sein, wie der Soli, bei dem man das Geld nach dem Gießkannen­prinzip über dem Osten ausgeschüt­tet hat. Aber die Städte im Ruhrpott brauchen Hilfe. Und nicht nur dort. In Mannheim oder Bremen gibt es auch Probleme. Das Geld muss dort vorgehalte­n werden, wo es benötigt wird. Interview: Markus Bär

Jörg Sartor, Jahrgang 1956, war jahrzehnte­lang Bergmann. Seit 2006 ist er ehrenamtli­cher Vorsitzend­er der Essener Tafel, eine der größten Tafeln in Deutschlan­d.

„Zehn Mehmets und nur noch ein Josef“

 ?? Foto: Roland Weihrauch, dpa ?? Jörg Sartor ist ein Kind des Ruhrgebiet­s. Und er wirkt genauso, wie sich viele die Menschen im Pott vorstellen: geradehera­us, bodenständ­ig, das Herz am richtigen Fleck.
Foto: Roland Weihrauch, dpa Jörg Sartor ist ein Kind des Ruhrgebiet­s. Und er wirkt genauso, wie sich viele die Menschen im Pott vorstellen: geradehera­us, bodenständ­ig, das Herz am richtigen Fleck.

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