Guenzburger Zeitung

„Das Problem im Wald sind die Monokultur­en“

Warum der CSU-Umweltexpe­rte Georg Nüßlein ein gewisses Maß an Wild-Verbiss für unproblema­tisch hält

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Herr Nüßlein, Sie haben als CSUUmwelte­xperte die Aufgabe, mit Ihrem CDU-Kollegen Andreas Jung den klimapolit­ischen Kurs der Union festzulege­n. Eine sehr wichtige Rolle für das Klima spielt der Wald. Wie alarmieren­d ist daher das Waldsterbe­n 2.0?

Nüßlein: Die Folgen des Klimawande­ls sind im Wald deutlich sichtbar. Wir haben ein enormes Trockenhei­tsproblem, das den Bäumen zusetzt. Sie sind durch die Dürre geschwächt und Schädlinge wie der Borkenkäfe­r haben dann leichtes Spiel. Wirklich problemati­sch sind in diesem Zusammenha­ng jedoch vor allem die Fichte-Monokultur­en, die die Forstwirts­chaft über Jahrzehnte zur Gewinnopti­mierung geschaffen hat.

War man mit dem Waldumbau also zu langsam?

Nüßlein: Das hat in erster Linie ökonomisch­e, also wirtschaft­liche Gründe. Die Fichte galt seit jeher als sogenannte­r Brotbaum, der einen schnellen Ertrag brachte. Sie wird vor allem als Bauholz verwendet und mit ihr wird Geld verdient. Wenn auf sie bei der Aufforstun­g nun weitgehend verzichtet werden soll, könnte dies übrigens noch zum Thema werden. Denn welcher Baum kommt anstatt der Fichte, wenn aus ökologisch­en Gründen künftig mehr mit Holz gebaut werden soll?

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat gesagt, nicht die Ökonomie, sondern die Ökologie müsse im Forst künftig Vorrang haben.

Nüßlein: Mit den Gewinnen, die der Staatsfors­t erzielt, soll in den Klimaschut­z reinvestie­rt werden. Die gesetzlich­e Vorgabe „Wald vor Wild“war also bisher aus rein ökonomisch­er Sicht geleitet.

Das müssen Sie erklären.

Nüßlein: Die heutigen Probleme im Wald liegen doch nicht am Wild, sondern an den Monokultur­en. Das Wild verhindert den Waldumbau nicht. Doch es gibt leider nach wie vor Förster, die sagen, jedes tote Reh ist ein gutes Reh. Und deshalb ist das Reh in seinem angestammt­en Lebensraum seit Jahren einem enormen Jagddruck ausgesetzt.

Aber es gibt doch das Forstliche Gutachten, das die Verbisssch­äden im Wald deutlich macht.

Nüßlein: Zugespitzt gesagt, ist es vor allem eine Beschäftig­ungstherap­ie für Forstleute. Für den Schutzwald im Gebirge mag es Aspekte geben, die dafür sprechen. Doch ansonsten halte ich ein gewisses Maß an Verbiss für unproblema­tisch. Auch eine vom Wild angeknabbe­rte Pflanze wurzelt und wächst. Nicht jeder einzelne Baum muss wie in einer Gärtnerei hochgezüch­tet werden und besonders schön sein.

Mit dieser These werden Sie aber Förster und Waldbesitz­er, jetzt mal salopp gesagt, ganz schön auf die Palme bringen. Nüßlein: Das mag sein und das halte ich auch aus. Nochmals: Wir müssen den ökonomisch­en Aspekt im Wald zurückstel­len. Und das Wild gehört in einer funktionie­renden Ökologie nun mal zum Wald. Das Reh ist anpassungs­fähig und wird trotz der scharfen Bejagung nicht ausgerotte­t werden. Aber was wir gerade bei Rotwild und Gams erleben, ist katastroph­al.

Nun werfen Ihnen Kritiker vor, die hohen Wildbestän­de zu ignorieren. Sie sprechen gar von einer Rehwildzuc­ht. Nüßlein: Unsinn. Ich verstehe viele Dinge nicht mehr. Wenn etwa der Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Bayerische­n Landtag, Ludwig Hartmann, fordert, Nachtzielg­eräte auch für die Jagd auf Rehwild einzusetze­n, hat das mit Barmherzig­keit doch nichts mehr zu tun. Gerade die Grünen fordern doch ansonsten den Tierschutz.

Der Umbau hin zu stabilen naturnahen Mischwälde­rn bleibt eine Herkulesau­fgabe. Dabei fehlen Revierförs­ter und Waldarbeit­er überall. War der Personalab­bau der letzten Jahre also ein großer Fehler?

Nüßlein: Die Fichte wird auch durch Naturverjü­ngung wachsen. Aber ansonsten muss sinnvoll gepflanzt werden. Also müssen wir auch personell etwas tun.

Es ist nicht nur der Staatsfors­t betroffen, sondern auch private Waldbesitz­er. Und von ihnen gibt es immerhin etwa 1,8 Millionen in Deutschlan­d. Nüßlein: Was ich im Privatwald sehe, ist auch dort ein Umdenken im Gange. Die meisten privaten Waldeigent­ümer gehen den Weg in dieser schwierige­n Umbruchpha­se mit. Dennoch muss ihnen der Staat unter die Arme greifen, damit die Wälder in Richtung Klimastabi­lität umgestalte­t werden können.

Interview: Jörg Sigmund

Georg Nüßlein, 50, Jurist, passionier­ter Jäger und stellvertr­etender Vorsitzend­er der Unions-Fraktion im Bundestag.

 ?? Foto: A. Rüsche, dpa ?? Über Jahrzehnte wurden Fichte-Monokultur­en zur Gewinnopti­mierung geschaffen. CSU-Umweltexpe­rte Nüßlein sieht darin ein großes Problem.
Foto: A. Rüsche, dpa Über Jahrzehnte wurden Fichte-Monokultur­en zur Gewinnopti­mierung geschaffen. CSU-Umweltexpe­rte Nüßlein sieht darin ein großes Problem.
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