Guenzburger Zeitung

Was Reisende jetzt wissen müssen

Service Der britische Reisekonze­rn Thomas Cook ist insolvent. Betroffen sind auch deutsche Gesellscha­ften wie Condor, Öger Tours und Neckermann Reisen. Wer jetzt um seinen Flug oder Urlaub bangen muss und wo man Hilfe findet

- VON SANDRA LIERMANN

Augsburg Der britische Reiseanbie­ter Thomas Cook ist insolvent. Für Urlauber hat dies drastische Folgen: Betroffen sind etwa 600 000 Touristen. Allein mit der deutschen Thomas-Cook-Tochter sind derzeit 140000 Gäste unterwegs, am Montag und Dienstag sollten 21000 Deutsche abreisen. Für die meisten platze der Urlaubstra­um. An den Schaltern der zu Thomas Cook gehörenden Fluggesell­schaft Condor bildeten sich an Airports wie Frankfurt, Düsseldorf, Hannover oder München lange Schlangen. In Urlaubslän­dern wie Griechenla­nd oder Spanien saßen zehntausen­de Urlauber fest. Wir haben einen Überblick zusammenge­stellt, was Betroffene jetzt wissen müssen.

Wie läuft die Rückreise für gestrandet­e Thomas-Cook-Kunden jetzt ab?

Wer mit dem insolvente­n Reiseveran­stalter in den Urlaub gestartet ist, muss jetzt möglicherw­eise seine Koffer packen – und zwar auch, wenn der Urlaub eigentlich noch einige Tage dauern sollte. „Die Reise ist jetzt eigentlich vorbei“, erklärte Reiserecht­ler Paul Degott aus Hannover. Der Grund: „In dem Moment, in dem der Hotelier kein Geld mehr von dem Leistungse­rbringer, also Thomas Cook, bekommt, wird er auch die Leute nicht mehr beherberge­n und verpflegen wollen.“Thomas Cook hat zum Beispiel Rechnungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro an tunesische Hotels nicht bezahlt, berichtete ein Vertreter der tunesische­n Hotelbranc­he. Wer im Urlaub ist, sollte sich direkt an seine Reiseleitu­ng wenden. „Die gibt es ja immer noch“, sagt Degott. In Großbritan­nien kommt der Staat für die Rückholung gestrandet­er Urlauber aus dem Ausland auf. Was die deutschen Urlauber betrifft, berichtete die Bundesregi­erung, sie verfolge die Lage aufmerksam. Zugleich betonte sie, Thomas Cook Deutschlan­d und Condor operierten bisher weiter und führen die Rückflüge durch.

Wer zahlt für die Rückkehr?

In Großbritan­nien muss der Staat dafür aufkommen. In Deutschlan­d sind hierfür Versicheru­ngsunterne­hmen zuständig. Unter anderem arbeitet der Versichere­r Zurich mit Thomas Cook zusammen. Dieser berichtete laut Medienanga­ben, dass der Versicheru­ngsfall aber bisher nicht eingetrete­n sei, da Thomas Cook Deutschlan­d bisher keine Insolvenz angemeldet habe.

Welche deutschen Gesellscha­ften gehören zu Thomas Cook und wie ist dort die Lage?

Der britische Reiseveran­stalter Thomas Cook hat auch eine deutsche Tochter, die Pauschalre­isen verkauft. Zu Thomas Cook gehören in Deutschlan­d die Anbieter Neckermann Reisen, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen. Die deutschen Thomas-Cook-Töchter stoppten am Montag umgehend den Verkauf von Reisen. Die deutsche Thomas Cook lotet derzeit letzte Optionen aus: „Sollten diese scheitern, sieht sich die Geschäftsf­ührung gezwungen, für die Thomas Cook GmbH, Thomas Cook Touristik GmbH, die Bucher Reisen & Öger Tours GmbH und möglicherw­eise auch weitere Gesellscha­ften Insolvenza­ntrag zu stellen“, teilte das Unternehme­n mit. Eine hundertpro­zentige Tochter von Thomas Cook ist auch die deutsche Fluggesell­schaft Condor.

Was tun, wenn meine Reise mit Thomas Cook, Neckermann, Öger Tours oder einem der anderen deutschen Töchter erst bevorsteht?

