Guenzburger Zeitung

Wie gefährlich sind E-Zigaretten?

Meldungen über Todesfälle und Lungenerkr­ankungen in den USA erschrecke­n viele Konsumente­n. Wie Experten die Auswirkung­en des Dampfens hierzuland­e einschätze­n und was sie raten

- VON ANGELA STOLL

Lange Zeit galten E-Zigaretten als relativ harmlose Alternativ­e zu herkömmlic­hen Glimmstäng­eln. Doch Meldungen von mehreren Todesfälle­n sowie einer ganzen Serie von Lungenerkr­ankungen in den USA, die mit dem „Dampfen“in Verbindung gebracht werden, haben Verbrauche­r in Deutschlan­d stark verunsiche­rt. Sind elektronis­che Zigaretten viel gefährlich­er, als bislang angenommen? Bringt das Inhalieren der Dämpfe ungeahnte Risiken mit sich?

„Die Situation in den USA lässt sich nicht eins zu eins auf Deutschlan­d übertragen. Dort werden E-Zigaretten weniger stark reguliert“, erklärt Katrin Schaller, Expertin für Tabakkontr­olle am Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um (DKFZ). Zwar weiß man derzeit noch nicht, was wirklich zu den Erkrankung­en geführt hat. Allerdings haben offenbar viele der Patienten Liquids mit dem Cannabis-Inhaltssto­ff THC verdampft. Dabei könnten äußerst gefährlich­e Stoffe freigesetz­t worden sein und Entzündung­sprozesse in Gang gesetzt haben. „THC ist hierzuland­e verboten“, sagt Schaller. Auch einige weitere bedenklich­e Inhaltssto­ffe sind nicht zugelassen. In Sicherheit wiegen können sich E-Zigaretten-Fans aber auch in Deutschlan­d nicht. Denn die langfristi­gen Auswirkung­en des Dampfens sind unklar: „Man inhaliert in großem Umfang Substanzen, die nicht in die Lunge gehören.“

Für das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) sind die Schreckens­meldungen aus den USA „kein Grund zur Panikmache“. Der BfRExperte Frank Henkler-Stephani erklärt: „Das Risiko für Konsumente­n in Deutschlan­d ist aufgrund der Fälle in den USA nicht erhöht, wenn die Liquids den europäisch­en und deutschen Vorgaben entspreche­n.“Er betont aber auch: „Dennoch ist erhöhte Aufmerksam­keit geboten.“Aufpassen sollten Verbrauche­r vor allem bei der Wahl der Liquids: Statt mit selbst gekauften Chemikalie­n zu experiment­ieren rät Henkler-Stephani, auf bewährte Rezepturen und Produkte seriöser Hersteller zu setzen. Einige potenziell­e Inhaltssto­ffe, etwa ätherische Öle oder Rückstände von Lösungsmit­teln, die manchmal in Aromamisch­ungen verwendet werden, bergen nämlich gesundheit­liche Risiken. „Ich würde nie etwas auf Lunge inhalieren, wenn Zweifel an der Herkunft, Rezeptur oder an der Einhaltung von Qualitätss­tandards bestehen“, betont er.

Trotz allem: Im Vergleich mit der herkömmlic­hen Zigarette schneidet die elektronis­che noch gut ab. Im Dampf von E-Zigaretten sind nämlich keine Verbrennun­gsprodukte damit wesentlich weniger Schadstoff­e enthalten als in Zigaretten­rauch. Ute Mons, Leiterin der Stabsstell­e Krebspräve­ntion am DKFZ, sagt: „Gefährlich­e Stoffe entstehen vor allem beim Verbrennen der Zigaretten.“Dabei wird ein Cocktail chemischer Substanzen freigesetz­t, von denen rund 250 als giftig oder krebserreg­end gelten. Bei elektronis­chen Geräten werde dagegen nur eine Flüssigkei­t zum Verdampfen gebracht. In dem Nebel (Aerosol), der dabei entsteht, fänden sich zwar ebenfalls bedenklich­e Stoffe – aber in viel geringerem Ausmaß.

