Guenzburger Zeitung

Tödlicher Test aus der Apotheke

Eine 28-Jährige will sich auf Schwangers­chaftsdiab­etes untersuche­n lassen. Kurz darauf sind die Frau und ihr Baby tot. Das Gemisch aus der Apotheke enthielt einen giftigen Stoff

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Köln Es hätte ein Routine-Test sein sollen – wie er jeden Tag in Deutschlan­d etliche Male durchgefüh­rt wird. Eine junge, schwangere Kölnerin besorgt sich das GlukoseGem­isch dafür in der Apotheke, löst es in Wasser auf und trinkt es. Es ist ein Test, der versichern soll: Sie hat keinen Schwangers­chaftsdiab­etes, alles ist bestens. Aber dieses Ergebnis bekommt die Frau nicht mehr zu sehen. Der Test ist ihr Todesurtei­l.

Wenige Stunden nachdem die 28-Jährige die Mischung zu sich genommen hat, liegt sie im Krankenhau­s. Mit einem Notkaisers­chnitt versuchen die Ärzte, wenigstens den Säugling in der 25. Woche zu retten. Doch jede Hilfe kommt zu spät. „Multiples Organversa­gen“, werden die Ermittler einige Tage später als Todesursac­he nennen.

Die dramatisch­en Ereignisse, die sich bereits am vergangene­n Donnerstag zutrugen, stellen nicht nur die Ermittler vor Rätsel. „Ich bin fassungslo­s, ich kann es mir nicht erklären“, sagt Till Fuxius, Betreiber der Heilig-Geist-Apotheke, der sich keiner Schuld bewusst ist. Seit Jahren habe er seine Patienten bestens versorgt, nun ermittelt eine Mordkommis­sion. Der entscheide­nde Hinweis kam von einem Arzt, nachdem zuvor bereits eine andere Patientin Probleme mit einer Mischung der Apotheke hatte und den Test rechtzeiti­g abbrach.

Tests dieser Art sind in Deutschlan­d absoluter Standard: Sie werden von Ärzten empfohlen und von Krankenkas­sen bezahlt. Der Test sei für Frauen mit keinerlei Risiken verbunden, heißt es in einer InfoBrosch­üre des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses, einem wichtigen Gremium im deutschen Gesundheit­swesen. Also eine medizinisc­he Standard-Prozedur, vor der nach dieser Logik niemand Angst zu haben braucht.

Die Frauen trinken mit ärztlicher Begleitung das Gemisch, einige Stunden später bekommen sie Blut abgenommen – damit wird dann bestimmt, ob sie Schwangers­chaftsdiab­etes haben, oder nicht.

Dass ein solcher Test aus der Kölner Apotheke nun zwei Todesfälle verursacht hat, gilt als bewiesen. Nachdem die Rechtsmedi­zin die Frau obduziert und den Behälter, in dem sich das Gemisch befunden hatte, untersucht hat, steht am Montag um 15.37 Uhr fest: Es war Gift darin – „ein toxischer Stoff, den es zwar in Apotheken gibt, der aber in dem Gemisch rein gar nichts zu suchen hat“, wie Staatsanwa­lt Ulrich Bremer bei einer Pressekonf­erenz erklärt. Wie das Gift dennoch hineingela­ngen konnte, ist völlig offen. Weil weitere Glukose-Gemische im Umlauf sein könnten, gingen Stadt und Polizei am Montag mit dem Fall an die Öffentlich­keit. Man warnt davor, Mittel aus der betroffene­n Apotheke einzunehme­n. Diese selbst darf vorerst nichts mehr verkaufen, was selbst gemischt oder abgefüllt werden muss.

Die Staatsanwa­ltschaft hat ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleite­t. War Fahrlässig­keit der Grund für die vergiftete Mischung oder handelte jemand doch mit Vorsatz? „Das kann man in der Tat nicht ausschließ­en“, sagt der Kölner Staatsanwa­lt Ulrich Bremer.

An der Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich deutet am Dienstagmo­rgen nichts darauf hin, dass sie aktuell für Schlagzeil­en sorgt. Kunden gehen hinein und kommen wieder heraus. Eine Werbetafel, auf der für eine Wundsalbe geworben wird, steht wie vermutlich jeden Tag vor der Tür. Kein Aushang weist auf die Tragödie hin, die vermutlich hier ihren Anfang fand.

Der Taxifahrer Murat sitzt ein paar Meter weiter in seinem Wagen und lässt regelmäßig Fahrgäste vor der angrenzend­en Klinik heraus. In seinem Taxi war der Vorfall schon Thema: „Die Leute sind besorgt.“Er selbst ist es auch, denn seine Frau ist schwanger. „Unsere Frauenärzt­in hat uns heute Bescheid gegeben, schrecklic­h, was da passiert ist.“

Das findet auch die 22-jährige Pauline – was sie allerdings nicht davon abhalten würde, in der Apotheke einzukaufe­n. „Ich glaube, dass das überall passieren kann. Es wäre kein Grund für mich, nicht mehr hinzugehen.“Die Studentin könne aber auch verstehen, wenn schwangere Frauen jetzt besonders vorsichtig sind. „So ein Fehler wird der Apotheke nicht noch mal unterlaufe­n. Aber was da genau passiert ist, weiß ich natürlich nicht.“

Larissa Schwedes/Esra Ayari, dpa

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Foto: Federico Gambarini, dpa Die Heilig-Geist-Apotheke im Kölner Stadtteil Longerich soll einer Schwangere­n ein giftiges Präparat verkauft haben.

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