Vom Weltmarktführer zum Pleite-Konzern
Insolvenz Thomas Cook war einst Vorreiter in der Reisebranche. Nun steht das Unternehmen vor einem Trümmerhaufen
Augsburg „Genieße jeden Augenblick“. So lautete ein Werbeslogan des Reisekonzerns Thomas Cook Anfang des 21. Jahrhunderts. Den Augenblick genießen können wohl derzeit weder Mitarbeiter von Thomas Cook noch Kunden. Denn das größte Reiseunternehmen der Welt ist insolvent. Damit steht der älteste Reiseveranstalter der Welt vor einem Trümmerhaufen. Vom Aufstieg und Fall des Unternehmens.
Die Geschichte von Thomas Cook ist eng mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert in England verknüpft. Die Eisenbahn etablierte sich als Verkehrsmittel. Neben Gütern, etwa Kohle und Maschinen, konnten viele Arbeiter schnell und effektiv von einem Ort zum anderen gebracht werden. Diese Vorteile entdeckte auch der Laienprediger Thomas Cook für sich. Als überzeugter Abstinenzler veranstaltete er Demonstrationen gegen Alkoholmissbrauch. Am 5. Juli 1841 organisierte der damals 32-Jährige für rund 570 Arbeiter eine Zugreise von Leicester nach Loughborough in Mittelengland zu einem Abstinenzlertreffen. Das geht aus der Firmenchronik hervor. Sie zahlten einen Schilling für die Reise. Inbegriffen waren sowohl die Hin- und Rückfahrt sowie die Verpflegung, ein Tee und ein belegtes Brötchen – die Idee der Pauschalreise war geboren und legte gleichsam den Grundstein für den Massentourismus. Dadurch war das Reisen nicht mehr nur den betuchten Bürgern vorbehalten. Auch der „kleine Mann“konnte die erschwinglichen Preise zahlen. In den folgenden Jahren konzentrierte sich Thomas Cook immer mehr auf das Reisegeschäft und gründete 1854 das erste Reisebüro. Es folgten Fahrten nach Liverpool oder zur Weltausstellung in London. Die erste richtige Pauschalreise, wie wir sie heute kennen, bot Cook im Jahr 1861 an. Arbeiter reisten von der Britischen Insel mit Bahn und Schiff nach Paris. Im Preis enthalten waren zum ersten Mal die Kosten für die Unterkunft. Der Gründer des britischen Reisekonzerns verstarb 1892. Unter dem Namen Thomas Cook and Son führten seine Enkel das Reiseunternehmen an die Spitze des Weltmarkts in der Reisebranche. Zum Repertoire des Konzerns gehörten längst Schifffahrten in die ganze Welt, ob Asien, Amerika oder Australien. Ab 1919 vertrieb Thomas Cook and Son die ersten Flugtickets. 1928 verkauften die Enkel das Familienunternehmen an die einzige internationale Konkurrenz: die Compagnie Internationale des Wagons-lits et des Grands Express Europeans mit Sitz in Brüssel und Paris.
Die Besitzer wechselten in den vergangenen Jahren noch einige Male. Heute arbeiten 21000 Menschen für die Thomas Cook Group. Zu dem Börsenkonzern zählen der Flugdienst Condor und die deutschen Veranstaltertöchter Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature. Thomas Cook war in den vergangenen Jahren immer wieder in Schieflage geraten. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu, ebenso anhaltende Unsicherheit um den Brexit.
Um dringend benötigtes Geld zu bekommen, hatte der Konzern im Februar seine Fluggesellschaften samt Condor zum Verkauf gestellt. Im Juli blies er das Vorhaben ab und präsentierte stattdessen einen Rettungsplan mit Investoren – der nun scheiterte. (mit dpa)