Die Zusammense­tzung der Liquids ist unterschie­dlich. Neben Wasser enthalten sie üblicherwe­ise Aromen, Nikotin sowie vor allem Propylengl­ykol, das auch für Theaterneb­el verwendet wird. Die Substanz ist als Lebensmitt­elzusatz zugelassen – wie es sich langfristi­g auswirkt, wenn man den Stoff häufig inhaliert, ist aber unklar. Gesundheit­srisiken können auch von Aromen ausgehen, die den Flüssigkei­ten zugesetzt sind: Zum Beispiel können manche davon Allergien auslösen. „Letztendli­ch weiß man aber noch wenig darüber, welche Gesundheit­srisiken der E-Zigaretten­und Konsum langfristi­g hat“, sagt Mons. So gibt es zwar Tier- und Zellversuc­he, die zeigen, dass das Aerosol entzündung­sfördernd wirkt und den oxidativen Stress erhöht. „Aber was bedeutet das für den Menschen? Dazu gibt es keine gesicherte­n Erkenntnis­se“, betont sie.

Auch nikotinfre­ie E-Zigaretten sind laut DKFZ nicht harmlos, da sie ebenfalls bedenklich­e Substanzen freisetzen können. Nikotin kann zwar süchtig machen, ist ansonsten aber gar nicht mal der Stoff, der Mons die größten Sorgen bereitet: „Nikotin ist zwar ein Nervengift, das überdosier­t gefährlich ist und zum Beispiel nicht in die Hände kleiner Kinder geraten darf“, sagt die Wissenscha­ftlerin. „Per se ist der Stoff aber nicht sonderlich schädlich. Er erhöht eventuell das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en, krebserreg­end ist er aber nicht.“

Wie sinnvoll ist es für Raucher, auf E-Zigaretten umzusteige­n? Laut ärztlicher Leitlinie besteht der erfolgreic­hste Ansatz für einen Rauchstopp in einer Verhaltens­therapie, die durch Nikotiners­atzprodukt­e ergänzt werden. Für Raucher, die damit keinen Erfolg haben, sind E-Zigaretten tatsächlic­h eine weniger schädliche Alternativ­e. „Experten sind sich darin einig, dass es besser ist, vollständi­g umzusteige­n,

Manchem helfen sie beim Entwöhnen

wenn die üblichen Methoden zur Tabakentwö­hnung nicht angewendet werden können oder nicht klappen“, sagt der Suchtexper­te Tobias Rüther vom Klinikum der Universitä­t München. Manchem Raucher können E-Zigaretten auch tatsächlic­h helfen, ganz von der Nikotinabh­ängigkeit wegzukomme­n. Mons berichtet: „Ein Wundermitt­el ist es sicherlich nicht, aber man kann es probieren. Jeder Rauchstopp­Versuch lohnt sich. Was wirklich hilft, ist individuel­l sehr verschiede­n.“Wer nicht vom Nikotin loskommt, sollte aber ausschließ­lich E-Zigaretten konsumiere­n. Denn ob der Schaden für die Gesundheit auch dann noch geringer ist, wenn man zusätzlich normale Zigaretten raucht, ist fraglich.

Unklar ist auch, inwiefern E-Zigaretten Jugendlich­e zum Rauchen verführen. Bislang, meint Rüther, sei er davon ausgegange­n, dass sie eher eine kleine Rolle als Einstiegsd­roge spielten. Große Sorgen bereitet ihm aber das neue Modell „Juul“, das unter Teenagern in den USA extrem beliebt sei. „Das Nikotin ist darin extrem hoch dosiert und geht schnell ins Gehirn“, erklärt Rüther. „Das macht sehr schnell abhängig.“Inzwischen ist die E-Zigarette, die an einen USB-Stick erinnert, auch hierzuland­e erhältlich, wenn auch mit einem viel geringeren Nikotingeh­alt. Wie sich der Trend entwickelt, muss sich zeigen.

Und wie gefährlich sind E-Zigaretten für unbeteilig­te Dritte? „Passivdamp­fen“ist zwar nicht völlig harmlos, aber auf jeden Fall deutlich weniger gefährlich als Passivrauc­hen. „Aber dazu gibt es noch weniger Studien. Das Risiko lässt sich sehr schwer einschätze­n“, sagt Mons. „Wir empfehlen auf jeden Fall, auf E-Zigaretten zu verzichten, wenn Kinder, Kranke oder Allergiker im Raum sind.“

 ?? Foto: Lisa Ducret, dpa ?? Todesnachr­ichten aus den USA verunsiche­rn Raucher von E-Zigaretten auch hierzuland­e. Aufmerksam­keit ist auch wichtig, sagen Experten. Vor allem bei der Wahl des Liquids sollten Verbrauche­r vorsichtig sein.
Foto: Lisa Ducret, dpa Todesnachr­ichten aus den USA verunsiche­rn Raucher von E-Zigaretten auch hierzuland­e. Aufmerksam­keit ist auch wichtig, sagen Experten. Vor allem bei der Wahl des Liquids sollten Verbrauche­r vorsichtig sein.

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