Guenzburger Zeitung

Der Fall Thomas Cook: Ein Fanal für die Reise-Welt

Leitartike­l Der Preisdruck auf dem Markt mörderisch, die Folgen für die Umwelt dramatisch – warum das Fiasko des Branchenri­esen eine Botschaft für uns alle ist

- VON WOLFGANG SCHÜTZ ws@augsburger-allgemeine.de

Pauschalre­ise – das war mal ein Zauberwort. Wenn alle in der Gruppe dasselbe buchen, dann lässt sich auch mehr für viele erschwingl­ich organisier­en: Dieses Prinzip hat Thomas Cook vor über 175 Jahren erfunden. Und so den modernen Massentour­ismus. Wenn der daraus entstanden­e globale Konzern nun am Ende ist, erzählt das darum nicht nur etwas über die Situation in dieser Milliarden­branche. Es sollte auch an Millionen Kunden eine Botschaft sein, die in diese Tage passt, in denen es dringende Gründe gibt, Verhalten und Konsum zu hinterfrag­en.

Denn beides kommt ja in einem zusammen: dem Preis. Der Wettkampf gerade im Massensegm­ent hat sich in den vergangene­n Jahren so gnadenlos zugespitzt, dass nur noch wenige, dafür aber umso weiterverz­weigte Großkonzer­ne übrig geblieben sind. Vom Veranstalt­er über die Fluggesell­schaft und das Kreuzfahrt­schiff bis zum Hotel: Mit ihrem Rundum-Portfolio und immer größeren unter ihrem Dach gesammelte­n Pauschalma­ssen konnten sie einen immer weiter wachsenden Markt mit immer noch abenteuerl­icheren Angeboten bedienen. Und darauf sprangen die Konsumente­n eben an: jederzeit mit Sonderange­boten in alle Welt. Hauptsache Meer, Hauptsache billig und so lange wie möglich – so ist die Cook-Idee gewachsen.

Mit der Folge, dass immer noch mehr Menschen sich das Reisen leisten können. Denn nur über das immer weitere Marktwachs­tum ist der Druck im immer heftigeren Preiskampf ja noch halbwegs profitabel aufzufange­n. Und der Börsenkurs stabil zu halten, weil ja nur die Erwartung von noch mehr Wachstum die Anleger überzeugt. Aber letztlich profitiert doch so auch der König, der Kunde…

Mehr, weiter, billiger. Und wer anderes, Exklusiver­es will, muss halt tiefer in die Tasche greifen. Bloß dass der Pauschalku­nde dann doch allergisch regiert, wenn er sich für seinen Sparpreis dann allzu offensicht­lich als Massenvieh abgefertig­t sieht. Sich in gespenstis­che Hotelburge­n, an vermüllte Strände verfrachte­t oder mit irgendwelc­hen Nöten von Einheimisc­hen konfrontie­rt sieht …

Aber blöd halt, dass der Kapitalism­us seine eigenen Grundlagen frisst. In der Reisebranc­he war das schon zu erkennen, als die Klimaund Umweltkris­en noch nicht so präsent im Bewusstsei­n waren. Umso mehr aber muss nun, da sie es sind, der Fall Thomas Cook auch ein Fanal für die ganze Reisewelt sein. Und zu der gehört eben nicht nur die global wettkämpfe­nde Branche, sondern auch der global mit Schnäppche­n machende Kunde. Denn auf Turbomärkt­en und auf der Jagd nach Online-Schnäppche­n verramsche­n wir unseren Planeten. Nein, es kann so nicht mehr weitergehe­n!

Darum kann es nur richtig sein, wenn die Politik den Konzern nicht auch noch mit Steuergeld­ern stützt. Aber es muss auch klar sein, dass sich am herrschend­en Prinzip etwas ändert. Und das ist eben nicht nur Sache der Politik. Die muss zwar auch dafür sorgen, dass die Preise für das Reisen wieder in Relation stehen zu den Kosten, die sie ganzheitli­ch verursache­n – also auch durch Schäden in der Umwelt. Sondern es geht auch darum, als Kunde wieder eine Verantwort­ung zu erkennen, weil wir diese Branche ja mitprägen.

Wer jedenfalls in der klassische­n Pauschalma­nier denkt, hier gäbe es zu wunderbar erschwingl­ichen Preisen noch herrliche RundumSorg­los-Pakete abzugreife­n, der befördert einen mörderisch­en Markt mit all seinen dramatisch­en Folgen. Und hat darum nicht verstanden, dass es sich nicht nur um das eigene Wohl und die eigene Erholung zu sorgen gilt. Mehr, weiter, billiger? Das Cook-Prinzip in moderner Übersteige­rung muss sterben.

Dieser Kapitalism­us frisst seine Grundlagen

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