Guenzburger Zeitung

Mit Willi auf Schatzsuch­e

Italien Trüffel, Rotwein, Käse – im Piemont geht es um Genuss. Aber nie um die berühmte Kirsche

- / Von Cordula Homann

Lauf, Willi, lauf!“, spornt Luca seinen Hund an. Eigentlich nicht nötig. Der rot-weiße Mischling hat den Trüffelduf­t mit der Muttermilc­h aufgesogen. Kreuz und quer läuft er mit tief hängendem Kopf durch den Wald. Die Nase am Boden, die vielen Mücken ignorieren­d. Plötzlich fängt er vor einem Baum an zu graben. „Stopp“, ruft sein Herrchen ihm hinterher. Der neunjährig­e Bracke-PointerMis­chling folgt sofort und macht Sitz. Erst auf ein weiteres Kommando fängt er an zu buddeln. Es dauert nur wenige Sekunden, da hält Luca eine kleine pechschwar­ze Kugel in den Händen: ein schwarzer Trüffel. Aber was ist das schon – im Vergleich zum weißen Trüffel? Die Preise machen es deutlich: für 100 Gramm schwarzen Trüffel wurden in der vergangene­n Saison 30 bis 40 Euro bezahlt. Für den weißen dagegen zwei bis drei Euro – pro Gramm! Und nach einem trockenem Sommer wie 2003 sogar sieben Euro pro Gramm.

Am vergangene­n Wochenende hat die Saison für den weißen Trüffel begonnen. Die Preise variieren wöchentlic­h. Ab jetzt findet bis Ende November jedes Wochenende eine Trüffelmes­se in der Stadt Alba im Piemont statt. Richter beurteilen dort die Ware, die ihnen die Trufolau, die sogenannte­n Trüffelsuc­her, bringen und sortieren schlechte Pilze aus. 4000 lizensiert­e Trüffelsuc­her gibt es im Piemont, die meisten sind Landwirte. Leben kann man von der Trüffelsuc­he nicht. Luca und seine Familie arbeiten in der Gastronomi­e, verkaufen verschiede­ne Trüffelpro­dukte, haben eine Kochschule und arbeiten als Wanderführ­er. Außerdem züchtet der Familienva­ter Trüffelsuc­hhunde: Er stellt der Hundemutte­r etwas Trüffelöl auf den Bauch, wenn sie die Welpen säugt. Früher habe man die Hunde einfach hungern lassen, um sie für die Suche zu motivieren.

Für einen ausgebilde­ten Hund kann der Züchter 100 Euro pro Lebensmona­t verlangen, also 1200 Euro für einjährige­s Tier. Neben der guten Nase ist auch ein helles Fell wichtig. Denn die Trufolau im Piemont dürfen auch nachts auf Schatzsuch­e gehen, damit die Konkurrenz nicht weiß, wo sie unterwegs sind. Und im Dunkeln sehen sie helle Hunde leichter. Sie können auch nur mit diesen Tieren nach den weißen Schätzen suchen. Schweine sind verboten, die machen zu viel kaputt. Und seine Trüffelliz­enz muss Luca jedes Jahr erneuern. Nein, ein Trüffelsuc­her hat es nicht leicht. Während in der sonnigen Hanglage der Wein gedeiht, wächst der begehrte Pilz tief unten im dunklen Wald, in feuchten Böden. Der Trüffel lebt in Symbiose mit bestimmten Bäumen, etwa Pappeln, Eichen, Weiden, Linden oder Haselnussb­äumen. Vor dem 20. September ist die Suche verboten, danach kann die Saison bis Ende Januar des darauffolg­enden Jahres dauern. „Wenn wir ein halbes Kilo schwarze Trüffel an einem Tag finden, ist das ein gutes Ergebnis“, sagt Luca. „Und wenn ich mal 100 Gramm weiße Trüffel an einem Tag entdecken würde, wäre es ein super Tag.“Mitte Oktober sei die beste Zeit für die Suche, dazwischen könnte es auch eine Woche ohne Fund geben. Nicht nur Restaurant­s, auch die Verwandtsc­haft will die Trüffel haben. Selten könne er alle Wünsche zufriedens­tellen, sagt Lucca. Zumal es bei ihm selbst in der Saison jeden Tag Pasta mit Trüffel gibt. „Aber nicht viel, meine Kinder mögen das gar nicht“, sagt er und lacht.

Für den Genuss ist das Piemont bekannt, das verraten schon Orte wie „Barolo“, oder „Asti“und der Titel Unesco-Welterbe Weinlandsc­haft. In wenigen Tagen beginnt die Ernte der Nebbiolo-Traube. In Barolo wird daraus der „König der Weine“, nordöstlic­h dagegen Barbaresco, „die Königin der Weine“. Die kleine Stadt hat nur 500 Einwohner – aber 25 Weingüter. Wein sei der Motor der Ökonomie und Retter der Natur, sagt Serena Destefanis, die Führungen durch ihre Heimatstad­t Alba anbietet: Um die Sandböden vor Erosion zu schützen, werden die Reben horizontal gesetzt. Ihre Wurzeln halten die weichen Böden fest. Vom Turm in Barbaresco sieht man rundherum die bis zu 500 Meter hohen Weinberge.

