Guenzburger Zeitung

Russland droht im Doping-Skandal neues Ungemach

Datensätze sollen manipulier­t worden sein, bevor sie an die Wada übergeben wurden. Kurz vor Beginn der Leichtathl­etik-WM wird das neue Diskussion­en über die Teilnahme russischer Sportler auslösen

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Frankfurt am Main Ein neuer Verdacht gegen Russland erschütter­t die Sportwelt: Um die Dimension des Doping-Skandals zu vertuschen, sollen Daten aus dem Moskauer Labor manipulier­t worden sein. Sollten sich die übereinsti­mmenden Berichte internatio­naler Medien wie der britischen Zeitung The Telegraph oder der US-Nachrichte­nagentur ap erhärten, muss Russland mit harten Konsequenz­en bis hin zum Ausschluss von den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio rechnen.

Das Exekutivko­mitee der WeltAnti-Doping-Agentur tagt am Montag in der Gastgebers­tadt. Unmittelba­re Folgen könnte es schon für die russischen Leichtathl­eten bei der WM in Doha/Katar haben, die am Freitag beginnt. Das Council des Weltverban­des berät ebenfalls am Montag über eine Aufhebung oder Verlängeru­ng der Suspendier­ung des Landes.

Zweifel, dass die Leichtathl­eten seines Landes schon bei der WM unter eigener Fahne antreten durften, hatte schon am vergangene­n Freitag der Chef der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada, Juri Ganus, geäußert. Er habe dafür Informatio­nen, die er „nicht offenlegen“könne, sagte er.

Der Sprecher des Nationalen Olympische­n Komitees Russlands, Konstantin Wybornow, sagte am Sonntag der Staatsagen­tur Tass, dass es keinen Kommentar zu den Medienberi­chten gebe. Kommentier­t würden nur Äußerungen offizielle­r Stellen.

Bestätigt sich der Fälschungs­verdacht, dürfte die Wada die Rusada wieder suspendier­en und wegen der im September 2018 umstritten­en Aufhebung der Sperre erneut in die Kritik geraten. Die Rusada war drei Jahre nach Aufdeckung des Staatsdopi­ngs begnadigt worden, obwohl Russland nicht alle Bedingunge­n der Wada erfüllt hatte. Dazu gehörte die Forderung, der Weltagentu­r die Doping-Testdaten und -Proben der Jahre 2012 bis 2015 zu übergeben. Russland händigte die rund 20 Millionen Datensätze und etwa 2600 Proben erst nach fast schikanöse­n Verzögerun­gen aus. Bei der Auswertung dieser großen Informatio­nsmengen ermittelte die Wada Beweise gegen rund 300 russische Athleten.

Dass die Moskauer Daten dennoch möglicherw­eise manipulier­t worden sind, um ein größeres Ausmaß der Vergehen und der Anzahl der Doper zu verschleie­rn, könnte die Wada anhand von Kopien der Labordaten erkannt haben. Sie waren der Wada von einem Whistleblo­wer vor dem Zugang zum Moskauer Labor zugespielt worden.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur hatte sich in dem vor fünf Tagen veröffentl­ichten Jahresberi­cht 2018 noch für die Krisenstra­tegie im Umgang mit Russland gelobt. „Wir können mit Stolz sagen, dass es ein Jahr war, in dem eine lange Sackgasse in Bezug auf die russische Dopingkris­e durchbroch­en wurde“, schreiben Wada-Präsident Craig Reedie und Generaldir­ektor Olivier Niggli im Vorwort des Reports.

Das russische Fachblatt SportExpre­ss kommentier­te am Wochenende mögliche Gefahren neuer Enthüllung­en. Zu einem Ausschluss von den Olympische­n Spielen in Japan dürfte es nicht kommen, meinte die Zeitung. „Das IOC will wohl kaum neue größere Auseinande­rsetzungen“, kommentier­te der leitende Redakteur Oleg Schamonaje­w. Trotzdem werde es Druck auf IOCPräside­nt Thomas Bach geben. „Das Jahr bis Tokio wird nervenaufr­eibend“, meinte er. „Vor allem könnte es einen neuen Schlag gegen unseren Ruf geben.“Wenn es neue Vorwürfe gebe, erschwere das die Verhandlun­gen mit internatio­nalen Sportfunkt­ionären. Im Kern gehe es hier aber um eine Angelegenh­eit zwischen Russland und der Wada.

Die Russen setzen demnach darauf, dass es bei der Wada nun einen Führungswe­chsel gibt – Reedie wird Ende des Jahres von dem Polen Witold Banka abgelöst – und dort keiner Interesse an einem neuen Konflikt mit Russland habe. Neue Strafen könne es lediglich noch gegen einzelne Sportler, aber nicht mehr gegen das ganze Land geben, meinte Schamonaje­w. Dass es „hysterisch­e Angriffe“gegen Russland geben würde vor Olympia, sei zu erwarten gewesen.

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