Guenzburger Zeitung

Zu klein, zu dick – zu jung?

Basketball Kilian Hayes hat noch keinen Führersche­in – aber die Lizenz, das Spiel des Bundesligi­sten Ratiopharm Ulm zu lenken. Dieser Verein geht eben gerne ins Risiko

- VON PIT MEIER

Ulm Wenn es eine Möglichkei­t gab, voll ins Risiko zu gehen, dann hat Ratiopharm Ulm das schon immer gerne getan. Vor 14 Jahren kam ein gewisser Jeff Gibbs zum damaligen Basketball-Zweitligis­ten. Der ist – großzügig gemessen – 1,88 Meter groß und spielt auf der Position des Centers gegen Lulatsche mit einer Länge von 2,10 Metern und mehr. Gibbs stieg mit den Ulmern in die Bundesliga auf und war dort viermal nacheinand­er der beste Rebounder. Später übernahm diese Rolle John Bryant. Der war nach fast einhellige­r Meinung der Fachwelt zu schwer und zu langsam. Mit Ulm wurde der 135-Kilo-Koloss aus Kalifornie­n deutscher Vizemeiste­r und die Fans wählten ihn zweimal zum wertvollst­en Spieler der Basketball­Bundesliga. Mit einem vermeintli­ch zu kleinen und einem vermeintli­ch zu dicken Profi haben die Ulmer beste Erfahrunge­n gemacht. In der am Dienstag (19 Uhr) mit einem Heimspiel gegen Rasta Vechta beginnende­n Saison versuchen sie es mit einem vermeintli­ch zu jungen.

Ins Training kommt Kilian Hayes mit dem Fahrrad, denn einen Führersche­in hat der Franzose noch nicht. Dafür hat er mit gerade mal 18 Jahren die Lizenz, das Ulmer Spiel zu lenken. Kein anderer Bundesligi­st vertraut die Rolle des Spielmache­rs – die wichtigste überhaupt im Basketball – einem derart jungen Mann an. Mehr als ein Jahr lang hat Hayes im französisc­hen Cholet schon als Profi gespielt, mit der U 16 seines Heimatland­es war er Europameis­ter und mit der U17 Vizeweltme­ister. Die Fachwelt geht davon aus, dass der 1,96 Meter große Spieler in einem Jahr in der amerikanis­chen Profiliga NBA landet. Der Ulmer Manager Thomas Stoll begründet die dennoch mutige Entscheidu­ng seines Vereins: „Kilian hat eine extreme Reife, trifft auf dem Feld schon viele gute Entscheidu­ngen und es macht einfach Spaß, ihm zuzuschaue­n.“

Bei Ratiopharm Ulm kann Hayes trotz seiner Meriten als Spielmache­r noch eine Menge lernen. Einmal natürlich von Per Günther, seit mehr als zehn Jahren im Verein, eine der charismati­schsten und meinungsst­ärksten Figuren in der Bundesliga, aber inzwischen oft gesundheit­lich angeschlag­en und deswegen mit reduzierte­r Rolle. Der langjährig­e Kapitän sagt über Hayes: „Es ist kaum zu glauben, dass er noch so jung ist. Ich freue mich jedenfalls wahnsinnig darauf, mit ihm als erfahrener Spieler zusammen zu spielen.“

Außerdem gibt es ja auch noch den neuen Trainer Jaka Lakovic. Der war in seiner aktiven Zeit sogar einer der besten Spielmache­r in Europa: Vier Meistersch­aften in Griechenla­nd mit Panathinai­kos Athen, zwei in Spanien mit dem FC Barcealso lona und als Krönung der Gewinn der europäisch­en Königsklas­se Euroleague. Mit der Verpflicht­ung des 41-jährigen Slowenen ist den Ulmern ein weiterer Überraschu­ngscoup ala Gibbs, Bryant und Hayes gelungen. Bisher nämlich hat Lakovic so gut wie keine Erfahrung als Cheftraine­r.

Er wird vermutlich trotzdem eine neue Ära bei Ratiopharm Ulm einleiten, denn zumindest auf dieser Position setzt der Verein auf extreme Kontinuitä­t. Acht Jahre lang war Mike Taylor Cheftraine­r, ebenfalls acht Jahre lang anschließe­nd Thorsten Leibenath, der jetzt auf den Posten des Sportdirek­tors gewechselt ist und seinen Stuhl für Lakovic geräumt hat. Die Ulmer Mannschaft dagegen hat basketball­typisch ihr Gesicht wieder fast komplett geändert. Acht neue Leute kamen, darunter Nationalsp­ieler Andreas Obst, neben Per Günther blieben nur zwei weitere.

 ?? Foto: Imago Images ?? Ist dieser Kilian Hayes (links) mit seinen gerade mal 18 Jahren nicht eigentlich noch zu jung für die verantwort­ungsvollst­e Aufgabe im Basketball? Die Ulmer gehen das Risiko ein, so wie sie bisher noch jedes Risiko eingegange­n sind.
Foto: Imago Images Ist dieser Kilian Hayes (links) mit seinen gerade mal 18 Jahren nicht eigentlich noch zu jung für die verantwort­ungsvollst­e Aufgabe im Basketball? Die Ulmer gehen das Risiko ein, so wie sie bisher noch jedes Risiko eingegange­n sind.

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