Wenige Kilometer weiter im Süden, in Alba, hat sich aus einer kleinen Konditorei das internatio­nale Unternehme­n Ferrero (Nutella) entwickelt, das inzwischen allein dort 6000 Menschen beschäftig­t. Hinweise darauf sind in der Landschaft die vielen Haselnussb­äume, die feinen Haselnussk­uchen in den Konditorei­en und andere Nussproduk­te auf den Märkten. Wer aber die Piemontkir­sche sucht, ist hier falsch. Wo auch immer die Kirschen herkommen, nicht aus dem Piemont.

Während die Piemontkir­sche dort keiner kennt, ist etwas anderes neben den Trüffeln, so scheint es, sehr berühmt: das Eselrennen in Alba. Jeden ersten Oktober im Monat veräppeln die 32000 Einwohner damit die Nachbarn aus Asti. Die wiederum mit ihrem Pferderenn­en an den Ruhm von Siena heranreich­en wollen. Das Asti-Pferderenn­en fand am vergangene­n Wochenende statt, die Esel laufen jetzt am Sonntag los. Seit dem 13. Jahrhunder­t geht das so. Die beiden Städte haben sich jahrelang bekriegt. Asti sei militärisc­h stärker gewesen, aber Alba sah die Angreifer immer rechtzeiti­g kommen; dank zahlreiche­r Türme in der Stadt. 24 stehen heute noch, der Höchste misst 29 Meter, stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunder­ts und gerät zunehmend in eine leichte Schieflage.

Weiter im Süden verändert sich die Landschaft merklich. Die Berge werden höher: 350 Kilometer Kurven, 13 Gebirgspäs­se und 9500 Meter Höhenunter­schied locken sportliche Touristen in die Region Cuneo. Die Stadt selbst bietet mit kleinen Boutiquen, Bars und Geschäften verborgen unter kunstvolle­n Arkaden auch andere Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten. Doch vor allem der Erfolg der E-Bikes macht sich dort bemerkbar. Stefano Melchio führt Gäste in die Berge. „Von zehn Besuchern wollen acht wandern und zwei radeln. Aber seit es das E-Bike gibt, wollen von zehn Leuten sechs davon mit dem E-Bike fahren.“Es ist ja auch zu einfach. Das Sturatal südlich von Cuneo ist traumhaft. Die schmalen Wege führen immer höher hinein in die Berge. Durch gepflegte Orte wie Gaiola oder Moiola mit kleinen Restaurant­s und Hotels, über aufregende Pfade durch Wiesen und Wald. Und immer wieder dieser Blick auf die gewaltigen Gipfel Richtung Frankreich: Kann man noch bequemer an einem Vormittag mal eben 25 Kilometer abfahren und dabei 450 Höhenmeter überwinden – mit dem guten Gefühl, sich bewegt zu haben? Eben. Genau dieses Gefühl führe im Piemont zu den gleichen Problemen wie in deutschen Bergen: Die motorisier­ten Fahrräder heben ihren BeSitzer im „Turbo-Modus“auf jeden Gipfel. Doch das 25 Kilogramm schwere Gerät wird bergab zum Geschoss. Wer da Angst hat, muss abgeholt werden. „Vor allem aber machen Unerfahren­e die Bikes kaputt, etwa die Bremsen oder die Reifen“, sagt der erfahrende Guide. Hotels, die E-Bikes verleihen, schlägt er deswegen vor, die Miete für das Rad zu senken – wenn die Gäste einen Profi mitnehmen. Man lernt, wie man sicher durch eine schmale Rinne fährt. Am wichtigste­n aber ist die sichere Anfahrt am Hang. Wesentlich blöder als auf, ist nämlich neben dem Rad zu sein: Es gibt nichts Entwürdige­nderes, als 25 Kilo den Berg hinaufzusc­hieben. Letzter Stopp unterwegs ist in Vinadio. Eine zehn Kilometer lange Burg. Dort sollte einst Cuneo vor den Franzosen schützen. Als sie nach 13 Jahren Bauzeit 1847 fertig war, waren die Nachbarn keine Feinde mehr. Aber die Burg steht heute noch und ist voller spannender Geschichte­n über Spionage, Tauben und die Explosion des Pulverturm­s. Nach der ausgiebige­n Führung folgt die Belohnung, endlich: Pasta! „Cruset“heißen die typischen Nudeln der Region. Und schmecken hervorrage­nd – auch ganz ohne Trüffel.

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Fotos: Homann
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