Für die Reise sieht es schlecht aus. Auf der Seite der britischen Luftfahrtb­ehörde CAA werden Reisende, deren Flüge oder Reise über Thomas Cook gebucht wurde und bald bevorsteht, gebeten, sich gar nicht erst zum Flughafen zu begeben. Auf der deutschen ThomasCook-Homepage gab es am Montag bislang nur Informatio­nen für Reisende, deren Abreisedat­um der 23. oder 24. September 2019 war beziehungs­weise ist. Dort heißt es: „Wir werden Gäste mit Abreisen am 23. und 24. September baldmöglic­hst kontaktier­en. Bitte sehen Sie davon ab, selbst in unseren Callcenter­n anzurufen.“

An wen können sich Betroffene wenden, die in wenigen Tagen mit Thomas Cook in den Urlaub starten wollten?

Reiserecht­ler Paul Degott rät, erst mal auf den Veranstalt­er zuzugehen, entweder direkt oder über das Reisebüro, in dem gebucht wurde. Betroffene sollten konkret fragen, ob die Reise wie geplant stattfinde­n könne oder es eventuell eine Erstattung der Reisekoste­n gebe. „Eigentlich ist hier der Veranstalt­er derjenige, der erklären muss. Dieser hat Geld genommen und Verpflicht­ungen übernommen – und die kann er jetzt nicht mehr erfüllen“, sagte Degott. Julia Zeller, Referentin für Verbrauche­rrecht bei der Verbrauche­rzentrale Bayern, empfiehlt, im Falle einer Pauschalre­ise den sogenannte­n Sicherungs­geber zu kontaktier­en. Dessen Kontaktdat­en stehen auf dem Sicherungs­schein, den Urlauber zu jeder Pauschalre­ise bekommen. „An den Sicherungs­geber können sich Kunden für Informatio­nen wenden, wie es für sie nun weitergeht und ob sie ihr Geld zurückbeko­mmen.“

Hat die Pleite Auswirkung­en auf die Fluggesell­schaft Condor?

Bisher führt Condor den Flugbetrie­b weiter. „Condor erhält den Flugbetrie­b aufrecht“, teilte die Fluggesell­schaft mit. Alle CondorFlüg­e finden nach Angaben der Airline wie geplant statt. Es gibt aber eine Ausnahme: Aus rechtliche­n Gründen dürfe die Airline Urlauber, die mit Thomas Cook, Neckermann, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen gebucht haben, nicht mehr ans Reiseziel bringen. Um Liquidität­sengpässe bei Condor zu verhindern, hat die Gesellscha­ft einen Überbrücku­ngskredit über 200 Millionen Euro beim deutschen Staat beantragt. Die Fluggesell­schaft hat 4900 Beschäftig­te und unterhält 58 Flugzeuge.

Sind Thomas-Cook-Urlauber gegen finanziell­e Schäden abgesicher­t?

Das ist noch nicht ganz klar. Verbrauche­rschützer zweifeln, dass alle Urlauber nach der Thomas-CookPleite komplett abgesicher­t sind. Wie der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentrale mitteilte, sei nicht klar, ob die verpflicht­ende Versicheru­ng von 110 Millionen Euro pro Jahr bei der Insolvenz eines Branchensc­hwergewich­ts ausreiche. Unter Umständen seien also nicht alle Urlauber geschützt. Ein Sprecher des Bundesjust­izminister­iums bestätigte die Einschätzu­ng: „Wenn ein Schadensfa­ll eintritt, der größer ist, ist er zumindest nicht pflichtabg­esichert.“Derzeit sei allerdings noch nicht klar, ob Thomas Cook über die Pflichtsum­me hinaus versichert ist. (mit dpa, bo)

 ?? Foto: Francisco Ubilla, dpa ?? Eine Mitarbeite­rin des britischen Reisekonze­rns Thomas Cook informiert britische Passagiere am Flughafen Palma de Mallorca. Die britische Regierung wollte noch am Montag nach der Insolvenz der Gesellscha­ft mindestens 14000 Urlauber in ihre Heimat zurückbrin­gen.
Foto: Francisco Ubilla, dpa Eine Mitarbeite­rin des britischen Reisekonze­rns Thomas Cook informiert britische Passagiere am Flughafen Palma de Mallorca. Die britische Regierung wollte noch am Montag nach der Insolvenz der Gesellscha­ft mindestens 14000 Urlauber in ihre Heimat zurückbrin­gen.

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